Atomwaffen

BundeswehrsoldatInnen dürfen zum Geheimnisverrat aufgefordert werden

von Hermann Theisen

Mit dem Freispruch des Amtsgerichts Cochem vom 29. Februar d.J. geht ein jahrelanger Rechtsstreit um atomwaffenkritische Flugblätter zu Ende. Hintergrund und Inhalt der Flugblätter ist die geplante Modernisierung der auf dem Fliegerhorst Büchel stationierten Atomwaffen. In den Flugblättern werden die in Büchel stationierten BundeswehrsoldatInnen dazu aufgefordert: „Informieren Sie die Öffentlichkeit umfassend über die militärischen Abläufe und Hintergründe der Atomwaffenstationierung auf dem Fliegerhorst Büchel, der damit in Verbindung stehenden nuklearen Teilhabe und der geplanten Atomwaffenmodernisierung.“

Die Staatsanwaltschaft Koblenz sah darin eine Aufforderung zu Straftaten (§ 111 StGB) in Verbindung mit der Verletzung des Dienstgeheimnisses und einer besonderen Geheimhaltungspflicht § 353b StGB) und leitete mehrere Strafverfahren ein. Zudem ließ sie Flugblätter während zuvor angemeldeter Kundgebungen beschlagnahmen und einmal auch Briefe (mit jenen Flugblättern), die an KommunalpolitikerInnen gerichtet waren. In der Folge kam es sogar dazu, dass die Verbandsgemeinde Ulmen solche Briefe vernichten ließ.

Das Verwaltungsgericht Koblenz erklärte sowohl das Flugblattverteilverbot, als auch die Vernichtung der Briefe (und Flugblätter) als grundgesetzwidrig, was die Staatsanwaltschaft Koblenz aber nicht davon abhielt, immer neue Anklagen zu beantragen, die in der Folge vom Amtsgericht Cochem reihenweise zugelassen worden sind. Im September 2015 und im Februar 2016 verhängte das Amtsgericht Cochem daraufhin hohe Geldstrafen (insgesamt 120 Tagessätze zu je 30 Euro). In den schriftlichen Urteilen heißt es: „Das Handeln des Angeklagten durch Aufforderung zur Preisgabe von Dienstgeheimnissen ist auch nicht mehr durch das grundrechtlich geschützte Recht der Meinungsfreiheit (Art. 5 GG) gerechtfertigt. Sein Handeln stellt eine konkrete Aufforderung zu Straftaten und nicht nur eine politische Äußerung bzw. ein bloßes Befürworten von Straftaten dar.“ Dem zuständigen Oberstaatsanwalt Ralf Tries war diese Strafe indes nicht hoch genug, weshalb er Berufung einlegte und darin forderte: „Um den Angeklagten von der Begehung weiterer einschlägiger Straftaten abzuhalten, ist die Verhängung einer kurzen, tat- und schuldangemessenen Freiheitsstrafe unerlässlich.“

Das Landgericht Koblenz verwarf dann aber im Juli 2016 die Berufung der Staatsanwaltschaft Koblenz und kam im Ergebnis zu einem Freispruch. Im schriftlichen Urteil heißt es: „In diesem Kontext und auch vor dem Hintergrund des politischen Anliegens des Angeklagten, die Stationierung der Atomwaffen als etwas Völkerrechtswidriges und Unmoralisches zu brandmarken, ist es nicht nur möglich, sondern sogar naheliegend, diese unkonkreten Formulierungen nicht im Sinne einer Aufforderung zur unmittelbaren Begehung einer Straftat, sondern lediglich als Aufforderung zu einer Gewissensschärfung und Gewissensentscheidung der angesprochenen Soldaten aufzufassen.“ Oberstaatsanwalt Tries legte sofort nach der Urteilsverkündung Revision ein, die er auch ausführlich begründete, dann aber Wochen später wegen fehlender Erfolgsaussichten wieder zurücknahm, womit der Freispruch des Landgerichts Koblenz rechtskräftig wurde.

Somit steht fest: BundeswehrsoldatInnen dürfen dazu aufgefordert werden, die Öffentlichkeit über die Hintergründe der geplanten Atomwaffenmodernisierung zu informieren! In einer Zeit, in der PolitikerInnen weltweit wieder den Ausbau der Atomwaffenarsenale fordern und deutsche PolitikerInnen gar über eine deutsche Atombombe räsonieren, sind Gewaltfreie Aktionen gegen die atomare Bewaffnung dringender denn je.

Eine Möglichkeit dafür sind weitere Flugblattverteilungen, bei Interesse kann hier eine entsprechende Flugblatt-Vorlage angefordert werden:
Hermann [dot] Theisen [at] t-online [dot] de

Ausgabe

Rubrik

Hintergrund

Themen