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Abrüstung lernen vom Pentagon?
Basenschließung und wirtschaftlicher Ausgleich in den USA
von"Insgesamt ist für das geeinte Deutschland im Laufe der 90er Jahre mit einer Entmilitarisierung zu rechnen, die ausländische Streitkräfte von vormals über 400.000 auf unter 200.000 Soldaten in Westdeutschland reduziert, vormals ca. 380.000 sowjetische Soldaten in Ostdeutschland bis 1994 auf Null bringt und nationale Streitkräfte von vormals über 660.000 Soldaten beider deutscher Armeen auf unter 370.000 verringert" so das Fazit einer Sonderausgabe des "Mediatus" über Truppenabbau in Deutschland. Immer mehr Gruppen der Friedensbewegung beschäftigen sich mit der Frage, wie Militäreinrichtungen in eine Ökologie- und sozialverträgliche zivile Nutzung überführt werden können. Seit die Diskussion konkreter wurde, stieg auch das Interesse an dem Büro für wirtschaftlichen Ausgleich (office for economic a justment = OEA), das in den USA in Füllen von Basenschließungen oder -verkleinerungen aktiv wird. So reiste der Innenausschuß des Rheinland-Pfälzischen Landtages in die USA, um sich über die Arbeitsweise dieser Einrichtung zu informieren. Die "TV-Rheinland Pfalz forderte gar das Tätigwerden des OEAs in der Bundesrepublik. Im Rahmen eines internationalen Workshops über "Ökonomische Konversion und Graswurzelbeteiligung" befaßte ich mich mit Arbeitsweise und -resultaten des OEAs.
Im Gegensatz zur Regierung hierzulande fühlt sich die nationale Regierung der USA für Hilfen zum wirtschaftlichen Ausgleich für von Basenschließungen betroffene Kommunen verantwortlich. Auf Kabinettsebene existiert ein Economic Ajustment Committee, in dem 18 Institutionen (Ministerien, Behörden etc.) Ressort- bergreifend zusammenarbeiten. Den hauptamtlichen Apparat dieses Komitees stellt das 1961 gegründete, beim Pentagon angesiedelte, Office for Economic Ajustment dar. Wie gleicht das Pentagon Basenschließungen ökonomisch aus? Zuerst einmal - (meist) nicht mit Geld, sondern vor allem mit Beratung. Hauptakteur ist die betroffene Kommune - diese soll mittels einer Arbeitsgruppe den ökonomischen Ausgleich puschen - Zuschußanträge stellen, Investitionshilfen leisten, Gewerbe anziehen und verschiedenste Serviceleistungen für die Wirtschaft bereitstellen... Das funktioniert meistens prächtig. Von 1961 bis 1986 wurden mit Unterstützung durch das OEA 100 Militärbasen zivil ungenutzt und ihr Abbau wurde wirtschaftlich ausgeglichen. Durch die Umnutzung gingen 93.424 zivile Arbeitsplätze verloren, nach der Umnutzung fanden mehr Menschen in den ehemaligen Kasernen Arbeit als vorher - 138.138. Dort, wo das Militär auszog, fanden sich schon bald Gewerbebetriebe, Schulen, Hochschulen, Zivilflughäfen, Dienstleistungseinrichtungen oder Behörden ein. Für die meisten Gemeinden war der Militärabbau - zumindest mittelfristig - ein wirtschaftlicher Gewinn.
Dieses Modell auf die Standortkonversion in den vom alliierten Truppenabbau betroffenen Regionen der alten Bundesrepublik zu übertragen, ist jedoch unrealistisch und problematisch. Unrealistisch, weil die kommunalen Handlungsmöglichkeiten in den USA oft zustande kamen, indem das Pentagon die Liegenschaften den Kommunen zu sehr günstigen Konditionen (teilweise sogar umsonst oder zu einem nur symbolischen Preis) überließ. Gut erschlossene, preisgünstige Liegenschaften lockten Investoren. Ähnliches ist von der Bundesregierung nicht zu erwarten, insbesondere weil die Bundesregierung durch ein im Jahre 1971 mit dem Pentagon abgeschlossenes Verwaltungsabkommen verpflichtet ist, die US-amerikanischen Milliardeninvestitionen für Neubauten in den US-Stützpunkten bei der Rückgabe von militärischen Einrichtungen zu erstatten.
Die zivile Weiternutzung wird auch durch die Verseuchung eines beträchtlichen Teiles (lt. Geheimbericht des Pentagons 300) der von den US-Streitkräften genutzten Liegenschaften erschwert. Ob die Bundesregierung auf dem Verursacherprinzip bestehen wird, darf angesichts massiver Finanzforderungen aus den USA wg. Kriegssolidarität bezweifelt werden. (In den USA müssen die Militärs bei Basenschließungen ein Umweltverträglichkeitsgutachten erstellen und veröffentlichen, in dem über verschiedenste Aspekte des ökologischen Zustandes detaillierte Informationen vorgelegt werden müssen - das wäre auch hier durchaus nachahmenswert).
Wichtig für das Gelingen des ökonomischen Ausgleichs in den USA war auch, daß definitive Entscheidungen über Basenschließungen gefüllt wurden und verbindliche Zeitpläne vorgelegt wurden. So hatten die Kommunen konkrete Planungsgrundlagen. Angesichts einer Informationspolitik, die von Geheimniskrämerei und Falschaussagen (um Unruhe unter Soldaten und Beschäftigten zu vermeiden) geprägt ist und weiterer Unsicherheiten (z.B. wurden für die Dauer des Golfkrieges alle Schließungspläne der US-Regierung wieder auf Eis gelegt) füllt dies bundesdeutsche Kommunen zur Zeit schwer.
Problematisch wäre eine Kopie der US-Programme auch, weil die Zukunft der bisherigen Zivilbeschäftigten darin völlig vernachlässigt wird. Ihre Beteiligung kam bei der Umnutzung kaum vor. Es entstanden zwar neue Arbeitsplätze, aber diese standen der bisherigen Zivilbeschäftigten wg. ihres dafür inadäquaten Qualifikationsprofils nicht zur Verfügung. (Im Bundesstaat Colorado wird z. Z. allerdings mit einem Umschulungs- und Arbeitsfindungsprogramm bereits im Vorfeld auf die Schließung eines Militärdepots bei Pueblo reagiert. Die Beschäftigten können während ihrer bezahlten Arbeitszeit an einer von der AFL/CIO organisierten Weiterbildung, das Militär stellt auch die Räumlichkeiten zur Verfügung. Der Erfolg ist gut, viele finden schon vor der Schließung eine neue Stelle).
Ein wirtschaftlicher Ausgleich, der fast ausschließlich darauf ausgerichtet ist, die Marktkräfte zu beleben, ist aber auch eine schlechte Voraussetzung dafür, ökologische und soziale Kriterien bei der Umnutzung der Liegenschaften und der Veränderung der Regionalstruktur zur Geltung zu bringen. Trotz dieser Mängel ist in Teilbereichen durchaus von dem US-Ausgleichsprozeß zu lernen: z.B. daß er unter Beteiligung eines breiten Spektrums gesellschaftlicher und ökonomischer Kräfte stattfinden sollte, daß handlungs- und entscheidungsbefugte Koordinationsgremien geschaffen werden sollten etc.
Eine ausführlichere Studie über "Erfahrungen mit Basenschließungen und wirtschaftlichem Ausgleich in den USA, Bemühungen um Rüstungskonversion" ist beim M™P e.V., Reuterstr. 44, 5300 Bonn 1, zu erhalten; bei CIL, Eckenheimer Str. 72, 6000 Frankfurt 1 gibt es außerdem einen englischsprachigen Reader über "economic conversion and grassroots participation"