Bundeswehr wegtreten

Bundeswehr wegtreten: Seid Sand im Getriebe der Propagandaabteilung

von Dirk Vogelskamp
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( c ) Netzwerk Friedenskooperative

Am 14. August 2007 demonstrierten die Kölner Initiative "Bundeswehr wegtreten" gemeinsam mit einigen Friedensaktivisten aus Düren gegen eine Rekrutierungsveranstaltung der Bundeswehr auf dem zentralen Rathausplatz der Stadt.

"Und sag`, wo die Soldaten sind ..." mit dieser ins Deutsche übertragenen Liedzeile aus dem Protestsong "Where have all the flowers gone" aus den 1960er Jahren, den der US-amerikanische Songwriter und Friedensaktivist Pete Seeger populär machte, könnte heute die Situation der Bundeswehr knapp umschrieben werden: Denn laut des Nachrichtenmagazins "Der SPIEGEL" (Nr. 32 vom 6.8.2007) mangelt es derselben an technischen Fachkräften, Piloten und an Nachwuchs bei den Elitesoldaten des Kommandos Spezialkräfte (KSK). Bei der Bundeswehr heißt es dazu: Die Transformation der Bundeswehr zu einer "Armee im Einsatz" ginge mit gesteigerten Anforderungen an die Soldaten einher. Bei der Anwerbung qualifizierten Personals, sprich Zeitsoldaten, stehe die BW zunehmend mit anderen Wirtschaftsunternehmen im Wettbewerb. Die demographische Entwicklung werde diese Konkurrenzsituation in den nächsten Jahren noch verschärfen.

Deshalb ist die Bundeswehr mit mehr als 600 Rekrutierungs- und Werbefeldzügen jährlich im ganzen Land unterwegs, um vor Jobcentern, Schulen, Freizeiteinrichtungen und Rathäusern, junge Menschen für die Bundeswehr mit sportiven, musikalischen und militärtechnischen Attraktionen zu begeistern und - zu rekrutieren. Auf der Internetseite der Bundeswehr heißt es in orwellsch`m Newspeak, um Jugendliche von ihren "Karrierechancen" bei Marine, Heer und Luftwaffe "zu überzeugen". Dabei wird im Rahmen der staatlichen Werbetouren das sorgenvoll zukunftsgerichtete Interesse der Jugendlichen an gesicherten und interessanten Ausbildungs- und Arbeitsplätzen strategisch ausgebeutet - besonders in Regionen mit hoher Arbeitslosigkeit. Inzwischen bietet die Propagandaabteilung der Bundeswehr überforderten Lehrern und Lehrerinnen an, ganze Unterrichtsstunden mit dem eigenen Material zu gestalten.

So war auch in Düren das rollende "Informationszentrum" der Bundeswehr am 13. und 14. August auf dem zentralen Rathausplatz präsent, an dem die Pendlerbuslinien für die umliegenden Kommunen und Dörfer ihren Halteplatz haben. Der Propagandaaufmarsch wurde mit phantasievollen Aktionen gestört: mit einem demonstrativen Leichenzug durch die Innenstadt, Straßentheater, Sambamusik, Gedichten, Reden. Für die Schülerinnen und Schüler hatte die Initiative Bundeswehr wegtreten (http://www.bundeswehr-wegtreten.org) gesonderte Flugblätter vorbereitet, die verteilt wurden. Für ein paar Stunden erlahmte das schon zuvor zurückhaltende Interesse an der Werbeshow der Bundeswehr gänzlich, denn der phantasievolle Auftritt der Demonstranten war weit attraktiver als die biederen Werbefuzzis in Ausgehuniform. Man kam mit vielen Menschen ins Gespräch, die ansonsten nicht in unsere Veranstaltungen kommen und unsere Informationen lesen.

Was heißt schon "Armee im Einsatz"?

Werbetechnisch hoch aufgerüstet, kämpft die Bundeswehr an der Heimatfront verzweifelt mit sinkenden Akzeptanzraten in der Bevölkerung, seit der Wandel von der Landesverteidigung zur "Armee im Einsatz" vollzogen ist und "Deutschland am Hindukusch" nicht nur verteidigt, sondern dort, in Afghanistan, auch gestorben wird. Die von dem ehemaligen unsozialdemokratischen "Verteidigungsminister" Peter Struck stammende Redewendung ist zwar inzwischen in den allgemeinen Sprachgebrauch übergegangen, drückt aber eher unreflektiert den Umbau der Bundeswehr zu einer weltweit einsatzfähigen Interventionsarmee aus, sprich, zu einer permanent kriegsführenden Armee. Aber dieser Wandel zur "Armee im Einsatz", wie es im verharmlosenden Militärdeutsch heißt, kann nur gelingen, wenn Jugendliche bereit sind, in dieser mitzumachen und sich am planmäßigen Kriegseinsatz zivil oder militärisch zu beteiligen.

Darum ist es so wichtig, dass "die Friedensbewegung" bei den Werbeveranstaltungen der Bundeswehr präsent ist, ihre Sicht der friedensuntauglichen "Armee im Einsatz" und ihre mörderischen Folgen darlegt. Im Grunde genießt der Beruf des Soldaten oder der Soldatin unter Jugendlichen kein hohes Ansehen, wie eine kürzlich erschienene Jugendstudie der BW feststellt. Die Studie befürchtet, das Interesse der Jugendlichen, einen Job bei der BW zu suchen, sinke mit steigenden Auslandseinsätzen. Sie empfiehlt deshalb, die Nachwuchswerbung zu intensivieren. Insofern ist es erfreulich, dass sich inzwischen an vielen Orten ähnliche Initiativen wie "Bundeswehr wegtreten" gebildet haben, die die Öffentlichkeits- und Werbearbeit der BW stören.

Diese öffentlichen Kampagnen gegen die Werbefeldzüge der Bundeswehr können das herrschende Bild der Armee und die Einstellung zu den "Auslandseinsätzen" in der Bevölkerung vielleicht mehr beeinflussen, als viele wohlmeinende Informationsveranstaltungen und Großdemonstrationen. Denn hier geht es um Zukunft der Kinder und Enkelkinder der Menschen vor Ort. Diese Möglichkeit, wirksam Gegenöffentlichkeit herzustellen, gegen die Militarisierung im Innern und die Gewöhnung daran praktisch zu intervenieren, sollten wir uns, sollte sich "die Friedensbewegung" nicht entgehen lassen und systematischer als bislang angehen. Das wird die smarten Werbetechnokraten in Tarngrün und die alten Kommissköppe gewaltig aufbringen. Und wirksame Gegenaktion können mit wenigen Mitteln dezentral organisiert werden. Bei etwa 600 Auftritten des Rekrutierungsteams der BW, bei den verschiedenen regionalen BW-Veranstaltungen wie "girls-day" oder "Tag der offenen Tür" finden sich immer größere oder kleinere Aktionsmöglichkeiten. Da lacht das anarchistische Herz ... und sieht das "Ende einer Dienstfahrt" (Heinrich Böll) nahen ...

Schon Pete Seeger mahnte die Jugendlichen vor über 40 Jahren: Sag`, wo die Soldaten sind, wo sind sie geblieben? "Sag`, wo die Soldaten sind, was ist gescheh`n? Sag`, wo die Soldaten sind, über Gräbern weht der Wind ..."

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Dirk Vogelskamp ist Referent des Komitee für Grundrechte und Demokratie.