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10 Jahre Tschernobyl:
Das Gedenken soll nicht folgenlos bleiben Perspektiven der Siemens-Kampagne
vonWeltweit wird dieses Jahr der Opfer von Tschernobyl gedacht. Das Gedenken allein bewirkt jedoch wenig und es darf wohl bezweifelt werden, ob immer neue Appelle an die Politiker, aus der Atomenergie, auszusteigen, Wirkung haben. Was hindert uns eigentlich daran, den einen deutschen Konzern, mit dem das gesamte Atomgeschäft hierzulande steht und fällt, die Siemens AG, durch einen umfassenden Verbraucherboykott zu einem Ausstieg aus dem Atomgeschäft zu bewegen? Mehr als 50% der Bevölkerung lehnt die Nutzung der Atomenergie ab. Wir atomkritischen Verbraucher haben mehr Macht, als wir uns selbst vorstellen können. Bisher sind mehr als 120 Gruppen und Verbände aus der Anti-Atom und Umweltschutzbewegung, kritische Ärzteorganisationen, christliche Gruppen und Kritische Aktionärinnen und Aktionäre Mitgliedsgruppen im Koordinationskreis Siemens-Kampagne.
Atomschmiede Siemens
Alle laufenden Atomkraftwerke sind von Siemens gebaut, der Konzern ist deutscher Monopolist für die Herstellung von Brennelementen, in Hanau hantiert Siemens mit Plutonium, in Garching bei München will das Unternehmen einen Forschungsreaktor bauen, für dessen Betrieb hochangereichertes, waffenfähiges Uran vorgesehen ist. Das US-Außenministerium warnte die Münchener Wissenschaftler eindringlich, atomwaffenfähiges Uran einzusetzen und damit die Bemühungen der US-Regierung um die Nichtverbreitung von atomwaffenfähigem Material zu torpedieren. Darüber hinaus entwickelt Siemens gemeinsam mit dem französischen Unternehmen zurzeit einen neuen, angeblich sicheren Druckwasserreaktor, den "Euroreaktor".
Die Siemens AG mit ihren Tochterunternehmen Constructa, Siemens-Nixdorf und Osram ist ein excellent guter Adressat für eine Boykottkampagne, da das Unternehmen Produkte herstellt, die in jedem Haushalt zu finden sind: Haushaltsgeräte, Computer, Telekommunikation, Glühbirnen etc. Fast ausnahmslos gibt es für diese Produkte Alternativen von anderen Herstellern.
Bei einem konsequent durchgeführten Verbraucherboykott verliert das Unternehmen wesentlich mehr, als es im Atomgeschäft verdient, denn: Das Atomgeschäft macht gerade noch 2,5% des Gesamtumsatzes aus. Zudem hat Siemens die Alternativen im eigenen Haus: Kraftwerkstechnologie für Gas, Öl oder Kohle als Brennstoff, Elektrotechnik für Windkraftanlagen, Photovoltaik oder Wasserkraftwerke. Siemens kann also aussteigen.
Kleine Anzeige - große Folgen
Da Siemens weiß, wie gefährlich ein Verbraucherboykott sein kann, reagiert die Konzernspitze entsprechend empfindlich, Beispiel: 150 Personen, darunter 33 Pfarrerinnen und Pfarrer der Evangelischen Landeskirche Hessen und Nassau, schalten eine ganzseitige Anzeige Boykottanzeige in der Gießener und Marburger Stadtzeitung. Die Frankfurter Rundschau berichtet über diese Aktion und prompt fliegen Führungskräfte des Münchener Konzerns nach Frankfurt, um mit der Kirchenleitung diesen Vorfall zu diskutieren. Einige Zeit später berichtet die Süddeutsche Zeitung über dieses ungewöhnliche Treffen - und löst damit eine erneute Reaktion von Siemens aus: Wie es denn zu dieser Veröffentlichung kommen könne, wollen die Manager von der Kirchenleitung wissen, man habe doch miteinander gesprochen... Mittlerweile sind weitere Boykottanzeigen in Göttingen, Nürnberg, Bamberg und Berlin veröffentlicht worden. Wie wäre es, wenn im Laufe des Jahres 1996 in 20-30 (Groß)Städten weitere Boykottanzeigen erscheinen? Das wäre doch ein angemessener Beitrag zum Tschernobyl-Jahrestag. Ein Vorschlagstext sowie eine Handreichung sind im Berliner Büro gegen eine Spende ab 10 DM erhältlich.
Was jede/r tun kann
Die Boykottkampagne bietet sowohl einzelnen als auch Gruppen und Organisationen hervorragende Beteiligungsmöglichkeiten. Zunächst ist wichtig, sich selbst und die Öffentlichkeit über die Atomgeschäfte von Siemens zu informieren. Beim Kauf eines Nicht-Siemens-Gerätes sollte jeder einzelne seine Boykottentscheidung Siemens schriftlich mitteilen und eine Kopie dieses Briefes auch an das Berliner Büro schicken. Gruppen und große Organisationen können, da sie umfangreichere Investitionen tätigen, noch mehr Druck machen. Ich will zwei Beispiele herausgreifen:
Bei einer Sammelbestellung von Energiesparlampen für hessische Kirchengemeinden hat sich die Arbeitsstelle für Umweltfragen der Landeskirche wegen des Boykotts gegen ein Angebot der Siemens-Tochter Osram ausgesprochen. Siemens ging auf diese Weise ein Auftrag in Höhe von 100.000 DM verloren. Ebenfalls um eine Investition im Wert von 100.000 DM handelte es sich bei der Gießener Gesellschaft für soziales Wohnen. Wegen des Atomengagements von Siemens kaufte die Gesellschaft Elektrogeräte für Mietwohnungen von einem anderen Hersteller. Wichtig bei all diesen Entscheidungen ist, daß sie dem Koordinationskreis mitgeteilt und öffentlich gemacht werden. Weitere Schwerpunkte der Kampagne neben der Anzeigenaktion für 1996 sind eine bundesweite Unterschriftensammlung mit dem Motto: "10 Jahre Tschernobyl: Unser Gedenken soll nicht folgenlos bleiben" sowie das massenhafte Verteilen der Siemensboykott-Banknote, die zum Tschernobyl-Jahrestag neu aufgelegt wird. Erstmals sollen in diesem Jahr auch Großhändler in die Kampagne einbezogen werden, es geht um einen Firmenausstatter im Bereich Büroartikel. Mehr darf an dieser Stelle nicht verraten werden. Wer sich dafür interessiert, wende sich bitte an das Büro.