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Balkan Peace Team
von
Ein unspektakulärer Runder Tisch in Split. Es geht um die Vertreibung einer Familie. Foto nach einer Verhandlung in Sachen Hausausweisung, (Aug. 1994). Johanna Bjorken (BPT), Tonci Majic (Journalist), ein Betroffener, Christine Schweitzer (BSV).
Kein Projekt, überhaupt niemand, kann Frieden von außen bringen. Aus der Arbeit des Balkan Peace Teams läßt sich auch keine Empfehlung ableiten, wie etwa dem bedrängten Sarajewo zu helfen wäre. Zumindest eines aber wollen wir feststellen: Zivile Intervention mit gewaltfreien Mitteln hat bislang kaum stattgefunden. Hier ein paar Überlegungen, was zivile Intervention kann.
Peripherie und Zentrum
Die Teams des BPT arbeiten nicht in Bosnien. Ein einfacher Grund hierfür ist, daß eine Aufbauphase sicherlich nicht der rechte Zeitpunkt war, die schwierigsten Schritte zuerst zu unternehmen. Kroatien bot sich Anfang 1994 als erster Schritt an, die Arbeit im serbisch-albanischen Konflikt im Kosovo, das ursprüngliche Anliegen der Koalition, wurde im November 1994 aufgenommen. In der jetzigen angespannten Lage (4. September) verstand, nur ein Beispiel, ein Mitglied des Landesvorstandes der Hamburger GAL/Bündnis 90 diesen Ansatz als eine Art "Wegtauchen" in die Bedeutungslosigkeit und "Drücken" vor der Kernaufgabe in Bosnien.
Das Balkan Peace Team unterhält Teams internationaler Freiwilliger in den Gebieten des ehemaligen Jugoslawiens. Insgesamt vier Männer und drei Frauen arbeiten derzeit als Langzeit-Freiwillige in Zagreb, Split und Belgrad. Das seit Anfang 1994 bestehende Projekt ist ein Zusammenschluss von elf internationalen Organisationen, darunter die War Resisters' International, der Internationale Versöhnungsbund, die Peace Brigades International, eine Koalition französischer Gruppen und der Bund für Soziale Verteidigung.
Das Balkan Peace Team versteht die Konflikte hingegen als verbunden. Kroatien war der Kriegsschauplatz von 1991 und wurde mit der Besetzung der Krajina Anfang August erneut zum Akteur. Bosnien ist der jetzige Schauplatz der Kämpfe, aber Flüchtlinge von hier wie aus der Krajina werden als Instrument serbischer Siedlungspolitik im Kosovo oder in der Wojwodina missbraucht.
Erfolgreiches "Peacekeeping" (Wahrung des Friedens) in der Peripherie ist die Voraussetzung des Endes der Kämpfe im Zentrum. Oder andersherum: Wenn die friedliche Koexistenz in einer Region nicht mehr möglich ist, werden Kämpfe und Vertreibungen den Krieg in der Nachbarregion weiter nähren. Auch jetzt garantiert niemand die Ruhe der Waffen in Kosovo oder Ost- Slawonien. Eine mehrjährige Arbeit gewaltfreier Intervention darf sich nicht auf einzelne aktuelle Blickpunkte konzentrieren. Das ganze ehemalige Jugoslawien ist Konfliktgebiet. Wenn der Knoten nicht durchschlagen werden kann, beginnt seine Auflösung am Rande. Unspektakulär und geduldig.
Mediation und Menschenrechte
Vermittlung erfordert Neutralität und Vertrauen auf allen Seiten. Menschenrechte erfordern Parteinahme. Ein Spannungsfeld! Wenn das Balkan Peace Team vermitteln will, geht es darum, lokalen Gruppierungen im Friedens- und Menschenrechtsbereich Gehör gegenüber ihren Behörden zu verschaffen. In der Krajina - als nur ein aktuelles Beispiel - könnte dies etwa heißen, eine zurückkehrende Familie bei den notwendigen Amtsgängen zur Erlangung neuer Papiere zu begleiten. Also Engagement und Einsatz für Menschenrechte auch auf der unscheinbareren Alltagsebene. Wenn in diesen Tagen unter dem Eindruck der Bilder von Sarajewo Bekenntnisse gefordert werden, die serbische Seite zu Kriegsverbrechern und für verhandlungsunfähig zu erklären, dann ist das allerdings ein Problem von Regierungs- und Militärpolitik, nicht aber der Arbeit des Balkan Peace Teams. So richtig die Feststellung ist, daß Kriegsverbrechen ganz deutlich vor allem von serbischer Seite ausgehen, sind Menschenrechte weiterhin unteilbar. Die vertriebenen SerbInnen der Krajina sind genauso Thema der Menschenrechtsagenda wie das Leid der Menschen in Bosnien oder die Opfer von Srebrenica und Sarajewo. Eine Lösung des Konfliktes, die halbwegs Bestand haben will, muß allen Flüchtlingen dieses Krieges eine neue Bleibe bieten: wenn auch weniger als Heimat, so doch mehr als Flüchtlingslager. Hier sind vor allem Nichtregierungs-Organisationen und engagierte Menschen gefragt. Hier sind auch die Aufgaben, die uns erlauben, aktiv zu werden, ohne bessere Einsicht unserer eigenen Regierungen abzuwarten.
Mittel und Wege
Die Mittel des Balkan Peace Team liegen vor allem in dem vielfältigen Bereich der Unterstützung lokaler Gruppierungen, die z.B. versuchen, der Vertreibung von Minderheiten entgegenzuwirken. Das größere Thema hierbei ist der Aufbau ziviler Gesellschaften. Wenn z.B. Hausausweisungen in Kroatien nicht mehr von Militärbehörden verfügt werden können, sondern von Zivilbehörden und i.d.R. vor Gericht entschieden werden, ist dies ein wesentlicher Schritt weg von militärischer Allmacht. Hunderte von Hausausweisungen und Dutzende von Gerichtsverfahren sind der Alltag eines Teams in einer solchen politischen Auseinandersetzung, die zehntausende von Familien - Bleiben oder Weggehen - betrifft. Der erste Durchbruch weg von der Willkür "wilder Ausweisungen" ist erfolgt. Nun gilt es Grundsatzurteile der obersten Gerichte zu erreichen.
Auch in Krisensituationen gibt es erfüllbare Aufgaben. Teams, die von Zagreb oder Split aus in die (gewaltsam) wiederangegliederten Gebiete Kroatiens reisen leisten z.B. Unterstützung für verbliebene Familien gegenüber den Behörden. Oder aber die Teams begleiten Rückkehrwillige bei ersten Besichtigungen ihrer Häuser. In West-Slawonien wurde ein serbischer Politiker, der Drohungen erhielt, als er seine Landsleute zum Verbleiben aufforderte, von Freiwilligen des Balkan Peace Teams tagelang begleitet und durch bloße internationale Präsenz geschützt. Für Notfälle gibt es ein internationales Alarmnetzwerk.
Angesichts der festgefrorenen Lage im Kosovo darf dort vorerst auf kaum mehr gehofft werden, als Kanal von Informationen zwischen den Seiten und nach außen zu sein. Die Teams sind auch dabei behilflich, wenn serbische Oppositionsgruppen die Kosovofrage auch in Belgrad auf die Tagesordnung setzen wollen. Erfolgreiche Arbeit in Prishtina wäre schon, einer Versammlung unter Beteiligung von AlbanerInnen die Nutzung von öffentlichen Räumen zu ermöglichen. Änderungen in Bosnien werden allerdings neue Bewegung und Gefahren in der Region erzeugen. Dann gilt es präsent zu sein und Kontakte schon aufgebaut zu haben. In verschiedenen Gebieten zu arbeiten, ist ein wesentliche Voraussetzung von Unabhängigkeit und Effizienz. Die Teams sind in der Situation, Informationen im Land zu transportieren. Wenn etwa das Kosovo-albanische Komitee für Freiheit und Menschenrechte die Flüchtlinge der Krajina nicht nur als Vertriebene, sondern auch als Kolonisten im Kosovo sieht, ist dies auch für Antikriegsgruppierungen in Kroatien von Bedeutung. Internationale Projekte wie das Balkan Peace Team spielen bei dieser Art von Informationsvermittlung zwangsläufig eine zentrale Rolle.
Idee und Realpolitik
Projekte wie das Balkan Peace Team allein können keine umfassende politische Antwort auf den Krieg im ehem. Jugoslawien sein. Deutlich aber ist. daß es Arbeit zu tun gibt und daß schon mit geringen Mitteln erstaunliche und handfeste Dinge bewegt werden können. Vielleicht am wichtigsten die folgende Erfahrung aus der Arbeit des Balkan Peace Teams: gewaltfreie Intervention dieser Art ist ein Brachland, das bislang kaum erkundet, geschweige denn beackert wurde. Trotz realer Effekte: Das Balkan Peace Team ist noch kaum mehr als ein Pilotprojekt. Vielleicht lassen sich hier schon einige Konturen eines zivilen Friedensdienst für Auslandseinsätze ablesen. Für das blutende Jugoslawien aber: Nicht nur die neuen FreundInnen von `Realpolitik' und `Verantwortungsethik' - vor allem wir selbst sind uns noch die Antwort schuldig, ob hundert Balkan Peace Teams darüber hinaus nicht auch ein realer politischer Faktor werden können.