(ein etwas subjektiver Bericht)

Conversion 90 - Erste Internationale Messe für Rüstungskonversion in München, 20. - 25. 4. 90

von Thomas Rödl

Die richtige Messe am richtigen Ort - im Rüstungszentrum Nummer eins in der BRD! Für die MitarbeiterInnen im Arbeitsausschuß Rüstungskonversion der Münchener Friedensbewegung war gleich nach Ankündigung der Messe klar, daß wir diese als Anlaß nutzen sollten: Um unsere Forderungen, z.B. nach Schaffung eines Beirates für Rüstungskonversion, in die Öffentlichkeit zu tragen. Der Versuch, die Genehmigung für einen Büchertisch mit Kleinausstellung in der Messehalle genehmigt zu bekommen, scheiterte - trotz vieler Briefwechsel und Intervention des Bürgermeisters Hahnzog. Die Messe sei rein wirtschaftlicher Natur, kein Ansatz für einen Beitrag der Friedensbewegung erkennbar, so der münchener Messe-Boß Marzin. 
Soviel zur Vorgeschichte.
Im Gegensatz dazu hat die Messe dann ein breites Interesse in den Medien und beim Publikum gefunden (8000 Besucher in 6 Tagen!)

Beim Betreten der Messehalle wird der Blick von einem Modell einer Rakete eingefangen: Energia und Buran, die Raumfähre. Weltraumeroberungstechnik als Symbol für friedliche Produkte?

Präsentationsstände der verschiedenen Ministerien der Rüstungsindustrie im dunklen rot, davor dominieren die dynamischen Männer im dunklen Anzug. 1200 Produkte aus 300 sowjetischen Rüstungsbetrieben werden gezeigt: Freizeitgeräte wie Fahrräder, Faltboote, Segelboote; Transport- und Passagierschiffe, Unterwassertechnik, Haushaltgeräte, medizinische Geräte, ein explosionsfestes Gerät zur Analyse der Verschmutzung von Gewässer, Wasser- und Luftreinigungsanlagen, Computer mit irgendwelchen Abschieß-Spielchen, Telekommunikationsanlagen, Faseroptik, Bauteile aus neuen Werkstoffen, leichte Austogasflaschen aus Verbundwerkstoff, Geräte zur Lebensmittelverarbeitung; Spielzeug, Puppen, Samoware; High-Tech-Kitsch: Hologramm Wandleuchte mit Motiven wie Bierflasche, Schmuckschachtel oder Eidachsl, außen rum Pseudo-Schmiedeeisen aus Aluguß; unter dem Titel "Atom für den Frieden" werden Ausrüstungen und Komponenten für Atomkraftwerke angeboten, Flugzeugmodelle werben für überschallschnelle Manager-Jets und ebensolche Verkehrsflugzeuge; ebenfalls im Modell: Umgebaute T-55-Panzer, wahlweise als geländegängiges Löschfahrzeug, als Universalschlepper oder als Energiestation. ("Der Raupenschlepper ist für die Durchführung von Notrettungs- und Notwiederherstellungsmaßnahmen in den Gebieten der grossen Natur-, Betriebskatastrophen und Havarien vorbestimmt" aus dem Begleittext) Die letztgenannten waren sicherlich die spektakulärsten konvertierten Objekte, aber der Umbau von Panzern ist wohl der weniger wichtige Bereich von Konversion. In den meisten Fällen blieb im Dunkeln, aus welchen militärischen nun das gezeigte zivile Produkt abgeleitet, bzw. welche vorher militärische jetzt auf zivile Produktion umgestellt wurde. (einen zivilen Anteil in der Rüstungsindustrie gabs auch vorher schon, 40% laut Süddeutsche Zeitung vom 19.4.90)
Die in den meisten Fällen ausliegenden Begleitzettel waren oft auch nicht zur Aufhellung geeignet: "Neuartige elektrophotographische Aufzeichnungsträger ohne Anwendung von der Elektrochemie"
Die bloße Produkt-Präsentation vermittelt nichts über die technischen und betrieblichen Probleme der Konversion, und über die ökonomischen schon gar nichts. Sind die gezeigten Produkte wirklich konkurrenzfähig? Die präsentierten Fahrräder jedenfalls würde sich kein anständiger Alternativer hierzulande freiwillig zulegen (Kategorie kaufhalle heute im Angebot für 199.50, oder so), auch bei den anderen Freizeitgestaltungsprodukten, den Haushaltsgeräten oder Lebensmittelverarbeitungsanlagen kann ich mir kaum vorstellen, daß dafür im Westen ein Markt vorhanden ist. Nun gibt es sicher Interesse von West-Konzernen an sowjetischer, in der Rüstung entwickelter High-Tech oder an exotischen Werkstoffen - Exportverträge über 50 Millionen DM als Bilanz von Conversion 90 weisen in diese Richtung ( Südd.Ztg. v. 26.4. 90). Aber können ehemalige sowjetische Rüstungsbetriebe diese Dinge zu einem konkurrenzfähigen Preis anbieten? Es kann ja nicht der Sinn der Sache sein, daß sowjetische Steuerzahler Subventionen zugunsten westlicher Konzerne finanzieren. An diesen und anderen ökonomischen Fragen ging die international besetzte Podiumsdiskussion "Strukturwandel durch Abrüstung - Perspektiven für die neunziger" haarscharf vorbei. Michail Simonov, immerhin Deputierter im obersten Sowjet und Vorsitzender des Komittees für Umstellung, glänzte durch Formelhaftigkeit und ökologische Unbedarftheit: Überschallschnelle Verkehrsflugzeuge seien eine schöne Sache, weil dann die Menschen schneller zueinander kommen könnten.

Gemischte Gefühle und viele Fragen, so könnte ein erstes Resümee lauten, und jedenfalls die Bestätigung: Konversion alleine genügt nicht, die Umstellung muß ökologischen und sozialen Kriterien genügen, unsere Aufgabe, diese zu entwickeln. Natürlich war die Messe ein Erfolg, insofern sie als positives friedenspolitisches Signal gewürdigt wurde, und das mit Recht. Nur zeigte sie auch die zwischen Ost und West völlig unterschiedlichen Ausgangs- und Rahmenbedingungen für Konversion.

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