Empfehlungen des BICC

BICC: Anforderungen an eine neue Genehmigungspraxis

von Max M. Mutschler
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Waffen können durchaus eine legitime Funktion im Rahmen staatlicher Sicherheitspolitik haben – etwa zur Selbstverteidigung gegen Aggression oder deren Abschreckung. Auch der Export von Waffen und Rüstungsgütern ist deshalb nicht grundsätzlich illegitim. Allerdings ist er höchst problematisch, wenn die Exporte in Krisengebiete erfolgen, in denen sie die Eskalation von Konflikten befeuern können, oder wenn die Rüstungsgüter von autoritären Regimen missbraucht werden, um die eigene Bevölkerung zu unterdrücken.

Die Bundesregierung nimmt stets für sich in Anspruch, eine restriktive Rüstungsexportpolitik zu betreiben. Sie kann sich dabei auf eine ganze Reihe von rechtlichen und politischen Leitlinien berufen, die etwa besagen, dass der Menschenrechtssituation im Empfängerland eine besondere Bedeutung beigemessen wird oder dass keine Waffen in Spannungsgebiete geliefert werden sollen. Blickt man hingegen auf die Genehmigungspraxis, erkennt man eine deutliche Diskrepanz zu diesen selbst formulierten Ansprüchen. Immer wieder genehmigten unterschiedliche Bundesregierungen den Export von Waffen und sonstigen Rüstungsgütern an autoritäre Regime und in Spannungsgebiete. Die Beispiele hierfür sind zahlreich. Der vielleicht eklatanteste Verstoß gegen die eigenen Regeln in der jüngeren Zeit liegt in der fortgesetzten Belieferung Saudi-Arabiens mit Rüstungsgütern. Trotz des Jemen-Krieges, bei dem sich die von Saudi-Arabien angeführte Koalition sich wiederholt massiver Verletzungen des humanitären Völkerrechts schuldig gemacht hat, erhält das Königreich weiterhin Waffen aus Deutschland. Der im Frühjahr 2018 geschlossene Koalitionsvertrag zwischen CDU, CSU und SPD enthält zwar die Absichtserklärung, keine Rüstungslieferungen mehr an Staaten zu genehmigen die unmittelbar am Jemen-Krieg beteiligt sind. Für bereits genehmigte Exporte sichert er aber einen „Vertrauensschutz“ für die Unternehmen zu.

Insgesamt folgt die deutsche Rüstungsexportpolitik eher der Nachfrage des globalen Rüstungsmarktes, als einer gezielt restriktiven Politik die sich an friedenspolitischen Gesichtspunkten orientiert. Und die weltweite Nachfrage nach Rüstungsgütern steigt schon seit Jahren an. Dies schlägt sich in den Genehmigungswerten der deutschen Rüstungsexportpolitik nieder. Diese schwanken zwar von Jahr zu Jahr; aber über einen längeren Zeitraum betrachtet ist der Trend klar ansteigend. (1) Insbesondere zahlungskräftige Staaten aus dem Nahen und Mittleren Osten sowie aus Asien ersetzen die Mitgliedstaaten der EU und der Nato als Hauptempfänger deutscher Rüstungsexporte. Seit 2012 gehen über die Hälfte der genehmigten Rüstungsexporte aus Deutschland an Staaten außerhalb von EU oder Nato. Beim Export von Kriegswaffen, also zum Beispiel von kompletten Kampfpanzern oder Kriegsschiffen, liegen die Werte sogar noch höher. Hier ging in den letzten beiden Jahren (2016 u. 2017) sogar über 90 Prozent an diese sogenannten Drittländer. (2)

Wenn die Bundesregierung eine tatsächlich restriktive Rüstungsexportpolitik betreiben will, dann muss sie ihre Genehmigungspraxis ändern. Insbesondere die Rüstungsexporte an die sogenannten Drittländer müssten stark eingeschränkt werden. Soll doch an solche Empfänger geliefert werden, so müsste die Begründungspflicht nicht bei den KritikerInnen, sondern bei den BefürworterInnen von Rüstungsexporten liegen. Konkret könnte das etwa so ausgestaltet werden, dass zumindest für den Export von Kriegswaffen, sämtlicher Kleinwaffen und leichten Waffen sowie von Munition an Drittstaaten zunächst von einer grundsätzlichen Ablehnung des Exports auszugehen ist. Will die Bundesregierung dann hiervon eine Ausnahme machen, so müsste sie dies explizit und detailliert begründen und auf Verlangen der Opposition auch bei einer Debatte im Bundestag Rede und Antwort stehen. Dabei müsste die Bundesregierung nicht nur darlegen, warum sie die Risiken von Menschenrechtsverletzungen oder negativer Folgen für Frieden und Sicherheit als gering einschätzt. Vielmehr müsste sie auch positive Gründe für den Export jenseits von wirtschaftlichen Vorteilen benennen. (3)

Anmerkungen
1 Für eine detailliertere Analyse dieser Entwicklung siehe Max M. Mutscher & Marius Bales (2017), Begründungspflicht statt laissez faire. Empfehlungen an die neue Bundesregierung für eine Reform der deutschen Rüstungsexportpolitik, Bonn: Bonn International Center for Conversion (BICC-Policy Brief 7\2017). Zugänglich unter: https://www.bicc.de/uploads/tx_bicctools/BICC_PB_7_2017.pdf.
2 Eigene Berechnung auf Grundlage der Zahlen aus den Rüstungsexportberichten der Bundesregierung. Zuletzt: Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, Bericht der Bundesregierung über ihre Exportpolitik für konventionelle Rüstungsgüter im Jahre 2017 (Rüstungsexportbericht 2017), Berlin 2018.
3 Einen ähnlichen Ansatz verfolgt auch die Gemeinsame Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE) mit ihren Vorschlägen für ein neues Rüstungsexportkontrollgesetz. Siehe hierzu: GKKE-Rüstungsexportbericht 2016, Bonn/Berlin 2017, S. 94-108; GKKE-Rüstungsexportbericht 2017, Bonn/Berlin 2018, S. 74-77.

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Dr. Max Mutschler ist wissenschaftlicher Mitarbeiter am internationalen Konversionszentrum Bonn (Bonn International Center for Conversion). Er arbeitet dort u.a. zur deutschen Rüstungsexportpolitik. Max Mutschler ist Vorsitzender der Fachgruppe Rüstungsexporte der Gemeinsamen Konferenz Kirche und Entwicklung (GKKE), die jährlich einen Rüstungsexportbericht vorlegt.