Die Friedensbewegung der 1980er Jahre

„Da fehlt ein Stein“

von Christine Schweitzer

Eines Morgens im Sommer 1988 kam ich in das Büro des Koordinierungsauschusses in der Römerstraße in Bonn und fand auf Manis Schreibtisch einen Pflasterstein, umwickelt mit rotem Geschenkband.

Es war 1988, die Hochzeit der Friedensbewegung war eigentlich schon vorbei, und die atomaren Mittelstreckenraketen wurden wieder abgezogen und abgerüstet. Aber NATO und Bundeswehr waren weiter aktiv, und die Friedensbewegung hatte sich längst von einer „Anti-Atomraketen-Bewegung“ zu einer umfassend militärkritischen Bewegung gemausert. Wohl auch, um zu zeigen, dass wir noch da waren, wurde beschlossen, 1988 eine neue bundesweite Demonstration durchzuführen. Nicht in Bonn, sondern an der Baustelle einer neuen NATO-Kommandozentrale in Linnich-Glimbach am Niederrhein, nicht weit von Jülich. Ein Bauvorhaben, gegen das die örtliche Friedensbewegung und eine Gewaltfreie Aktionsgruppe (GA) aus Köln seit Jahren arbeiteten.

Der Plakatentwurf zu der Demonstration zeigte einen Betonbunker, der durch eine Menschenmasse mit Friedenstransparenten zum Auseinanderplatzen gebracht wurde, wobei einige Brocken durch die Luft flogen. Bzw: Ursprünglich waren es einige Brocken. Es gab im Vorbereitungskreis Bedenken, dass das doch nach „Steinewerfen“ aussehe, woraufhin die Grafikerin oder der Grafiker die meisten Steine wegretuschieren musste. Kaum war der veränderte Entwurf in Umlauf gebracht worden, bekam das Büro in der Römerstraße Post: Einen Stein, mit Geschenkband umwickelt und einer Karte ohne Unterschrift: „Da ist der Stein, der Euch abhandengekommen ist.“ Mani hatte ihn noch lange auf seinem Schreibtisch stehen ...

Ausgabe

Christine Schweitzer ist Co-Geschäftsführerin beim Bund für Soziale Verteidigung und Redakteurin des Friedensforums.