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Bundestag erteilt Zivilisten Lizenz zum Töten
vonKrieg als einträgliches Geschäftsfeld und der Einsatz von Söldnern sind keine neuen Phänomene. Lediglich das Ausmaß und das Spektrum der Privatisierung des Krieges haben seit Ende des Kalten Krieges enorm zugenommen. Dies ist nicht nur an einem ständig wachsenden Markt für Sicherheit, sondern auch an einem vermehrten Rückgriff auf private Anbieter zur Unterstützung staatlicher Kriegsführung zu beobachten. Das Spektrum an Verdienstmöglichkeiten reicht dabei von der Herstellung von Waffen, der Ausbildung an diesen, Kampfeinsätzen, Training von Soldaten, Polizei und anderen bewaffneten Einheiten und Bereitstellung von Logistik für nationale Armeen bis hin zur Programmierung und Steuerung von Raketensystemen.
Die öffentliche Wahrnehmung privater Militärfirmen (PMF) beschränkt sich meist auf Kampfhandlungen in Kriegs- und Krisengebieten. Dabei sind es die liberalen Demokratien des Westens, in denen die Firmen und die meisten ihrer Auftraggeber beheimatet sind. Auch sind es diese Länder, die dazu in der Lage wären, das Geschäft mit dem Tod zu regulieren, wenn nicht gar zu verbieten. Für einige Regierungen würde dies jedoch einen Eingriff in das freie Unternehmertum bedeuten. Eine staatliche Subventionierung, bspw. durch die kostenlose Ausbildung von Personal oder durch die Vergabe staatlicher Aufträge, erscheint hingegen als legitimer Eingriff in den freien Markt. Dass der Markt letztendlich nicht so frei ist, wie das Märchen der freien Hand des Marktes dies suggeriert, zeigen – speziell in England und den USA – die personellen Verflechtungen zwischen PMF und staatlichen Stellen. Arbeitsunfälle anstelle von Staatsbegräbnissen, Intransparenz bei der Finanzierung von Militäreinsätzen, eine immer stärkere Verzahnung zwischen Privatwirtschaft und staatlichem Militär sowie ein ständig zunehmendes militärisches Engagement des Westens, das ohne private Hilfe nicht mehr möglich wäre, lassen eine restriktive Handhabung oder gar ein Verbot des Kriegsgeschäfts unwahrscheinlich erscheinen.
Bewaffnete Dienstleistungen
Gerade die Vorfälle um die Firma Blackwater (heute Xe) im Irak trugen zu einer öffentlichen Wahrnehmung der Probleme bei, die mit privaten Kriegsdienstanbietern einhergehen. Es handelt sich längst nicht mehr nur um britische, amerikanische und südafrikanische Staatsbürger, die ihr Geld durch bewaffnete Dienstleistungen verdienen. Auch deutsche Söldner arbeiten als Handlanger des Krieges. So stellt Franz Hutsch in seinem Buch „Exportschlager Tod“ eindrücklich die Arbeit deutscher Söldner im Irak und in Afghanistan dar. Einer von ihnen soll 2001 in der nördlichen Türkei die Privatarmee des Usbeken Abdul Rashid Dostum für ihren Kampf in Afghanistan ausgebildet haben. Später sei er an der Erschießung gefangener Taliban beteiligt gewesen.
Neben einem enorm hohen Verdienst treten viele den Dienst als Söldner an, weil sie auf dem zivilen Arbeitsmarkt keinen Platz finden. Die in der Bundeswehrzeitschrift „Y.“ von der International Security School geschalteten Anzeigen weisen darauf hin, dass die Kosten für eine Ausbildung durch israelische Spezialisten im Anti-Terror-Training oder im Kampf gegen Piraten vom Berufsförderungsdienst der Bundeswehr übernommen würden. Einige der Kurse finden in Israel statt, das Verbindungsbüro und Trainingscenter in Deutschland befindet sich, ca. eine halbe Stunde vom Standort der GSG 9 entfernt, in Overath bei Köln.
Gegenseitige Abhängigkeit und Krieg als eindringliches Geschäft
Da Staaten und suprastaatliche Institutionen private Militärfirmen (PMF) nicht primär für bewaffnete Kampfeinsätze engagieren, sondern in der Wartung ihrer Technik, der Ausbildung ihres Personals und der Bereitstellung von Logistik, Transport und Aufklärung auf sie angewiesen sind, ist ein beiderseitiges Abhängigkeitsverhältnis entstanden. Unter der Prämisse, dass westliche Staaten internationale Politik zunehmend als Militärpolitik betrachten, ist der Bedarf an Sicherheit – wie die Zunahme an „Friedensmissionen“ zeigt – seit 1989 sukzessive gestiegen. Staatliche Kapazitäten nahmen mit Ende des Kalten- Krieges und Dank der neoliberalen Vorstellung eines schlanken Staates jedoch rapide ab. Wie Walter Feichtinger schreibt, erscheinen weder ein reduziertes Engagement des Westens noch der Ausbau staatlicher Kapazitäten wahrscheinlich. „Somit könnten PMF den Ausweg bieten, den nur wenige wollen, zu dem es aber keine echte Alternative gibt.“
Private Hilfe für die Bundeswehr
1994 ordnete der damalige Verteidigungsminister Rühe die Privatisierung militärischer Dienstleistungen an. Vorreiter der Privatisierung waren der Fuhrpark, die Kleidungsversorgung und die Informationstechnologie. Bereits 1999 versprach sich Verteidigungsminister Scharping durch das Rahmenabkommen „Innovation, Investition und Effizienz in der Bundeswehr“ Einsparungen im Verteidigungshaushalt in Milliardenhöhe. Die Ausgliederung sollte sich auf ‚Nicht-Kernfähigkeiten’ beschränken.
Eine Schlüsselrolle bei der Privatisierung des Militärischen nimmt das Gefechtsübungszentrum (GÜZ) in der Colbitz Letzlinger Heide ein. Dieses gilt für SoldatInnen der Bundeswehr als letzte Trainingsstation vor einem Auslandseinsatz, spielt aber auch für die Kriege der NATO und der EU eine gewichtige Rolle. Die hochtechnisierten Gefechtssimulationsinstrumente sowie Betrieb und Management des GÜZ liegen komplett in privater Hand. Es wurde zwischen 2001 und 2003 von einem Konsortium namens GÜZ System Management Gesellschaft GmbH und 2004-2008 – mit einem Auftragsvolumen von 64,2 Mio. Euro – von Serco GmbH (SAAB u.a.) betrieben. 2008 gewann Rheinmetall Defence den vom Bundesamt für Wehrtechnik und Beschaffung ausgeschriebenen Auftrag zur Anbindung des südlichen Truppenübungsplatzes an die GÜZ-Systemtechnik – Auftragsvolumen 25 Mio. Euro. Auch wenn die Bundesregierung 2006 auf eine kleine Anfrage zur Antwort gab, dass Privatunternehmen für die Bundeswehr weder im Innland noch im Ausland Dienstleistungen in den Bereichen erbrächten, in denen der Bundeswehr eigenes Tätigwerden rechtlich vorgeschrieben sei, fällt der Tod zweier DHL-Mitarbeiter – einem südafrikanischen und einem britischen Staatsbürger, die bewaffnete Dienstleistungen übernahmen – in eine Grauzone.
Expliziter ist die Darstellung Ulrich Petersohns für Stiftung Wissenschaft und Politik, der feststellt, dass in der Tat Aufgaben, die die Bundeswehr zu ihren Kernfähigkeiten zählt, von privaten Anbietern übernommen werden: in den Bereichen Aufklärung, Bewachung und strategischer Transport. Für Satellitenaufklärung griff die Bundeswehr auf die US-Anbieter Space-Imaging und Quickbird zurück. Für die Bewachung von Bundeswehrstützpunkten in Feyzabad, Mazar-e Sharif, Kunduz und Taloqa werden, wie im Bundestag festgestellt, zivile Einzelpersonen angestellt – jedoch werden diese vom ehemaligen General der Nordallianz Nasir Mohammed ausgesucht. Bei der Verlegung und Versorgung ihrer ISAF-Truppen in Afghanistan griff die Bundeswehr auf die Firma Antonov-Airlines zurück. Um diese Lücke in der strategischen Verlegefähigkeit zu schließen, haben EU-Mitgliedstaaten insgesamt 170 Militärtransporter Airbus (A) 400 M bestellt. Da dessen maximale Nutzlast aber nur bei 32 t liegt (Leopard 1: 42,5 t, Leopard 2: 62 t), wird die Bundeswehr weiterhin auf private Anbieter angewiesen sein.
Auslandseinsätze der Bundeswehr und die maritime Wirtschaft
Laut dem Jahresbericht 2008 des Flottenkommandos der Deutschen Marine zählt die maritime Wirtschaft „mit mehr als 380.000 Beschäftigten und einem Umsatz von rund 48 Milliarden Euro zu den wirtschaftlich wichtigsten und fortschrittlichsten Wirtschaftszweigen in Deutschland. [Sie] ist von herausragender Bedeutung für die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands als Technologie-, Produktions- und Logistikstandort. Sie ist ein wichtiger Eckpfeiler für Deutschlands führende Position im Export“. Gestützt und verteidigt wird dieser Eckpfeiler durch den deutschen Beitrag von 1.400 Soldaten an EU NAVFOR Atalanta am Horn von Afrika. Der Auftrag ist die Sicherung der Handelsschifffahrt in einem 500 Meilenabschnitt vor der Küste Somalias und dessen Nachbarstaaten. Die maritime Wirtschaft ist aber auch ein wichtiger Eckpfeiler für Deutschlands Militäreinsätze. So griff die Bundeswehr zur Verlegung von Leopard-Panzern ins Kosovo auf eine private Reederei zurück. Zur Instandhaltung ihrer schiffstechnischen Anlagen ist die deutsche Marine auf private Werften angewiesen. Zusätzlich zu dieser Verzahnung von Dienstleistungen zwischen Militär und den Großen der maritimen Wirtschaft kommen „kleinere“ PMF. Die westlichen PMF bieten ihre Dienstleistungen den Handelsschiffen an. Somalische Warlords, chinesische Triaden und islamistische Gruppen unterstützen die Piraten mit Navigationsgeräten, Logistik, Geheimdienstinformationen und Hilfe bei der Lösegeldabwicklung. Aber nicht nur die Angriffe auf einen Eckpfeiler der deutschen Wirtschaft und einen Partner der Bundeswehr, auch das Kapern eines ukrainischen Frachters mit 33 russischen T-72 Kampfpanzern im September 2008 und die Unterstützung der Piraten durch nicht-westliche PMF tragen dazu bei, dass der Ruf nach mandatierter und lizenzierter Gewalt seine Anhänger findet. So zuletzt auch im Bundestag.
PMF im deutschen Bundestag
Wie tagesschau-online Ende letzten Jahres berichtete, versuchten VertreterInnen der Regierungsfraktionen kurz vor Mitternacht einen Antrag im Bundestag durchzubringen, der die Lizenzierung von PMF vorsah. Da die deutsche Bundesregierung nur schwer etwas verbieten kann, was sie selbst in Anspruch nimmt und was auch auf europäischer Ebene schon längst Realität ist, wurde ein Antrag der Linksfraktion vom 16.12. 2008 für ein Verbot von PMF von allen anderen Fraktionen abgelehnt. Das Vorhaben, die „neuen Söldner“ mit Soldaten der Bundeswehr und Angehörigen der Polizei bei Auslandseinsätzen gleichzustellen, wurde zwar aufgegeben – alle anderen Punkte jedoch wurden verabschiedet. Durch die Vergabe einer Lizenz zum Krieg wurde das Töten durch Private legalisiert – eingeschränkt werden soll dieses durch eine freiwillige Selbstregulierung der PMF .