Bi-nationale Partnerschaften und der Krieg am Golf

von Sabine Kriechhammer-Yagmur

"Hat dein Mann sein Bömbchen schon gebastelt?" Mit diesen Worten wurde die deutsche Ehefrau eines palästinenischen Arztes am Tag nach dem Beginn der kriegerischen Auseinandersetzung am Golf an ih­rer Arbeitsstelle begrüßt.

 

Solche und andere "Scherze" mussten bi-nationale Familien, bei denen ein Part­ner aus einem arabischen Land stammt, in den letzten Wochen häufig über sich ergehen lassen. Kinder kamen verstärkt aus Krippe, Hort, Kindergarten oder Schule und erzählten von anderen Kin­dern, die ihnen Prügel angedroht hatten, "weil der Papa aus Syrien (Irak,...) ist!". Andere erzählten, daß man in der Schule über den Krieg gesprochen und sie genötigt habe, Stellung zu beziehen. Ei­nige Kinder stellten sich bewußt auf die Seite derer, die sie in diesem Konflikt als die Schwächeren empfanden und ernteten dafür Kritik, Diffamierung, Schläge.

In einem Klima , in dem alles , was ara­bisch ist, auf einmal nicht mehr gut sein darf, kann die Angst ungehindert wach­sen. Wenn z.B. die Augsburger Puppen­kiste ihr Stück "Aladins Wunderlampe" absetzt, weil darin von dem "guten und gnädigen Herrscher von Bagdad" die Rede ist; wenn die Stadt Aachen einen aus einem moslemischen Land ge­schenkten Wandteppich lieber abhängt als sich der Auseinandersetzung mit den Bürgern zu stellen; wenn in neuen Hol­lywood-Filmen die bösewichtigen Hel­den schnell ein neues Image bekommen ("der böse Araber") dann nimmt es nicht wunder, daß die Bevölkerung entspre­chend reagiert. Wenn der hessische In­nenminister die Bevölkerung auffordert, gegenüber Menschen aus arabischen Ländern wachsam zu sein, wenn die Polizei in Frankfurt ermuntert, "auffällig/unauffälliges Verhalten (evtl. von Personen arabischer Herkunft) sofort zu melden", ist der Weg zur Denun­ziation arabischer Nachbarn nicht mehr weit. Dann werden Wohnungen durch­sucht - so geschehen in Hessen und Bayern-, polizeiliche Vernehmungen durchgeführt, Meldeauflagen auferlegt, die politische Betätigung verboten, für den Fall der Nichteinhaltung aufent­haltsbeendende Maßnahmen angedroht.

Und dann die Berichterstattung in den Medien, die -streng zensiert- das Bild eines millimetergenauen Krieges ver­mittelt, in dem der Hauptfeind "natürlich" der böse Araber ist: aus all diesen Einzelstückchen setzt sich ein Bild zusammen, das aus Vorurteilen, Halbwahrheiten und Pseudowissen ent­steht. Der böse, habgierige Araber, der als Moslem den heiligen Krieg der ara­bischen-islamischen Welt gegen den ge­rechten Kampf der westlich-christlichen Welt setzt. Selbst in bi-nationalen Fa­milien macht sich bemerkbar, wie tief Vorurteile und Angst sitzen: die Kluft geht auf einmal mitten durch die Fa­milien, der Krieg findet in den Köpfen und in den Herzen statt. Diskrimierungs- und Minderheitenerfahrungen auf der einen Seite stehen Vorurteile und Mehrheitsmeinungen gegenüber - in der eigenen Familie. So manche Initiativ­gruppe des Verbands bi-nationaler Fa­milien und Partnerschaften bereitet Ver­anstaltungen vor, in denen die Beteilig­ten in der eigenen Familie sich anguc­ken können, was die Kriegshetze mit ih­nen macht. In vielen Familien gibt es heiße und erregte Diskussionen, oft steht am Ende der Satz: "Ich kann dich nicht verstehen!" Das macht deutlich, wie tief dieser Krieg in den Köpfen sitzt, wie wichtig es ist, sich mit ihm zu beschäf­tigen und gegen ihn und sich selbst zu kämpfen. Das bedeutet: Vorurteile er­kennen, dialogfähig bleiben oder wieder werden, Bereitschaft, Privilegien aufzu­geben und Güter gerecht zu verteilen. Folgen dieses Krieges, dessen bin ich sicher, werden viel länger nachwirken, als wir es zunächst glaubten. Es braucht wieder viel Engagement, viel Mut und viel Kraft, Vorurteile abzubauen und einen konstruktiven Dialog zu führen.

Verband bi-nationaler Familien und Partnerschaften, Mainzer Landstr. 147, 6000  Frankfurt/M 1, 069/737898

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Sabine Kriechhammer-Yagmur, IAF