... immer weiter: Nach G8 ist vor COP 9 Große Umweltkonferenz 2008 in Bonn

Ausverkauf biologischer Vielfalt stoppen!

von Gregor Kaiser

Kapitalistisches Wirtschaften und Erhalt der Umwelt stehen meistens im Widerspruch zueinander. Unternehmen sind daran interessiert, möglichst viele Kosten zu externalisieren, um ihre Gewinne zu erhöhen. Umweltauswirkungen, die zu Klimawandel oder Verlust der biologischen Vielfalt führen, werden auf die Gesellschaft abgewälzt, und nur durch staatliche Eingriffe oder gesellschaftlichen Widerstand können die Unternehmen oder auch die auf Wirtschaftswachstum fixierten Regierungen zur Übernahme von Verantwortung für Umwelt und soziale Gerechtigkeit gezwungen werden.

Wirtschaftswachstum, Investitionssicherheit und Schutz geistigen Eigentums sind zentrale Themen des im Juni in Heiligendamm stattfindenden G8-Gipfels zur Stärkung westlicher Unternehmen und Öffnung neuer Märkte. "Piraterie" soll der Kampf angesagt werden - die sogenannten "Übel" der Marken- und Produktpiraterie, mit der Schwellen- und Entwicklungsländer versuchen, Einkommen und Weltmarktanteile zu gewinnen oder schlicht Medikamente für kranke Menschen kostengünstig zu produzieren, sollen verhindert und Defizite der vorhanden internationalen Rechtslage zum geistigen Eigentum identifiziert und "ggf. neue internationale Vereinbarungen" in den "Blick" genommen werden.(1) Eine solche Politik passt hervorragend in die im Oktober letzten Jahres veröffentlichte Außenwirtschaftsstrategie der EU, die darauf abzielt, die europäischen Unternehmen im weltweiten Wettbewerb zu stärken und regulatorische Hemmnisse oder Handelshemmnisse abzubauen. Die Stärkung geistiger Eigentumsrechte ist auch hier ein zentraler Punkt, Umwelt- und Sozialpolitik werden gar nicht oder am nur am Rande erwähnt.(2)

Dass geistige Eigentumsrechte - Patente, pflanzlicher Sortenschutz, Markenschutz u.a. - aber vielfach negative Auswirkungen haben, ist hinlänglich bekannt.(3) Ausschluss von BäuerInnen von der Verwendung des Saatguts, Lizenzgebühren auf Medikamente, die diese um nicht selten 1000% verteuern, Patente auf Gene und Leben, proprietäre Software etc. sind nicht nur innovationsfeindlich, weil Forschung behindert wird, sondern ganz direkt existenzbedrohend und tödlich. Wenn Menschen keine Nahrungsmittel mehr anbauen können, weil sie sich das Saatgut nicht leisten können; wenn Menschen keine medikamentöse Therapie bekommen, weil die Tabletten nicht vorhanden oder zu teuer sind, wird katastrophal deutlich, wohin die von den G8 propagierte neoliberale Marktwirtschaft führt: Zum Tod vieler Menschen - um die Dominanz des Nordens in der globalen Akkumulation zu erhalten.

Auf dem G8-Gipfel werden keine verbindlichen Entscheidungen gefällt, wie der Schutz geistigen Eigentums umgesetzt werden muss. Es werden aber Vorabsprachen getroffen, Positionen ausgelotet und neue Handlungsfelder sondiert. Durch ihre Dominanz in der globalen Politik sind die Papiere und Nicht-Papiere, die in diesem Jahr nun in Heiligendamm und zuvor produziert werden, richtungsweisend für zukünftige Entwicklungen in der Welthandelsorganisation oder auch in internationalen Umweltabkommen.

Und daher ist es entscheidend, dass die Proteste gegen G8 auch die Thematik geistige Eigentumsrechte in den Blick nehmen und von den G8 fordern, den Begriff der Piraterie zunächst und vor allem selbstbezogen zu sehen: Denn v.a. die Unternehmen und Forschungseinrichtungen aus Nordamerika, Europa und Japan sind es, die seit Jahren Biopiraterie betreiben, Pflanzen, Tiere und Gene patentieren lassen und indigene und lokale Gemeinschaften in deren Selbstbestimmungsrecht missachten. Initiativen zum Verbot der Biopiraterie, zur Offenlegung der Herkunft genetischen Materials und des Wissens darum bei einer Patentanmeldung sowie die Befolgung der z.B. in der Konvention über die biologische Vielfalt festgelegten Schritte, wie vorherige informierte Zustimmung sowie einvernehmliche Vertragsbedingungen zwischen den beteiligten Parteien sind schon lange geltendes Recht, werden aber immer wieder negiert und nicht durchgesetzt und wären erste Schritte, mit denen soziale und ökologische Gerechtigkeit erreicht werden könnte.

Minister Gabriel hat auch das Thema biologische Vielfalt auf die Agenda der G8-Treffen gehoben, allerdings verkürzt im offiziellen Sprachgebrauch zum Artenschutz(4) und immer darauf bedacht, innovationsfördernde - und nicht hemmende - Konnotationen zu wecken. Im Anschluss an ein G8-Umweltministertreffen Mitte März in Potsdam erklärte er: "Die klare Botschaft dieses Treffens ist, dass wir gemeinsam unsere Anstrengungen gegen den massiven Verlust an biologischer Vielfalt verstärken müssen. Es bestand Einigkeit, dass wir nicht länger die Datenbank der Natur mit ihrem großen Potenzial für die wirtschaftliche und soziale Entwicklung löschen dürfen." Ein Stern-Report über die wirtschaftliche Bedeutung der biologischen Vielfalt soll erstellt werden, um dann im kommenden Jahr auf der 9. Vertragsstaatenkonferenz der Konvention über die Biologische Vielfalt (CBD) in Bonn mit positiven Ergebnisse im Umweltschutz aufwarten zu können.

Die Proteste zivilgesellschaftlicher Gruppen werden in den kommenden Monaten mit sehr viel Energie und kreativ auf die Provokationen der G8 reagieren und zeigen, dass die offiziellen Worthülsen und Programme, die aus Heiligendamm in die Welt gesandt werden, häufig nicht das Papier wert sind, auf dem sie gedruckt werden. Daran gilt es anzuknüpfen und die globalisierungskritischen Proteste im kommenden Jahr verstärkt auf die umwelt- und sozialpolitischen Implikationen des herrschenden Umgangs mit biologischer Vielfalt zu richten.

Der Themenkomplex geistige Eigentumsrechte und biologische Vielfalt erfordert gerade jetzt ein hohes Maß an Kontinuität und Weiterarbeit. Denn nicht nur G8 setzt derzeit Maßstäbe, sondern auch im Rahmen der EU-Ratspräsidentschaft versucht die Bundesregierung die oben bereits erwähnte Strategie Global Europe massiv zu unterstützen. Es geht um knallharte Wirtschaftsförderung, und da spielen Umweltaspekte nur dann eine Rolle, wenn es der Wirtschaft nützt. In der Hoffnung auf neue Heilmittel oder besseres Saatgut setzt sich Minister Gabriel für den Schutz der biologischen Vielfalt ein. Kein Wort jedoch zu der Rolle der weltweit rund 3 Mrd. Armen oder den Millenium Development Goals.

In Deutschland steht nach G8 das nächste Großereignis vor der Tür. Im Mai 2008 treffen sich in Bonn rund 4.000 RegierungsvertreterInnen und VerteterInnen der Zivilgesellschaft, um im Rahmen der 9. Vertragsstaatenkonferenz(5) der CBD(6) über den Schutz derselben, die nachhaltige Nutzung und die Beteiligung der ursprünglichen Nutzer an potentiellen Gewinnen aus der kommerziellen Nutzung zu diskutieren. Auch hier geht es um geistige Eigentumsrechte und ganz grundsätzlich um die Kommerzialisierung von Natur, die Macht von Konzernen und Biopiraterie.

Die Kämpfe sozialer Bewegungen gegen Patente, gegen Machtkonzentration, gegen Privatisierung und gegen die Kontrolle über biologische und kulturelle Vielfalt müssen gestärkt werden. Viele indigene und kleinbäuerliche Gruppen weltweit wehren sich gegen den erzwungenen Ausverkauf der biologischen Vielfalt und die Dominanz westlicher Unternehmen. Sie gilt es zu unterstützen, Gerechtigkeit und ökologische verträgliches Handeln durch die Regierenden einzufordern und auch auf der Straße sich dafür einzusetzen.(7)

Auf nach Bonn!

Anmerkungen

  1. Bundesministerium für Wirtschaft und Technologie: Deutsche G8 Präsidentschaft - Unterrichtung des Unterausschusses Globalisierung und Außenwirtschaft am 17. Januar 2007, S. 3, 15. Januar 2007.
  2. Kommission der Europäischen Gemeinschaften (2006): Ein wettbewerbsfähiges Europa in einer globalen Welt. Ein Beitrag zur EU-Strategie für Wachstum und Beschäftigung. Mitteilung der Kommission an den Rat, das Europäische Parlament, den Europäischen Wirtschafts- und Sozialausschuss und den Ausschuss der Regionen, KOM (2006) vom 4.10.2006, Brüssel (deutsche Fassung von "Global Europe)
  3. Vgl. z.B. Gerstetter C, Kaiser G. (2006): Gemeinsam die Allmende verteidigen. Peripherie; 26 (101/102): 69 - 98; auch: Stieglitz, Joseph (2006) Chancen der Globalisierung, Kap. 4.
  4. Biologische Vielfalt umfasst die Vielfalt auf Artenebene, die genetische Variabilität innerhalb einer Art sowie die Vielfalt auf Ökosystemebene.
  5. COP 9, Conference of the Parties
  6. Vom 19. bis 31.Mai; die Woche vorher, vom 12.-16. Mai findet in Bonn das Treffen der Vertragsparteien des sog. Biosafety-Protokolls statt. Dort geht es um Fragen der Sicherheit von Gentechnik.
  7. Mehr Infos unter www.biopiraterie.de

Ausgabe

Rubrik

Schwerpunkt
Gregor Kaiser promoviert an der Uni Kassel und am Wuppertal Institut und ist aktiv in der BUKO Kampagne gegen Biopiraterie.