21. September: Gute Akustik am Rocalliplatz in Köln

Bundeswehr sauer

von Mani Stenner

Der (alte) Bundestag hat in einer Sondersitzung das Afghanistan-Mandat der Bundeswehr für den NATO-geführten ISAF-Einsatz verlängert und erweitert. Die "Kooperation für den Frieden" hatte dagegen in einem offenen Briefs an die MdBs protestiert. Der Bundeswehr-Einsatz am Kölner Dom hat sich schon mal als Desaster für die Truppe erwiesen. Die Propaganda-Show an der Heimatfront mit Soldatengottesdienst, Rekrutengelöbnis und Großem Zapfenstreich ging nicht ohne antimilitaristische Kommentare über die Bühne. Gelöbnis und Zapfenstreich wurden durch Trillerpfeifen und bis in die Mitte des Platzes gut hörbare Gesänge der GegendemonstrantInnen ("rabimmelrabammelrabumm") ins Lächerliche gezerrt.

Zusätzliche heimlich vorbereitete Aktionen offenbarten Sicherheitslücken im von Bundeswehr, Polizei und Stadt bereits seit letztem Jahr vorbereiteten Spektakel. "Der erste Protest, der auch auf dem Roncalliplatz deutlich zu sehen ist, kommt von der Gästetribüne: Die drei Ratsmitglieder der Linkspartei entrollen eine Pace-Fahne. Nach wenigen Sekunden sind die Feldjäger da", schreibt die taz. Aber es kommt noch dicker. Die Eidesformel der Rekruten wird von einer Tröte auf dem Dom unterbrochen. Zwei Aktivisten aus Westfalen zeigen in lichter Höhe ein Transparent mit einer provokativen alternativen Eidesformel: "Wir geloben zu morden, zu rauben, zu vergewaltigen". Die Bundeswehr-Oberen schäumen. Die beiden riskieren Strafverfahren wegen Beleidigung sowie wegen Hausfriedensbruchs, das das mit der Bundeswehr eng verbandelte Domkapitel bereits angestrengt hat. Auf den Prozess darf man gespannt sein. Vielleicht ist die Formel ja durch die Meinungsfreiheit gedeckt. Übliche Besuche bei Zwangsprostituierten durch Blauhelmsoldaten sind kein Geheimnis und erfüllen den Tatbestand der Vergewaltigung. Das Kommando Spezialkräfte KSK ist an der Seite von US-Spezialkräften in gezielte Liquidierungen in Afghanistan vestrickt. Und auch zu den Bombenflügen der auf dem Roncalliplatz versammelten Luftwaffe gegen Belgrad 1999 sollte eine Tucholsky-Ansicht als freie Meinungsäußerung gelten können. Die gab es auch noch am Abend während des Zapfenstreiches: Aus einem der Fenster des Domhotels wurde plötzlich das entsprechende Transparent gehängt: "Soldaten sind Mörder". Die autonome Szene in Köln hatte für die Luxus-Übernachtung gesammelt.

Der Tag bestätigte die Prognosen des "Kölner Bündnis gegen Militärspektakel". Das Rheinland und besonders der Platz am Kölner Dom sind für die Eroberung des öffentlichen Raumes durch die Bundeswehr der falsche Platz. Schon die völlig legalen Proteste auf der Domplatte verhinderten den im Sinne der Bundeswehr ehrfürchtigen Ablauf der martialischen Zeremonien. Die Kölner Polizei nahm den Ablauf sportlich und hatte das den Militärs auch im Vorfeld schon zu verdeutlichen versucht. Zu einem ungestörten Ablauf muss die Truppe in die Kaserne gehen. Ansonsten hört sie den "Sound der Demokratie" (so ein Kölner Polizist), der nach Versammlungsgesetz hierzulande (noch) ertönen kann.

Die Bundeswehr nahm das nicht so sportlich, ihr Pressesprecher beklagte sich in den Nachrichten des WDR-Fernsehens über die unwürdigen Aktionen gegen Soldaten, die ihr Leben für unser Land riskieren. Markus Gross, Sprecher des antimilitaristischen Bündnisses, durfte in der Sendung antworten: Wenn die Bundeswehr den öffentlichen Raum sucht, so muss sie auch die Proteste erleiden.

Apropos Presseresonanz: Das intern nicht besonders gut aufgestellte Kölner Bündnis kann zufrieden sein, vielleicht sogar auch der Gegenpart Bundeswehr, dessen mannigfaltige Feiern zu "50 Jahre Bundeswehr" ohne größere Protestaktionen in den bundesweiten Medien kaum beachtet wurden. Bundesweit werden seit Juli bis noch zum Stichtag 12. November, an dem im Jahr 1955 die ersten Rekruten in die Bonner Ermekeilkaserne marschierten, mehr als 50 Jubelfeiern abgehalten. Durch die Klagen von Christen und antimilitaristischem Bündnis, die ganztägigen Protestaktionen von 6 Uhr morgens bis nach 21 Uhr ist das Thema 50 Jahre Bundeswehr ins Gerede gekommen, bis hinein in die "Tagesthemen". Da decken sich ja die Ansichten von (Ex-)Verteidigungsminister Struck mit denen der Friedensbewegung. Er forderte wie wir immer wieder, dass die Gesellschaft über die Veränderung des Auftrags der Truppe, über "Verteidigung am Hindukusch" und wahrscheinliche tote deutsche Soldaten eine innenpolitische Auseinandersetzung führen müsse. Mit Beiträgen von Claudia Haydt (Informationsstelle Militarisierung IMI) auf der Kundgebung am Alter Markt und Ansprachen auf der Domplatte (Warum sind wir dagegen?) haben wir unseren Teil versucht und beim durchaus gespaltenen Publikum heftige Diskussionen ausgelöst. Auch das der "Sound der Demokratie".

Fortsetzung ist übrigens bei den zentralen Feierlichkeiten am 26. Oktober in Berlin vor dem Reichstag.

Im Büro Netzwerk Friedenskooperative ist eine Pressedokumentation der Kölner Ereignisse abrufbar.

ISAF-Einsatz
In einem Offenen Brief appellierten die in der "Kooperation für den Frieden" zusammengeschlossenen Organisationen an die Mitglieder des (alten) Bundestages, der vom Bundeskabinett beschlossenen Verlängerung und Erweiterung des Afghanistan-Mandates der Bundeswehr (ISAF) nicht zuzustimmen. Die Friedensgruppen warnetn vor der zunehmenden Vermischung des von der UNO mandatierten ISAF-Auftrages mit dem US-geführten "Anti-Terror"-Krieg (Enduring Freedom). Die NATO plant die engere Verzahnung der bisher getrennten Einsätze z.B. durch einen gemeinsamen (us-amerikanischen) Oberkommandierenden. Dem ISAF-Einsatz bescheinigt die Kooperation für den Frieden weitgehende Erfolglosigkeit bei der Herstellung von Sicherheit für die afghanische Bevölkerung und der Eindämmung des Attentats-Terrorismus. Die Warlords, Korruption und organisierte (Drogen-)Kriminalität bestimmten den afghanischen Alltag unter dem Schutz von ISAF. Demokratisierung und ein selbstbestimmter Prozess des Wiederaufbaus werde durch die Einflussnahme von außen - insbesondere die militärische - eher behindert.

Genützt hat ein solcher Appell bekanntlich nix. Interessant sind die Reaktionen. Es gab von der SPD eine Antwort für die Fraktion sowie eine persönliche von Uli Kelber (Bonn), in denen jeweils begründet wird, warum man dafür stimme. Eher unverschämt eine weitere Reaktion des SPD-MdBs und Gewerkschaftssekretärs Jörg Tauss: "herzliche Gruesse in Ihr heimeliges Bonner Wolkenkuckucksheim ... Mit der herzlichen Bitte, mich künftig von derartigem Unfug zu verschonen, verbleibe ich mit freundlichen Gruessen". Ob er auf Briefe der Rüstungslobby in ähnlichem Tonfall antwortet? Auseinander setzen will sich die Kooperation dagegen mit der ausführlichen Antwort des grünen MdB Winni Nachtwei. Offenbar müssen die Plädoyers für den Vorrang Ziviler Konfliktbearbeitung von Seiten der Friedensbewegung ebenfalls wesentlich ausführlicher argumentativ unterfüttert werden als in einem DIN A4-Statement möglich.

Ausgabe

Rubrik

Im Blickpunkt