Dachauer Appell

Vom Gelände des ehemaligen KZ Dauchau aus, wo wir derzeit Zuflucht vor Abschiebung gefunden haben, richten wir diesen Appell an alle, die die Vernichtung unserer Vorfahren vor 50 Jahren nicht verdrängt haben.

 

Wir Roma werden in Europa seit Jahr­hunderten gejagt. Jetzt sagen wir: Es reicht! Abschiebestopp für Roma! Wir werden unsere Fluchtburg hier in Dachau nicht verlassen, solange wir von Abschiebung bedroht sind.

Wir appellieren an alle Ausländerinnen, die von Politikerlnnen zu Zielscheiben rassistischer Gewalttaten gemacht wur­den: Steht endlich auf! Laßt uns gemeinsam kämpfen!

Allen Deutschen, die nicht rassistisch sein wollen, sagen wir: EUER politi­scher Protest gegen die rassistische Flüchtlingspolitik des Staates wird wir­kungslos bleiben, solange IHR nicht SELBST bereit seid, Flüchtlinge als gleichberechtigte, vollwertige Menschen aufzunehmen.

Wenn Ihr also tatsächlich solidarisch mit uns sein wollt, dann reichen Eure Worte der Solidarität und Eure Ankla­gen der rassistischen Politik der Regierung nicht aus, Ihr seid gefordert, Euren Solidaritätsbekundungen konkretes Handeln folgen zu lassen:

Ihr müßt selbst Flüchtlinge vor der Abschiebung verstecken.

Wir fordern Euch auf,

  1. Ein Netz privater Zufluchtsstätten für illegal in der BRD versteckte Flüchtlinge aufzubauen;
  2. öffentliche Fluchtburgen in Euren Kirchen, Gewerkschaftshäusern und Schulen zu schaffen. Denn dazu sind sie in einer Zeit wie heute da.

Antirassistische Solidarität gibt es nicht zum Nulltarif. Aber wenn wir es schaffen, daß jeder von Abschiebung be­drohten Roma-Familie ein Versteck oder eine Fluchtburg offensteht, können wir den Abschiebestopp selbst durchset­zen!

 

7.Juni 1993

Roma-Union Süddeutschland, Eber­hardstr. 60, 7340 Geislingen, Tel. 07331/41610, z.Zt. Versöhnungskirche KZ Gedenkstätte, 8060 Dachau, Tel. 08131/25951 oder 13644.

 

Ausgabe

Rubrik

Schwerpunkt