Brief an den Koordinierungsausschuß der Friedensbewegung

von Heinrich Albertz

Wo stehen wir heute in der Friedensbewegung und was haben wir zu tun in diesen Zeiten nach Hanau und nach Kiel? Vielleicht wundern sich die Leser dieses Rundbriefes, daß ich diese beiden Namen nenne, nicht die Null-Lösung, nicht den grotesken Besuch des Herrn Strauß in Moskau, sondern diese Namen. Ich meine, daß die breite Front der Gruppen in unserer Bewegung den Zusammenhang nicht aus den Augen verlieren darf. Herr Barschel, die Partei, zu der er gehörte, die Leute, die ihn gestützt haben und die heute noch nicht glauben wollen, daß er ein Schurke war. Die gleichen Leute, die uns all die Jahre gegenüberstanden als die Besserwisser und die Saubermänner und die Experten und die Realpolitiker. Der tiefe Einbruch in den letzten Rest von Glaubwürdigkeit auf dieser Seite des politischen Spektrums unserer Republik soll uns nicht schadenfroh machen. Aber er soll uns bei den kommenden Aktionen noch gewisser sein lassen, daß die Wahrheit meistens nicht dort liegt, wo die Mächtigen wohnen, und daß die Lüge ein Mittel ist, um uns alle still zu halten.

Dieses gilt nun in besonderer Weise für die Erkenntnisse, die jedermann, der lesen und schreiben kann, frei ins Haus geliefert bekam, nun endlich vom Tatort. Diese Erkenntnisse sind auch nicht neu. Robert Jungk hat dieses alles vor Jahr und Tag beschrieben. Viele andere haben es uns gesagt: es gibt keine Möglichkeit, die sog. friedliche Atomwirtschaft von der Bombe zu trennen. Der Teufelskreis ist offenbar. Jede Kontrolle versagt. Und würde die Kontrolle so ausgeführt werden, daß Unheil verhindert wird, hätten wir den Atomstaat. Neu erkannt ist auch worden, wer in diesem Land regiert, und wie tief die Verfilzungen zwischen Staat und besonders diesem Teil der Wirtschaft den Sumpf hat wachsen lassen, aus dem das Gift von Hanau und anderswoher kam.

Für mich ist es also das Wichtigste, daß bei den kommenden Planungen endlich diese Zusammenhänge gesehen werden und wir nicht mehr Grenzen und Gräben zwischen den verschiedenen Teilen der sozialen Bewegungen aushalten können. Alles und alle gehören zusammen.

Diese Weisheit verkündet zwar auch Herr Kohl, aber sie ist trotzdem richtig. Die Menschen, die sich in den verschiedenen Gruppen für den Frieden, für alternative Energieversorgung und für den Erhalt der Schöpfung einsetzen, sind ja weitgehend ohnehin die gleichen. So sollte also ein gemeinsamer Feldzug gegen das Gespinst von Lügen, die über das Volk geworfen sind, möglich sein.

Ich weiß nicht, ob solche Gedanken in einen solchen Rundbrief und in die Planungen passen, die in Bonn und anderswo ausgedacht werden. Aber ich bitte zu bedenken, daß wir in den nächsten Monaten das Übel an der Wurzel fassen müssen, einer Wurzel, aus der alles wächst:

Verdummung, die nötigen Feindbilder, die Bestechlichkeit und eben auch die Waffen, die uns umbringen sollen.

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