Leserbrief

Corona, die falsche Gewissheit und die Friedensbewegung

von Bernhard Trautvetter
Hintergrund
Hintergrund

Die Friedensbewegung setzt sich für das Leben und damit für Lebensbedingungen ein, in denen die Gesundheit oberste Priorität hat. Auf den Corona-Demonstrationen erscheint die Vielfarbigkeit der PACE-Fahne. Träger*innen der Fahne nahmen es hin, dass dort gleichzeitig Symbole der Rechten gezeigt wurden. Die Friedensbewegung macht mit Nazis keine gemeinsame Sache, sie steht für die Menschenrechte, die Demokratie und das friedliche Zusammenleben in einer bunten Gemeinschaft.

In der Friedensbewegung kommt es immer wieder auch zu Diskussionen darüber, wie Demokrat*innen mit den Corona-Regeln umgehen sollen, ob zum Beispiel Online-Aktionen als Ersatz für Präsenzveranstaltungen sinnvoll sind, oder ob sie nicht ein Nachgeben gegenüber ungerechtfertigten Versuchen, die Demokratie einzuschränken, darstellen.

Es geht dabei auch um die Frage der (Un)Gefährlichkeit des Covid 19-Virus. Veröffentlichungen, die dafür argumentieren, dass es keine hinreichenden Gründe für eine besondere Infektionseindämmung gäbe, erzielen ihre Wirkung, wie die Demonstrationen zeigen.  Einige Äußerungen offizieller Verantwortungsträger*innen bestärken diese Einschätzung, etwa wenn Jens Spahn sagt, man hätte nicht alle Maßnahmen zur Infektionseindämmung gebraucht.

Dem gegenüber stehen Einschätzungen verdienstvoller medizinischer Fachkräfte etwa von den Ärzten zur Verhütung des Atomkriegs (IPPNW) oder von medico international, die in Corona eine gefährliche Erkrankung mit hohem Ansteckungspotential sehen. Kritiker*innen  beklagen eine Sorglosigkeit auf Seiten von Politiker*innen wie  Donald Trump, Jair Bolsonaro, Boris Johnson und  der AfD-Führung, die zu einer an sich vermeidbaren stärkeren Verbreitung der Krankheit führen. Ihre Ignoranz habe zu einer Vielzahl von Todesfällen beigetragen.

Auch Bürger*innen, die sich bevorzugt mit Informationsquellen befassen, die in ein bestimmtes Bild passen, können sich in einer Informationsblase verlieren und ein einseitiges Denken entwickeln, das alle Informationen links und rechts des Weges ausblendet. Das kann zu Fanatismus führen. Man wiegt sich dann nicht in einer falschen Gewissheit.

Nazis und andere Rassist*innen, selbst Militarist*innen und Demokratieverächter*innen nutzen diese Situation aus und verbreiten mit ihren Symbolen in Großdemonstrationen den Eindruck, viel stärker zu sein, als sie sind.

Akteur*innen, die ohne Analyse von Hintergründen einzelne Verantwortungsträger*innen wie Angela Merkel und Bill Gates anprangern, sind, statt eine Systemkritik beim Protest gegen Missstände zu entwickeln, gefährdet, sich in der Oberflächlichkeit der Personalisierung von Problemen zu verlieren. Rechte können das mit Sündenbock- und Verschwörungstheorien für ihren Rassismus und ihre Kritik an der so genannten Elite nutzen.

Der Kapitalismus produziert eine doppelte Blindheit gegenüber dem System als letztliche Ursache für Probleme und dann eine Blindheit gegenüber der Blindheit. Das verleitet leicht zu der falschen Gewissheit eines Kartenhauses, das nur aus Elementen gebaut wird, die ins Bild passen.  
Am Ende findet sich jemand, der z.B. ohne die Spur eines Zweifels gegen jegliche Impfung, gegen Atemschutzmasken und gegen Vorsicht im direkten Mensch-Mensch-Kontakt ist, an der Seite von Demonstrant*innen mit einer Reichskriegsfahne und lässt das geschehen.

Wer einen Blick für das System hat, kommt leichter zur Erkenntnis, dass eine Klassengesellschaft an der Macht immer, auch in der Phase einer Pandemie, Strukturen entfaltet, die Macht auszubauen. Die Mittel der Macht sind solche der Manipulation und der Gewalt, sodass die Meinungsmache durch Nachrichtenmanagement gesteuert wird, das dann Rüstung und Militär als 'Sicherheit' verkauft und davon ablenkt, dass dem die Daseinsvorsorge zum Opfer fällt. Die Friedensbewegung hat auch in Phasen der Pandemiebekämpfung die Verantwortung für die Demokratie und die Zukunft des Lebens.

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Hintergrund
Bernhard Trautvetter, Mitglied im Essener Friedensforum und Gründungsmitglied von Schule ohne Bundeswehr NRW, friedenspädagogisch und -politisch auch in der GEW NRW aktiv, Lehrer an einem Berufskolleg im Ruhrgebiet, Beiträge zu unterschiedlichen Themen u.a. in Zeitschriften wie neue deutsche schule, Friedensforum; eigene Website: www.fotolyrikart.eu.