Neugründung

Bundesweites Netzwerk Friedensbildung gegründet

von Benno Malte Fuchs
Initiativen
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( c ) Netzwerk Friedenskooperative

Am Samstag, den 14. Januar 2017, wurde in Frankfurt/M das bundesweite Netzwerk Friedensbildung gegründet.

Anwesend waren unter anderen VertreterInnen der landesweiten Friedensbildungsnetzwerke Rheinland-Pfalz, Hessen, Nordrhein-Westfalen, Mitteldeutschland, Baden-Württemberg und Norddeutschland sowie VertreterInnen unterschiedlicher Organisationen und Verbände wie dem Bund für Soziale Verteidigung, der DFG-VK, der Evangelischen Arbeitsgemeinschaft für Kriegsdienstverweigerung und Frieden, Peace Brigades International, Pax Christi, der Aktionsgemeinschaft Dienst für den Frieden, der Gewerkschaft für Erziehung und Wissenschaft, dem Versöhnungsbund, der Arbeitsgemeinschaft Friedens- und Konfliktforschung und der Berghof Foundation.

Zentral auf dem Gründungstreffen war die Vorstellung und Annahme einer Gründungserklärung:

Selbstverständnis und Ziele
Ziel des bundesweiten Netzwerkes Friedensbildung ist die Bündelung und Stärkung von Friedensbildung im schulischen und außerschulischen Bereich einschließlich der Aus-, Fort- und Weiterbildung von PädagogInnen und MultiplikatorInnen. Es geht dem Netzwerk darum, Akteure der Friedensbildung bundesweit miteinander zu vernetzen und sich fachlich und politisch für die Stärkung von Friedensbildung und die Weiterentwicklung der wissenschaftlichen Grundlagen einzusetzen.

Im Netzwerk arbeiten zivilgesellschaftliche Organisationen zusammen, insbesondere die regionalen Netzwerke der Friedensbildung und bundesweite Akteure, die im Bereich der Friedensbildung tätig sind. Das Netzwerk ist ein gemeinsames Projekt aus den verschiedenen Feldern der Bildungsarbeit, der Friedensarbeit, der Menschenrechtsarbeit sowie aus den wissenschaftlichen Feldern, die auf diese Bereiche bezogen sind. Die Zusammenarbeit innerhalb des Netzwerkes berücksichtigt die Handlungsspielräume und Interessen aller Mitglieder, sie geschieht konsensorientiert. Das Netzwerk orientiert sich an den Perspektiven der Dezentralität und Arbeitsteilung und grundsätzlich daran, Synergien zu schaffen.

Ein Grundsatz des bundesweiten Netzwerks Friedensbildung ist es, die vielfältige Beteiligung und Verflechtung westlicher Gesellschaften in der Verbreitung von Krieg und Gewalt mit ihrer Politik, dem Wirtschaftssystem und durch Rüstungsexporte zu erkennen. Frieden wird verstanden als ein zielgerichteter, dynamischer Prozess kontinuierlicher Konfliktbearbeitung mit gewaltfreien Mitteln, zur Etablierung von Gerechtigkeit sowie zur Überwindung von Gewalt und Unfreiheit. In diesem Verständnis ist Frieden mehr als die Abwesenheit von Krieg und mit militärischen Mitteln nicht zu erreichen.

Friedensbildung fördert im Sinne einer Friedenslogik die Entwicklung von Kompetenzen zu einem konstruktiven und zivilen, an der Philosophie der Gewaltfreiheit orientierten Umgang in innergesellschaftlichen und internationalen Konflikten. Konflikte werden hierbei als Chance für eine positive Veränderung wahrgenommen. Friedensbildung regt zur sorgfältigen Analyse von Konfliktursachen sowie zur kritischen Auseinandersetzung mit allen Formen der Gewalt sowie mit militärischen Einsätzen in Konflikten und Krisen an. Sie ist Teil einer umfassenden politischen Bildung und damit eine gesamtgesellschaftliche Aufgabe.

Wie geht Friedensbildung?
Prof. Dr. Norbert Frieters-Reermann hielt beim Gründungstreffen des Netzwerks Friedensbildung einen aufschlussreichen Vortrag über ausgewählte Spannungsfelder der Friedenspädagogik. Besonders interessant war ein Hinweis auf jüngere Lerntheorien, wonach Lernen ein zirkulärer Prozess sei, der selbstorganisiert abläuft und in dem Beziehungsdynamiken sehr relevant sind. Was PädagogInnen leisten können, ist Irritationen anstoßen und Lernkompetenzen entwickeln. Ermöglichungsdidaktische Bildungsprozesse sind demnach ergebnisoffen, was eine Herausforderung für alle darstellt, die ein normatives Weltbild transportieren wollen.

In der Schule wird nach wie vor frontal die traditionelle lineare Didaktik von Wissensvermittlung, normativer Bewertung und Erlernen von Handlungsoptionen angewandt. Doch Abrufen und Prüfen von Wissen reicht für konfliktbezogenes Lernen nicht aus. Kollektive Konfliktdynamiken können aufgrund der Annahme, Lernprozesse würden individualisiert funktionieren, nicht effektiv erlernt werden. Darüber hinaus ist das System Schule gewaltfördernd und trägt zu Selektion, Rassismus und Leistungsdruck bei. Friedensbildung muss sich auch darauf ausrichten, das System und die Institution selbst zu bearbeiten und zu einer konfliktsensiblen Ausrichtung von Bildungseinrichtungen beizutragen.

Frieters-Reermann stellte in seinem Vortrag sieben Spannungsfelder hervor, die Bereiche erweitern, wie Frieden gelernt werden kann. Dazu gehören kognitive und analytische Konzepte ebenso wie Kompetenzen: emotionale und körperbezogene, kommunikative und beziehungsbezogene, soziale und gruppenbezogene, ethische und haltungsbezogene, methodische und anwendungsorientierte, reflektive und personale Kompetenzen.

Das Gründungstreffen
Es blieb am Ende des Treffens die Frage offen, was das Netzwerk wie erreichen möchte, was das Einzigartige ist, das das bundesweite Netzwerk Friedensbildung auszeichnet und wer unsere konkreten Zielgruppen sind. Beispiele für neue Zielgruppen könnten Akteure frühkindlicher Bildung und der Arbeit gegen die Militarisierung der Jugend sein. Zentral für eine professionelle Friedensbildung bleibt, das wir in Handlungsfeldern agieren, wo wir begleiten und auswerten können, was wir auslösen, wenn wir dort Lernprozesse anstoßen. Es bleibt eine wichtige Aufgabe, Felder gemeinsam identifizieren, an die wir selbstbewusst und erfahrungsgesättigt herangehen können.

Es wird eine Herausforderung für das bundesweite Netzwerk Friedensbildung bleiben, sich nicht von politischen oder militärischen Interessen vereinnahmen zu lassen. Arbeit gegen die Militarisierung der Jugend ist auch Friedensbildung.

Koordiniert werden soll das bundesweite Netzwerk von einem Kampagnenrat, der auf der Sitzung gewählt wurde. Vorläufiger Kontakt sind Bernd Rieche <rieche [at] friedensdienst [dot] de> und Martina Schmerr, GEW (martina [dot] schmerr [dot] [at] gew [dot] de).

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