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Chinas Beziehungen zum Sudan: Ein Wandel der Innen- und Außenpolitik
vonNach 1989 hat Chinas Rolle innerhalb des Sudans zunehmend an Bedeutung gewonnen. Beijings Beziehungen zum Sudan sind bisher der wichtigste und kontroverseste Aspekt von Chinas wachsendem Engagement in Afrika. Der folgende Beitrag ist eine gekürzte Fassung eines Beitrags, den der Autor im Jahr 2009 verfasst hat.
(…) Chinas Verbindung zu Khartum wandelte sich nach 1989 von einer auf gegenseitigem Nutzen basierenden und von politischen Unterschieden unbelasteten zu einer politischeren Beziehung. (…) Nach anfänglicher Unsicherheit in Beijing bezüglich des Charakters des Regimes, das im Juni 1989 an die Macht kam, wurden die Beziehungen mittels durch den Iran finanzierten Waffenhandels fortgeführt und entwickelten sich zu einer multidimensionalen Unterstützung der sudanesischen Zentralregierung. (…) Chinas Einzug in den Sudan beruht in vielerlei Hinsicht auf einer Kombination von Faktoren, darunter die unbeabsichtigten Folgen des von den USA angeführten Drucks auf Khartum. Das führte zu einer Öffnung des Sudans gegenüber China als letzte Rückgriffsmöglichkeit für Khartum, mit dem Ergebnis, dass sich Chinas Ölengagement im Sudan nach 1995 entfaltete, und zwar noch vor der Ausweitung des Engagements in anderen Teilen Afrikas. (…)
Das Öl ist weiterhin der Kern der Beziehungen. Seit 1999, als zum ersten Mal Öl aus dem Sudan exportiert wurde – nach einem militarisierten Ölentwicklungsprozess, bei dem chinesische Unternehmen eine wesentliche Rolle spielten – hat das Öl Sudans den Exporthandel mit China beherrscht und tut es nach wie vor. Sudan ist weiterhin der Hauptschauplatz für Chinas Ölinvestitionen auf dem afrikanischen Kontinent, ist aber für China als Öllieferant keineswegs so wichtig wie Angola oder Saudi-Arabien. Im Jahr 2007 war der Sudan Chinas sechstgrößter Öllieferant und deckte 6% von Chinas Rohstoffimport ab. Die China National Petroleum Corporation (CNPC)-International Sudan hält die größten Anteile an den zwei wichtigsten Ölkonsortien im Sudan, der Greater Nile Petroleum Operating Company und Petrodar, deren Hauptförderungsanlagen sich in der vorläufigen Nordsüdgrenzzone und im Südsudan befinden. Alles in allem ist der Sudan weiterhin Chinas drittgrößter Handelspartner in Afrika. Während Öl nach wie vor eine zentrale Rolle spielt, ist das chinesische Geschäftsprofil im Sudan vielfältiger geworden. Chinesische Unternehmen sind in verschiedenen Bereichen aktiv, vor allem in der Infrastruktur.
Darfur und der Wandel der chinesischen Diplomatie
Seit dem Konflikt in Darfur ist Chinas internationale Unterstützung des Sudans weltweit ein Thema geworden und hat es der NCP ((NCP = National Congress Party, unter Vorsitz Präsident Bashirs; d.Red.) ermöglicht, einen diplomatischen Kurs einzuschlagen, der ansonsten unwahrscheinlich gewesen wäre. Beijing hat Khartum diesbezüglich in mehrerlei Weise unterstützt, u. a. beim UN-Sicherheitsrat. Dabei könnte es sich teilweise um eine defensive Haltung der chinesischen Regierung hinsichtlich ihrer wirtschaftlichen Interessen handeln, doch es war auch ein Ausdruck grundsätzlicher politischer Uneinigkeit, was Fragen der angemessenen Interventionssouveränität und der Nichteinmischung anbetrifft. (…)
Chinas Strategie des „Einflusses ohne Einmischung“ beinhaltete persönliches Überreden und enge Konsultationen. Beijings Unterstützung einer UN-Friedensmission in Darfur, die insbesondere den Wünschen von Präsident Bashir zuwiderlief, ist hierfür das sichtbarste Beispiel. Beijing hatte eine solche Mission unter der Voraussetzung, dass Khartum seine Zustimmung gibt, unterstützt. Als diese ausblieb, scheint eine Kombination aus Verhandlungen auf privater Ebene eine wichtige Rolle dabei gespielt zu haben, Präsident Bashirs ablehnende Haltung hinsichtlich einer Mission zu ändern, die in der Folge vonseiten Chinas mit Friedenstruppen unterstützt wurde. Ein weiterer Trend bestand in der erhöhten Bereitschaft chinesischer Vertreter und ehemaliger Parteiführer, in der Öffentlichkeit – wenn auch vorsichtige – Kritik an der NCP zu äußern, bis hin zu spezifischen Empfehlungen, wie der Darfur-Konflikt zu lösen sei. (...)
China und der Internationale Strafgerichtshof
So wie der Sudan – und die USA – gehört China nicht zu den Unterzeichnern des Rom-Statuts, durch das der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) im Juli 1998 begründet wurde. Um Chinas Enthaltung nach der UNSC-Resolution 1593 (31. März 2005) zu erklären, betonte Beijing seine Besorgnis hinsichtlich des Nord-Süd-Friedensprozesses und auch, wie wichtig es sei, auf das sudanesische Rechtssystem zurückzugreifen und die Zustimmung Khartums zu erlangen. In der Folge äußerten Vertreter der chinesischen Regierung starke Bedenken und riefen zu einer Aussetzung des Prozesses des IStGH auf. (…)
Nach der Entscheidung von Den Haag von 2009 (Haftbefehl gegen Bashir, d.Red.) äußerte Beijing „Bedauern“ und „Sorge“. Nach der Ausweisung von 16 NGOs aus Darfur und den ‚Drei Gebieten’ (Abyei, Blauer Nil und Süd-Kordofan) wegen angeblicher Zusammenarbeit mit dem IStGH konnte sich der UN-Sicherheitsrat nicht auf eine Reaktion einigen. Ein von Frankreich an den Sicherheitsrat gerichteter Antrag vom 7. März 2009, in dem die sudanesische Regierung verurteilt und in dem darauf gedrängt wird, die Ausweisung rückgängig zu machen, wurde von China und Libyen, blockiert. Beide hatten sich dafür ausgesprochen, sich auf Paragraph 16 zu berufen, durch den die Anklage für ein Jahr ausgesetzt werden könnte, mit der Möglichkeit eines anschließenden bedingungslosen Aufschubs auf unbestimmte Zeit. Westliche Staaten lehnten es ab, durch die Ausweisungen bedingte humanitäre Fragen mit einem IStGH-Aufschub zu verbinden. (...)
Beijing ist nach wie vor abgeneigt, zu einem so kritischen Zeitpunkt die in die Ecke getriebene NCP zu verstimmen, hat aber weiterhin Gelegenheit, in der Praxis sein Verantwortungsbewusstsein zu demonstrieren, indem es sich um humanitäre Belange im Sudan kümmert und Friedenspolitik betreibt, die der Sicherheit des Comprehensive Peace Agreement (CPA) Vorschub leistet – und dafür Anerkennung einzustecken. Der Erfolg der Friedensinitiativen in Darfur und der fortlaufende CPA-Prozess liegen in Chinas eigenem Interesse. Beijing scheint bisher entschlossen gewesen zu sein, seine Diplomatie des verantwortungsvollen Einflusses fortzuführen, doch es bleibt Raum für eine taktische Abweichung vom Kurs, die darin besteht, sich in eine Linie mit den Schwerpunkten der internationalen Politik zu bringen und sich auf regionale Verbündete zu verlassen. (...)
China und der Südsudan
Historisch gesehen hatte Beijing nur mit Sudans wechselnden parlamentarischen und militärischen Zentralregierungen in Khartum zu tun. Doch eine zunehmende Stärkung der Beziehungen zwischen Juba und Beijing seit 2005 hat im Jahr 2008 zum Aufbau quasi-diplomatischer Beziehungen zwischen der chinesischen Regierung und der Regierung des Südsudan geführt. Man könnte sagen, dass Chinas Beziehungen zum Südsudan unter das Prinzip „ein Sudan, zwei Systeme“ fallen, da somit sowohl die Zentralregierung der Nationalen Einheit als auch die Regierung des Südsudan anerkannt und einbezogen werden.
(…) Das Zusammentreffen eines althergebrachten Pragmatismus, der Notwendigkeit auf beiden Seiten und der Aussicht auf wechselseitigen Nutzen hatte zur Folge, dass sowohl die Regierung Chinas als auch die Regierung des Südsudans sich nach 2005 für Geschäftsbeziehungen öffneten.
Der Aufbau offizieller Verbindungen wurde durch die Einweihung von Chinas neuem Konsulat in Juba durch den stellvertretenden Außenminister Zhai Jun am 1. September 2008 bekräftigt. Dieser Schritt formalisierte die neue diplomatische Achse zwischen Juba und Beijing, was es China ermöglichte, den Südsudan zu den eigenen bilateralen Bedingungen mit einzubeziehen, anstatt die Beziehungen über Khartum laufen zu lassen.
In der Folge vertieften sich Beijings Beziehungen zur Regierung des Südsudan durch Entwicklungshilfe, verstärkte Investitionen und neue chinesische Unternehmen in Juba. (…)
Chinas Verbindungen zu Juba stehen in Kontrast zu der Entwicklung der Beziehungen zum Nordsudan. Beim Aufbau der Beziehungen mit der Regierung des Nordsudan nach 1989 hatten auf Ressourcen bezogene Notwendigkeiten und Investitionsgelegenheiten Priorität. Obwohl dieser Einzug in eine neue Arena durch den Staat unterstützt und mit politischen Mitteln erleichtert wurde, war er von wirtschaftlichen Interessen getrieben. Mit der Einbeziehung des Südsudans hingegen reagierte Beijing auf politische Notwendigkeiten, die mit dem Investitionsschutz zusammenhängen und somit durch etablierte Interessen bedingt sind, und zwar als Teil einer Absicherungsstrategie, die auf die mögliche Abspaltung des Südens ausgerichtet war. Mit seinem Engagement ist es China gelungen, die Beziehungen mit der Regierung des Südsudans und mit der SPLM zu verbessern, in Juba Fuß zu fassen und ein neues Geschäftsfeld zu erschließen. (…)
Fazit
Die Sudanpolitik Chinas hat sich im Laufe des letzten Jahrzehnts geändert, wobei es sich um einen Anpassungsprozess handelt, der den grundlegenden Wechsel von einem durch die politische Komplexität größtenteils unbeeinträchtigten Fall wechselseitigen Nutzens zu einem stärker eingebetteten, strategischen und multidimensionalen Engagement widerspiegelt. Was als eingeschränktes chinesisches Engagement in den frühen 1990er Jahren begann, wurde für die Staatsführung von zentralerer Bedeutung, und zwar aufgrund strategisch wichtiger Ölinvestitionen und politischer Unterstützung, was in der sudanesischen Politik und auch allgemeiner im Netz der Außenbeziehungen seinen Niederschlag findet. (…)
Daniel Large, Africa Asia Centre, Royal African Society at SOAS. Aus dem Englischen von Kathrin Möller. Von der Redaktion gekürzt. Dieser Beitrag erschien in: INAMO (Informationsprojekt Naher und Mittlerer Osten e.V.), Heft Nr. 58/Sommer 2009, 15. Jahrg., S. 36-40.