War Resisters‘ International

Das Kontinuum der Gewaltfreiheit

von Christine Schweitzer

Vom 4.-8. Juli fand in Kapstadt, Südafrika, eine internationale Konferenz der War Resisters‘ International statt. Rund 220 Menschen nahmen teil; über die Hälfte aus Afrika. Die War Resisters' International (WRI, die Internationale der KriegsgegnerInnen oder KriegsdienstgegnerInnen, wie ihr Name gewöhnlich ins Deutsche übersetzt wird) arbeitet für eine Welt ohne Krieg. Die WRI ist ein weltweites pazifistisches und antimilitaristisches Netzwerk mit mehr als 80 Mitgliedsorganisationen in 40 Ländern, verpflichtet ihrer Gründungserklärung von 1921: „Krieg ist ein Verbrechen gegen die Menschheit. Ich bin daher entschlossen, keine Art von Krieg zu unterstützen und für die Beseitigung aller seiner Ursachen zu kämpfen“.

Alle drei bis vier Jahre veranstaltet die WRI eine weltweite Konferenz, die auch dazu genutzt wird, ein Treffen möglichst viele Mitglieder der WRI zu ermöglichen. Dieses Jahr fand sie zum ersten Mal auf afrikanischem Boden statt, nachdem vergangene Konferenzen die WRI u.a. nach Indien und Brasilien geführt hatten. Umrahmt war die Konferenz, die den Titel trug „Kleine Aktionen – große Bewegungen. Das Kontinuum der Gewaltfreiheit“, von verschiedenen weiteren Treffen: Das Women Peacemaker Program, das ursprünglich vom Internationalen Versöhnungsbund ins Leben gerufen wurde, ein von der WRI initiiertes Panafrikanisches Netzwerk für Gewaltfreiheit und Peacebuilding und ein Treffen des International Center for Nonviolent Conflict mit seinen afrikanischen Partnern gehörten dazu. Und natürlich WRI-interne Mitgliedertreffen, auf denen u.a. ein neuer Internationaler Rat und Vorstand gewählt wurden. Sehr lebendig bei der Konferenz und den vielen Treffen war das Andenken an den im November 2013 verstorbenen Vorsitzenden der WRI, Howard Clark, für den diese Konferenz das letzte Projekt gewesen war, für das er sich eingesetzt hatte.

Es ist fast unmöglich, in wenigen Sätzen zusammenzufassen, was die Ergebnisse der Konferenz waren. Es wurde in vielen parallelen Strängen diskutiert, und entsprechend vielfältig war, was aus den unterschiedlichen Diskussionen resultierte. Deshalb hier nur ein paar Streiflichter:

In vielen Ländern des globalen Südens ist das Thema der Rohstoffausbeutung und des Widerstands dagegen ein wichtiger Fokussierungspunkt für AktivistInnen – von Kolumbien über DR Kongo bis nach Indien. Was geschieht, ist oftmals dasselbe: Gewöhnlich ausländische (manchmal auch einheimische) Konzerne vertreiben die lokale Bevölkerung, um auf ihrem Boden Rohstoffe auszubeuten. Die Regierung und die Polizei stehen auf der Seite der Konzerne; die Bevölkerung, die sich gegen den Verlust ihrer Heimat und ihrer Lebensgrundlagen wehrt, sieht sich massiver Repression ausgesetzt. Die Rohstoffe enden als Bauelemente für Industriegüter oder dergleichen im globalen Norden. Hier Ketten der Solidarität zwischen den Betroffenen vor Ort und Eine-Welt-, Menschenrechts- und Friedengruppen hier bei uns zu stärken, ist eine wichtige Aufgabe.

Ebenso ein praktisch globales Thema ist die Militarisierung der Jugend. Sie wird nicht nur in den Ländern Europas und in den USA betrieben, wo Berufsarmeen dringend Nachwuchs brauchen und durch Computerspiele, Freizeitangebote, Berufsmessen und Schulbesuche Kinder und Jugendliche für den Dienst beim Militär zu begeistern suchen. Auch in vielen Ländern des Südens wird in Schulen und durch Medien eine Kultur des Militarismus aufrechterhalten, gestärkt oftmals durch patriarchale Orientierungsmuster. („Wer sich weigert, zu kämpfen, ist kein echter Mann.“)

Das führt zu einem dritten Thema, das die Konferenz in Kapstadt begleitete: Die Auseinandersetzung mit dem Thema „gender“. Hier kamen die TeilnehmerInnen von sehr unterschiedlichen Ausgangspunkten – die Bandbreite reichte von Menschen, die sich schon mit dem Gedanken an Homosexualität schwer taten, bis hin zu denen, die ganz selbstverständlich von der Vielzahl (sozialer) Geschlechter sprachen. Doch war, zumindest nach meiner Wahrnehmung, der Diskurs um diese Fragen stets konstruktiv und von dem Willen geprägt, die Selbstdefinition eines / einer jeden zu respektieren und zu lernen, wie dieser Respekt auch sprachlich ausgedrückt werden kann. (Im Deutschen wird in den letzten Jahren immer mehr die Schreibweise „xxx_innen“, das sog. „Gender Gap“, benutzt, um auszudrücken, dass es mehr als zwei Geschlechter gibt, während wir bei den Pronomen weiterhin nur „er“ oder „sie“ haben; im Englischen gibt es keine weibliche Form für Substantive, dafür gibt es das „ze“ anstatt „he“ or „she“, wenn von Menschen die Rede ist, die sich als transgender oder intersexuell definieren.) Was das alles mit Krieg zu tun hat? Sehr viel – nicht nur sind Menschen, die sich weder als Frau noch als Mann verstehen, ganz spezieller Diskriminierung im Militär ausgesetzt, sondern Gewalt ist, wie wir seit Johan Galtungs Definitionen von direkter, struktureller und kultureller Gewalt wissen, mehr, als nur eine Waffe in die Hand zu nehmen.

Die Konferenz wurde überschattet von dem Krieg in Gaza. Nicht nur die TeilnehmerInnen aus Israel (von der Organisation New Profile) und Palästina (der Pro-BDS Aktivist Omar Barghouti), sondern praktisch alle anwesenden Gruppen und Personen drückten ihr Entsetzen und ihre Wut über diesen neuen Krieg aus. Besonders auch AktivistInnen in Südafrika fühlen sich aufgrund ihrer eigenen Erfahrungen mit der Apartheid der Situation der PalästinenserInnen in enger Solidarität verbunden. So war es kein Wunder, dass direkt nach Ende der Konferenz eine Demonstration in Kapstadt mit organisiert wurde, und die WRI-Mitgliederversammlung einen Aufruf verfasste, der auf der Website der WRI (www.wri-irg.org) nachgelesen werden kann.

Pünktlich fertig zur Konferenz wurde eine in wesentlichen Teilen erneuerte zweite Auflage des „Handbook for Nonviolent Campaigns“. In dem Handbuch geht es um die Dynamiken von Gewaltfreiheit, Konflikten, Gewalt und Geschlecht, Strategien zu gewaltfreien Aktionen und deren Vorbereitung sowie Geschichten und Erfahrungsberichte über solche Aktionen. Außerdem enthält es eine große Zahl an Trainingselementen und -übungen für Trainings in Gewaltfreiheit. Es kann vom Webshop der WRI oder beim Bund für Soziale Verteidigung bestellt werden.

Mehr Informationen unter: www.wri-irg.org.

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Rubrik

Friedensbewegung international
Christine Schweitzer ist Co-Geschäftsführerin beim Bund für Soziale Verteidigung und Redakteurin des Friedensforums.