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Das Jugoslawien-Tribunal
vonBilder von Völkermord und Vergewaltigung, von Vertreibung und Brandschatzen gehören seit Jahren seit Jahren zu unserer täglichen Fernsehkost. Gefühle der Ohnmacht und Wut erfassen uns. Wer kann das fürchterliche Geschehen stoppen? Ist das wirklich nur durch militärisches Eingreifen von außen möglich? Getragen von der großen Mehrheit der Bevölkerung haben jedenfalls in vielen Ländern Politiker den fragwürdigen Versuch unternommen, durch Militäreinsätze weitere Menschenrechtsverbrechen zu verhindern, so zum Beispiel in Kambodscha, in Somalia, in Ruanda und jetzt im ehem. Jugoslawien.
Selbst wenn unterstellt wird, daß es das Ziel all dieser Militäreinsätze ist, die Einstellung der Kampfhandlungen zu erreichen und Bedingungen zu schaffen, die den Überlebenden und den Zurückkehrenden das Weiterleben ermöglichen, so stellt sich die Frage, unter welchen Bedingungen nach dem Ende der Massaker, der Vertreibungen und der Plünderungen ein friedliches Miteinander oder auch nur ein Nebeneinander der verfeindeten ethnischen und religiösen Volksgruppen möglich ist.
Nachträglich Gerechtigkeit schaffen
Was muß geschehen, damit die Menschen wieder gegenseitig ihr Recht auf Leben und körperliche Unversehrtheit akzeptieren? Die Achtung der existentiellen Menschenrechte der jeweils anderen und die uneingeschränkte Anerkennung der grundlegenden Normen menschlichen Zusammenlebens wird nur dann zu erreichen sein, wenn der ernsthafte und glaubwürdige Versuch unternommen wird, auch für die vorangegangene Kriegszeit nachträglich Gerechtigkeit zu schaffen. Das bedeutet, daß die zuvor begangenen Menschenrechtsverbrechen verfolgt und die Schuldigen bestraft werden. Nur eine umfassende Aufklärung aller Verbrechen kann letztlich die einzelnen Menschen zur Vergebung des geschehenden Unrechts führen. "Offene Rechnungen" sind der Keim für neue Auseinandersetzungen. Was kann in diesem Zusammenhang die internationale Strafgerichtsbarkeit leisten?
Der Sicherheitsrat der Vereinten Nationalen hat mit der Resolution 808 vom 22.02.93 und mit der Resolution 827 vom 23.05.93 einen Internationalen Strafgerichtshof (IStGH) zur strafrechtlichen Verfolgung der Verantwortlichen für die seit 1991 im Hoheitsgebiet des ehem. Jugoslawien begangenen schweren Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht geschaffen.
Die jahrzehntelangen Bemühungen verschiedener Gremien der UN und die Einrichtung einer ständigen und allgemeinen internationalen Strafgerichtsbarkeit sind bislang erfolglos geblieben, weil sich einige Staaten, insbesondere die USA, Großbritannien und China gegen die Einschränkung ihrer staatlichen Souveränität sperren, die notwendigerweise mit einem derartigen Gericht verbunden ist. Sie sprechen sich strikt dagegen aus, Entscheidungen ihrer nationalen Justiz durch ein internationales Gremium überprüfen zu lassen.
Aufgrund der Nachrichten und Berichte über die massenhaften Tötungen, Vergewaltigungen und Vertreibungen im ehem. Jugoslawien und Ruanda und auf Druck der beunruhigten Weltöffentlichkeit sah sich der UN-Sicherheitsrat zum Handeln gezwungen. Dabei ließ die fehlende Bereitschaft seiner eigenen Mitglieder zur Schaffung eines allgemeinen internationalen Strafgerichtes dem Sicherheitsrat nur den Weg, ad hoc-Tribunale einzurichten.
Der lange Weg nach Den Haag
Zunächst wurde durch die Resolution 780 vom 06.10.92 eine unparteiische Sachverständigenkommission eingesetzt, die einem späteren Jugoslawien-Tribunal zuarbeiten, Anzeigen nachgehen und Beweise sichern sollte, die jedoch keinen förmlichen UN-Auftrag zu gerichtsverwertbaren Ermittlungen hatte und die nur mit geringen Finanzmitteln ausgestattet war. Der Vorsitzende der Kommission ist im September 1993 frustriert von seinem Posten zurückgetreten, wobei er Großbritannien, Frankreich und Deutschland mangelnde Unterstützung der Kommissionsarbeit vorgeworfen und über die UN-Bürokratie geklagt hat.
1993 schuf sich der UN-Sicherheitsrat mit den Resolutionen 808 und 827 ein neues Hilfsorgan, den Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag. Dieser hat den "ausschließlichen Zweck, die Personen zu verfolgen, die für die zwischen dem 1. Januar 1991 und einem vom Sicherheitsrat nach der Wiederherstellung des Friedens festzusetzenden Zeitpunkt im Hoheitsgebiet des ehemaligen Jugoslawien begangenen schweren Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht verantwortlich sind". Das beschlossene Statut des Internationalen Strafgerichtshofs beruht auf der Ausarbeitung des Generalsekretärs der UN in seinem Bericht an den Sicherheitsrat.
Wie in bisher allen Fällen der internationalen Strafgerichtsbarkeit ist das internationale Tribunal nicht vertraglich zwischen den beteiligten Staaten vereinbart worden. Durch Hoheitsakt des UN-Sicherheitsrats sind ad hoc Sondergerichte eingesetzt worden.
Das Jugoslawien-Tribunal besteht aus zwei Kammern mit je drei Richtern, einer mit fünf Richtern besetzten Revisionskammer, einer großen Kanzlei einschließlich einer Abteilung für die Opfer- und Zeugenbetreuung und aus einer Anklagebehörde mit einem umfangreichen Polizeiapparat mit ca. 140 Mitarbeitern. Die Ende 1993 von der UN-Generalversammlung gewählten 11 Richter und Richterinnen stammen aus Ägypten, Australien, China, Costa Rica, Frankreich, Italien, Kanada, Malaysia, Nigeria, Pakistan und den USA. Zum Anklagevertreter wurde zunächst ein Venezolaner bestimmt, der jedoch bereits im Februar 94 zurücktrat, um in Caracas ein politisches Amt anzutreten. Sein Nachfolger wurde im Herbst 94 der renommierte südafrikanische Richter Richard Goldstone, vormals Vorsitzender des Ausschusses zur Untersuchung der politischen Gewalt in Südafrika.
Die gewählten Richter und Richterinnen haben sich durch Beschluß vom 11.2.1994 (geändert am 5.5.94 und am 4.10.94) eine ausführliche Verfahrenordnung gegeben. Das Verfahren ist am angelsächsischen Rechtssystem orientiert, was insbesondere die zahlreichen Beweisregeln deutlich macht. Prozesse dürfen nur in Anwesenheit der Angeklagten durchgeführt werden. Die Verurteilung Abwesender ist unzulässig. Ankläger und Verteidiger haben gleiche Rechte und Pflichten.
Der Sicherheitsrat hat die Mitgliedstaaten der UN aufgefordert, mit dem Gerichtshof zusammenzuarbeiten und alle Maßnahmen zu ergreifen, die nach dem innerstaatlichen Recht notwendig sind, um den Bestimmungen der Resolution 827 und dem Statut des IStGH nachzukommen.
Die Finanzierung ist problematisch. Zwar sollen nach Art. 32 des Statuts die Kosten aus dem ordentlichen Haushalt der Vereinten Nationen bestritten werden. Der Sicherheitsrat hat jedoch in der Resolution 827 alle Staaten, die zwischenstaatlichen und die nichtstaatlichen Organisationen nachdrücklich gebeten, dem IStGH Geld- und Sachmittel zur Verfügung zu stellen. Die Kosten der inzwischen insgesamt ca 800 Mitarbeiter sind hoch, zumal die Ermittlungen eine umfangreiche Reisetätigkeit erfordern. Der Schriftverkehr des Gerichts wird überwiegend über Computer abgewickelt. Jedoch müssen alle Dokumente und Vorgänge kostenaufwendig in die beiden Gerichtssprachen englisch und französisch bzw. in die Sprachen der Angeklagten übersetzt werden.
Die Ermittlungsergebnisse sind auf Tonband und Video dokumentiert. Videos und anonyme Zeugen sind als Beweismittel zugelassen. Die zu verhängenden Strafen sind beliebig, Strafrahmen gibt es nicht. Jedoch darf die Todesstrafe nicht verhängt werden. Vollstreckt werden sollen die Freiheitsstrafen unter der Aufsicht des IStGH in einem vom Gericht aus der Liste ausgewählten Staat nach dessen Rechtsvorschriften. Eine Begnadigung ist grundsätzlich möglich. Über sie entscheidet der Gerichtpräsident nach Beratung mit den Richtern.
Zuständig ist der IStGH für vier Verbrechenkatagorien:
1. Schwere Verletzungen der vier Genfer Abkommen vom 12.8.49
2. Verstöße gegen die Gesetze oder Gebräuche des Krieges,
3. Völkermord
4. Verbrechen gegen die Menschlichkeit, wozu u.a. Vertreibung, Folter, Vergewaltigung und andere unmenschliche Handlungen zählen.
Auslegungsprobleme sind zu erwarten, z.B. über den Begriff "Folter" und "unmenschliche Handlungen". Der IStGH hat eine konkurrierende Zuständigkeit. Was bei der Ausarbeitung der allgemeinen internationalen Strafgerichtsbarkeit insbesondere von den großen Industriestaaten strikt abgelehnt worden ist, hat nunmehr der Sicherheitsrat bei dem Jugoslawientribunal ohne zu Zögern geschaffen. In jeder Phase des Verfahrens kann der IGStGH die vor nationalen Gerichten anhängigen Verfahren an sich ziehen.
Völkerrechtlich fragwürdig ist die Rechtsgrundlage des IStGH. In seien Resolutionen zur Errichtung des IStGH hat sich der Sicherheitsrat darauf berufen, daß durch die Verstöße gegen des humanitäre Völkerrecht im ehemaligen Jugoslawien der Weltfriede und die internationale Sicherheit bedroht seien. Damit hat der Sicherheitsrat seine Zuständigkeit auf Kapitel VII der UN-Charta gestützt. Die UN-Charta enthält jedoch keine ausdrücklichen Vorschriften, die das Einsetzen judikativer Organe zur Wahrung oder Wiederherstellung des Friedens erlaubt oder verbietet.
Während z.B. Graefrath die Auffassung vertritt, daß die Einsetzung eines internationalen Tribunals keine zulässige Zwangsmaßnahme nach Art 41 UN-Charta darstellt, sondern vielmehr ein weitreichender Eingriff in die Souveränitätsrechte aller Staaten darstellt, meint Hollweg, daß die Maßnahmen der Einrichtung eines UN-Tribunals nach Art 41 UN-Charta geeignet sei, zur Wiederherstellung des Weltfriedens beizutragen. Er hält die Ermächtigungsgrundlage für ausreichend. So im Ergebnis auch Trautwein, der jedoch Bedenken hat wegen des Art. 14 Abs. 1 Satz 2 Internationaler Pakt über bürgerliche und politische Rechte (IPBPR) jedem Beschuldigten garantierten Rechtes, sich nur vor einem auf gesetzlicher Grundlage beruhenden Gericht verantworten zu müssen. Legislativkompetenz im Rahmen der UN-Charta haben nur die Mitgliedsstaaten, nicht aber der Sicherheitsrat.
Der Streit über die Kompetenz des Sicherheitsrates dürfte keine praktische Bedeutung haben. Denn es geht nicht um die Errichtung einer allg. internationalen Strafgerichtsbarkeit, die nach bisherigem Rechtsverständnis ohne Völkerrechtsvertrag nicht möglich wäre. Die Einsetzung eines internationalen Strafgerichtshof für Menschenrechtsverbrechen im ehemaligen Jugoslawien und eines weiteren internationalen Strafgerichtshofs für die entsprechenden Delikte in Ruanda ist in der Völkergemeinschaft auf allgemeine Zustimmung gestoßen.
Deutschland ist wie viele andere Staaten der Aufforderung des Sicherheitsrats gefolgt und hat am 10.4.95 ein Gesetz über die Zusammenarbeit mit dem IStGH für das ehemalige Jugoslawien (Jugoslawien-Strafgerichtshof-Gesetz verkündet. Dieses ermöglicht die Überleitung bundesdeutscher Strafverfahren und auch die Auslieferung beschuldigter Personen an den IStGH und regelt Einzelheiten der Rechtshilfe.
Spitze des Eisberges
Die Arbeit des IStGH zeigt erste Erfolge. Mit 12 Anklagen sind 52 Personen aus dem ehemaligen Jugoslawien angeklagt. Ein serbischer Verdächtiger ist aus Deutschland an den IStGH ausgeliefert worden. Ein zweiter ist im Januar 96 in Deutschland festgenommen worden. Dennoch hat im Dezember 95 ein deutscher Ermittlungsrichter geklagt, daß die Verfahren in Den Haag nur schleppend vorankämen. Die Verteidigung mache sich das angelsächsische Rechts zunutze. Die Justiz in Den Haag habe mit "außenpolitischen Belastungen zu kämpfen". Zudem seien Völkermordverbrechen schwierig aufzuklären. Die Ermittlerteams der Anklagebehörde durchsuchen Flüchtlingslager in ganz Europa nach Zeugen (und Beschuldigten) und recherchieren auch in den Kriegsgebieten, wobei die Kriegsparteien nur begrenzt oder gar nicht kooperativ sind und Schutz durch UN-Truppen nur begrenzt möglich ist.
In der Bundesrepublik, wo für Völkermord (_ 220a StGB) das Weltrechtsprinzip gilt, ermittelt die Bundesanwaltschaft gegen 45 bis 50 namentlich bekannte Beschuldigte. Etwa 10 Personen werden mit Haftbefehlen gesucht.
Die Anklagebehörde des IStGH treibt die Ausstellung von internationalen Haftbefehlen voran, die jeden UN-Mitgliedsstaat verpflichten, die Angeklagten zu verhaften und nach Den Haag zu überstellen.
Bedenklich sind die Versuche, Einfluss auf die Arbeit des IStGH zu nehmen. So hat Russland den IStGH für das ehemalige Jugoslawien ersucht, die Ermittlungen gegen den bosnischen Serbenführer Karadic und seinen Militärchef Mladic "einzufrieren". UN-Chefankläger Goldstone hat dieses Ansinnen zurückgewiesen.
Inzwischen sind nicht nur Serben, sondern auch bosnische Kroaten vor dem IStGH angeklagt worden. Ihnen wird vorgeworfen, für die Tötung von Zivilisten in dem mehrheitlichen von den bosnischen Moslems bewohnten Lasva Tal 1992/93 verantwortlich zu sein. Kritisch zu betrachten sind in diesem Zusammenhang Bemühungen der Bundesregierung Deutschlands im UN-Sicherheitsrat. Dort versucht die Bundesregierung zu verhindern, daß der Sicherheitsrat in gleicher Weise wie Serbien auch Kroatien wegen der im Krieg begangenen Menschenrechtsverletzungen verurteilt.
Ruanda - Strafgerichtshof
Eine Amnestie für mutmaßliche Kriegsverbrecher hält der Chefankläger Goldstone für ausgeschlossen. Er hat unmissverständlich erklärt, daß die Anklage und die Urteile des Tribunals niemals Verhandlungsmasse bei Friedensverhandlungen sein könnten. Mit einer Amnestie, die nur der UN-Sicherheitsrat erlassen könne, sei nicht zu rechnen.
Seit Ende Juni 1995 hat sich auch der IStGH für Ruanda konstituiert. Er ist vom Sicherheitsrat beauftragt worden, die Verantwortlichen für den Völkermord an bis zu 1.000.000 Angehörigen der Tutsi-Minderheit im Jahre 1994 zur Rechenschaft zu ziehen. Der ständige Sitz dieses Gerichts ist Arusha in Tansania. Die Anklagebehörde wird in Den Haag bleiben.
Dieses Gericht hat sich die gleiche Verfahrensordnung gegeben wie das für das ehemaligen Jugoslawien zuständige Gericht. Am 8.1.96 ist das Tribunal in Arusha erstmalig zusammengetreten. Bislang sind acht Personen angeklagt worden. Drei von ihnen sitzen in Belgien in Haft. Ihre Auslieferung soll beantragt werden. Als problematisch könnte sich herausstellen, daß nur ein kleiner Teil der 57.000 nach den Massenmorden in Ruanda festgenommenen Personen vor den IStGH gestellt werden kann. Ob damit den Opfern das Gefühl vermittelt werden kann, ihnen widerfahre Gerechtigkeit, wird die weitere Entwicklung zeigen.
Können die beiden internationalen Strafgerichte Modellcharakter haben für die so lange hinausgezögerte allgemeine internationale Strafgerichtsbarkeit?
Ein Bedürfnis für eine allgemeine internationale Strafgerichtsbarkeit besteht nur in den Fällen, in denen bei Völkerrechtsverbrechen staatliche Strafgerichte untätig bleiben oder Entscheidungen treffen, die sich nicht an den international anerkannten Rechtsnormen orientieren. Das ist dann der Fall, wenn (a) ein Straftäter in seinem Land weder strafrechtlich verfolgt noch ausgeliefert wird (z.B. Libyen-Fall) oder (b) die staatliche Strafgerichtsbarkeit nicht funktioniert, weil es sich z.B. um Regierungskriminalität handelt.
In solchen Fällen könnte und müsste eine internationale Strafgerichtsbarkeit die Anwendung von international einheitlichen Bewertungsmaßstäben sichern. Das setzt voraus, daß nationalstaatliche Strafverfahren und -urteile überprüft werden können. Dazu sind die Regierungen vieler Staaten (immer noch) nicht bereit.
Ein ständiger internationaler Strafgerichtshof
Es gibt zwei Wege zur Einrichtung eines ständigen und allgemeinen internationalen Strafgerichtshof. Der Weg über die Ergänzung der UN-Charta ist wegen des komplizierten Satzungsänderungsverfahrens derzeit nicht erfolgversprechend. Wegen der Widerstände vieler Regierungen ist auch mit der völkervertraglichen Einrichtung eines für zahlreiche Staaten zuständigen internationalen Strafgerichtes nicht zu rechnen.
Das Dilemma ist zurzeit nicht lösbar. So bleibt nichts anderes übrig, als die Möglichkeit des Sicherheitsrats, ad-hoc-Gerichte zu schaffen, zu akzeptieren und in Kauf zu nehmen, daß durch das Vetorecht der ständigen Mitglieder des Sicherheitsrates eine Ungleichbehandlung festgeschrieben wird. Völkerrechts- und Menschenrechtsverbrechen, die im Auftrag und im Namen Chinas, Frankreichs, Großbritanniens, Russlands und der USA begangen worden sind, werden auf absehbare Zeit nicht vor internationalen Strafgerichten verhandelt werden.
Diese Ungleichheit sollte jedoch nicht dazu führen, auf die internationale Strafgerichtsbarkeit völlig zu verzichten. Die Verfolgung und Bestrafung schwerwiegender Völkerrechts- und Menschenrechtsverbrechen ist Voraussetzung für die Versöhnung zerstrittener Volks- und Religionsgruppen. Auch ist jedenfalls bis zum Beweis des Gegenteils mit einer generalpräventiven Wirkung zu rechnen.
Jedes einzelne internationale Tribunal ist ein wichtiger Schritt zur künftigen Errichtung eines ständigen und allgemeinen Strafgerichtshof der UN. Es ist der Ausdruck einer internationalen Überzeugungsgemeinschaft und eines Konsenses über fundamentale Grundwerte und Menschenrechte, die durch Kriegsparteien nicht folgenlos gebrochen werden können.
Nicht übersehen werden sollte letztlich auch, daß der weltweite Medienverbund mit seinen Nachrichten über die Durchführung und die Ergebnisse internationaler Strafverfahren dazu beiträgt, das allgemeine Rechtsverständnis zu prägen und Rechtstreue zu fördern. Kein Staat und keine Regierung lassen sich gern öffentlich der Verstöße gegen das humanitäre Völkerrecht bezichtigen.
Der vorrangige Zweck einer völkerrechtlichen Strafe ist nicht die Vergeltung und auch nicht die Abschreckung. Es ist das Ziel, die gebrochene Norm selbst im Namen der Menschheit wiederherzustellen, ihre Geltung gegen den politischen motivierten Bruch zu verteidigen und sie damit in ihrem ständigen Konflikt mit der staatlichen Macht als die stärkere durchzusetzen. Normen, die sanktionslos gebrochen werden, erodieren und verschwinden letztlich wären sie noch so grundlegend.
Obwohl Recht den Frieden allein nicht herbeiführen kann: Ein Frieden ohne Recht kann nicht von Dauer sein. Alternativen zu einer für alle Menschen zuständigen internationalen Strafgerichtsbarkeit gibt es nicht. Nach Pressemitteilungen berät seit Ende 1995 die UN-Generalversammlung über einen Entwurf für ein derartiges Gericht.
Wir haben diesen Text aus "Betrifft Justiz" entnommen und stark gekürzt.