Eine Woche vor Ostern rufen wir mit unserem Aufruf "Kriege stoppen - Frieden und Abrüstung jetzt! " in mehreren Zeitungen zur Teilnahme an den Ostermärschen 2025 auf. Hilf auch du mit bei der Mobiliserung!
BRD wieder im Kreis der Militärgroßmächte
vonDie Rückkehr der letzten deutschen Soldaten aus Somalia gibt Anlass, noch einmal zusammenfassend Bilanz zu ziehen: was waren Sinn und Ziel dieses ersten Out-of-area-Einsatzes der Bundeswehr bei einer UN-Militärintervention mit Kampfauftrag?
Der Bundesregierung ging es von Anfang an darum, mit dem Somalia-Einsatz der Bundeswehr die salami-taktisch vollzogene Änderung des Bundeswehrauftrags weiter zu zementieren. Nicht zufällig hat die Bundesregierung einen Tag nach dem Beschluß des Somalia-Einsatzes die offizielle Bewerbung für einen Platz im Weltsicherheitsrat abgegeben.
Ehe eine demokratisch-offene Diskussion in der Gesellschaft stattgefunden hat, werden Fakten geschaffen, an denen auch künftige Regierungen nicht mehr vorbei können. Der Erlass der Verteidigungspolitischen Richtlinien Ende November 1992 und der Somalia-Einsatz sind zwei Seiten derselben dunklen Medaille. Ohne daß eine parlamentarische Mehrheit für eine entsprechende Grundgesetzänderung da wäre und im Wissen um die eigene Minderheitenposition in der Bevölkerungsmeinung wird die neue Militärmachtrolle festgeklopft.
Soldaten sind keine Schauerleute
Das Verteidigungsministerium hat sich von vornherein nicht an den Wünschen der UN orientiert, sondern mehr auf die Innenpolitik geschielt als auf Somalia geschaut. Die Streitigkeiten zwischen UN, Auswärtigem Amt und Verteidigungsministerium Anfang 1993 machten dies deutlich. Das AA notierte: "Dem Verteidigungsminister geht es entweder um eine möglichst umfangreiche, öffentlichkeitswirksame Beteiligung oder eine völlige Abstinenz." Und als die UN die Bundeswehr für Ladetätigkeiten im Hafen von Mogadischu haben wollte, konterte Rühe "Wir wollen ja keine Schauerleute dahin schicken."
Es ging darum, die gültige Verfassung, die von allen Regierungen bis zum Golfkrieg so ausgelegt wurde, daß out-of-area-Einsätze der Bundeswehr nicht abgedeckt sind, Stück um Stück auszuhebeln. Wenn das Verfassungsgericht in Kürze diesem Trend nachgibt, wie zu befürchten ist, ist der endgültige Umfall der SPD in dieser Frage schon prognostizierbar.
UNOSOM gescheitert
Die UNOSOM-Mission und mit ihr der Bundeswehreinsatz sind in Bezug auf ihren Anspruch gescheitert. Ohne politisches Konzept gingen die UN- und US-Truppen (die stets unter US-Befehlsgewalt standen) in militärischer Interventionsmanier vor. Dazu trug bei, daß der Somalia-Einsatz mit einem Kampfauftrag nach Kap. VII. der UN-Charta ausgestattet war, ein klassischer Blauhelmeinsatz wurde erst gar nicht versucht. Immer wieder kam es zu Massakern von UN- und US-Truppen an Somaliern, vor allem Zivilisten, Frauen und Kinder waren die Opfer dieser Militärattacken und Vergeltungsaktionen. Die UN-Rechtsabteilung sprach davon, daß Angriffe ohne Vorwarnung auf Gebäude mit Zivilisten "schlicht Mord" zu nennen sind. Die Zahl der somalischen Opfer des UN-Militär-Einsatzes schwankt zwischen Angaben von über 1.000 bis hin zu 10.000 - die UN haben die somalischen Opfer nicht gezählt. Über 100 Blauhelm-Soldaten kamen um ihr Leben.
Die Kosten des Militäreinsatzes von UNOSOM mit ca. 1,5 Mrd. US-Dollar übersteigen die Kosten der humanitären Hilfe schätzungsweise um das 10fache.
Andere Hilfskonzepte für Somalia wären möglich gewesen. Die entsprechend scharfe Kritik am Militäreinsatz seitens der Hilfs- und Entwicklungsorganisationen hat dazu das Nötige ausgeführt.
Klassische Blauhelmidee wird
torpediert
Die westlichen Militärmächte versuchen gegenwärtig, bisher gültige und etablierte Trennlinien zwischen dem klassischen Blauhelmeinsatz (Waffeneinsatz nur zur persönlichen Selbstverteidigung, leichte Bewaffnung, Zustimmung der Konfliktparteien zum Einsatz) bewusst zu verwischen. Künftige Militäreinsätze sollen offensichtlich immer öfter unter UN-Legitimation durchgeführt werden. Die Art der Durchführung der Aufträge allerdings wollen die Militärmächte selbst definieren. Der jüngste NATO-Gipfel Anfang Januar 1994, auf dem die NATO ihre Zuständigkeit für weltweite Einsätze beschlossen hat, spricht nur noch von "peace support" als Einsatzform, die die bisher getrennt gehandelten "friedenserhaltenden" und "friedensschaffenden" Maßnahmen (wie Golfkrieg) in einen Topf wirft. Das neue Weißbuch von Minister Rühe macht begrifflich das gleiche, indem es nur von "Friedensmissionen" spricht.
"Out of area" muß '94 unser Thema bleiben!
Es steht zu erwarten, daß das Bundesverfassungsgericht der bis zum Golfkrieg restriktiven Interpretation des Bundeswehrauftrags widerspricht und alle Einsätze der Bundeswehr unter Verweis auf den Anschluss an ein kollektives Sicherheitssystem für zulässig erklärt. Das würde der Regierung die öffentliche Debatte ersparen, der Widerstand in der Bundeswehr wäre gebrochen, die SPD würde die verbliebenen Kritiker weltweiter Bundeswehreinsätze unter Verweis auf das Verfassungsgericht zum Schweigen bringen.
Die Friedensbewegung muß deshalb das Thema der out-of-area-Einsätze verstärkt in die sicherheitspolitische öffentliche Diskussion bringen. Bei den Ostermärschen stand die out-of-area-Politik der Regierung im Mittelpunkt der meisten Kundgebungen. Weitere Aktionen und eine verstärkte gesellschaftliche Auseinandersetzung sind dringend vonnöten!
Zivile Wege der Konfliktbewältigung und Krisenintervention sind herauszuarbeiten, in ihre Erforschung und Umsetzung ist zu investieren, eine solche Politik ist zukunftsträchtig und lebensfördernd. So könnte Deutschland weltpolitische Verantwortung wahrnehmen!