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Das Theater der Unterdrückten und die Friedenserziehung
vonIch möchte mit diesen Zeilen das Theater der Unterdrückten von Auguste Boal darstellen, eine Methode, die unsere Animationsgruppe seit ca. einem Jahr anwendet. Nachfolgend möchte ich die Verbindung zwischen solch einem Verfahren und der Friedenserziehung untersuchen und deren Nützlichkeit für den, der im Bereich Gewaltlosigkeit wirkt, darstellen. Einleitend will ich klarlegen, was ich unter Friedenserziehung verstehe.
Unter Friedenserziehung verstehen wir von der Animationsgruppe "FOLLI VERITAS":
- nicht eine Erziehung, die ständig auf der Suche nach Fürsprache, Kompromiss und einem Einvernehmen um jeden Preis ist;
- nicht eine Passivität und Resignation nach dem Motto: "Besser leiden als Gewalt anwenden";
- auch nicht eine Form von Indoktrination zum Thema "Oh, wie widerwärtig ist die Gewalt."
Das Modell, das ich bevorzuge, ist jenes, das D. Novara "gewaltlose Konfliktbereitschaft" nennt; dieses ist durch die folgenden Punkte gekennzeichnet:
1. Der Konflikt ist den menschlichen Beziehungen inhärent.
2. Weit entfernt vom "Negativ-sein" in sich selbst, stellt er einen Faktor von Bewußtsein, Wachstum und Innovation dar. Negativ ist die Unterdrückung oder die Verschleierung des Konflikts, oder seine Lösung mit Hilfe der Gewalt.
3. Die gewaltlose Kampfbereitschaft wird im Vergleich zu Alternativen der Passivität und der Gewalt aufgewertet.
4. Man beachtet die Wichtigkeit der Kreativität, die es durch die Zerstörung der stereotypen Mechanismen erlaubt, neue Lösungen der zwischenmenschlichen und sozialen Konflikte zu finden.
5. Man arbeitet an der Kommunikation , um die Positionen zu klären und jene "Nachahmungsreaktion" zu vermeiden, die zur gewaltsamen Antwort führt; man spornt das Vertrauen an und sucht die Aufwertung von sich selbst und des anderen.
Was ist Theater der Unterdrückten?
Es entsteht als Werk von Auguste Boal, Direktor des Teatro Arene in Sao Paolo, in den 60er Jahren in Brasilien. Es stützt sich auf eine eindeutige Parteinahme für die "Unterdrückten" und gleichzeitig auf Paulo Freire, auf seine Arbeit der Bewusstmachung.
Um dieses Ziel zu erreichen, arbeitete Boal verschiedene Techniken aus Zeitungstheater, Forumtheater, Bildertheater, Unsichtbares Theater, die auch geeignet sein sollen, die Kultur der Bauern aufzuwerten. Alle von ihnen versuchen - auf verschiedenen Stufen - das Theater zu "deprofessionalisieren", indem sie die Barriere Schauspieler-Zuschauer niederreißen. Als mäeutisches Instrument verwendet, und nicht als Instrument der Läuterung, läßt dieses Theater die großen sozialen und kollektiven Probleme hervorquellen. Einer seiner besonderen Aspekte bleibt jedoch die Arbeit am Körper, um die muskolaren Masken ("Ein General spaziert wie ein General") und die Aktivierung eines Gedankens "durch Bilder" zu lösen. Nach dem militärischen Staatsstreich im Jahre 1964 sucht Boal Asyl in Europa, wo er in Paris ein Zentrum gründet, das seine Techniken verbreitet und überarbeitet. Diese Techniken werden jenen Gesellschaften angepaßt, in denen die Unterscheidung Unterdrücker/Unterdrückter nicht so klar ist.
Welche sind nun die Berührungspunkte zwischen den Theater der Unterdrückung und der Friedenserziehung? Parallel zu den fünf Punkten, die vorher zu unserem Modell "gewaltlose Konfliktbereitschaft" genannt wurden, haben wir:
1. Diese Techniken stützen sich auf eine ausführliche Darlegung der zwischenmenschlichen und sozialen Konflikte. So befassen sich z.B. das Forumtheater und das Unsichtbare Theater mit kurzen stilisierten und anregenden Darstellungen, die einen realen Konflikt aufzeigen, der dem Publikum, an das sich diese Darstellung wendet, angepaßt ist.
Während man im Unsichtbaren Theater nur die Diskussion zwischen den "unwissenden" Zuschauern anregt, sucht man im Forumtheater die Lösungen des Problems gemeinsam: Wer eine Idee hat, vertritt einen Schauspieler und bringt seinen eigenen Willen auf die Bühne: Manchmal passiert es, daß man es trotz guter Ideen nicht schafft, diese in die Praxis umzusetzen; oder man endet in einer Sackgasse. Mit Hilfe des kollektiven Verstands versucht man eine zufriedenstellende Antwort zu erlangen.
Es gibt Konflikte, die entstehen aufgrund von Ungerechtigkeiten, andere aufgrund von Stereotypen und Verständnislosigkeit; auf alle Fälle gibt es Gegensätze zwischen den verschiedenen Werten und/oder Bedürfnisse; in bestimmten Fällen sind sie durch kreative Vermittlungen und Lösungen lösbar, in anderen Fällen durch Beseitigung der Ungerechtigkeit. Im Bildertheater jedoch geht man von Konfliktvorstellungen aus, deren unterschiedliche Facetten man zu untersuchen versucht. Außerdem hat Boal in diesen Jahren eine Serie von Techniken ausgearbeitet, die als "le flic dans la tête" (Der Polizist im Kopf) bezeichnet werden. Sie dienen dazu, einen Konflikt, der scheinbar innerpsychisch ist, zu veräußerlichen. Die Hypothese lautet, daß heute in der westlichen Gesellschaft die Unterdrückung nicht mehr sehr äußerlich sichtbar ist, sondern sehr häufig verinnerlicht wird und im Inneren von uns wirkt und sich durch Ängste, Verbote und Beklemmungen äußert.
2. Ein weiterer Ansatzpunkt ist der, daß das Theater der Unterdrückten nach Konfliktlösungen sucht. Es ist die Gruppe selbst, die sie erforscht und sie in die Praxis umsetzt, wen auch im Rahmen eines Theaters. Hier ist die Hypothese die, daß die "Aufführung" einer Lösung dazu anregen kann, auch im täglichen Leben zu handeln.
3. Im Forumtheater drängt der Animator zum Eingreifen; wenn das nicht geschieht, wendet sich die Szene zu einem fatalen Schluss zuungunsten der Unterdrückten. Auch in diesem Fall regt man das Publikum - anstelle der einfachen emotiven oder idealen Zustimmung - zum Agieren an.
4. Das Theater der Unterdrückten stimuliert die Kreativität. Es handelt sich nicht um bereits fertige Antworten, sondern um Instrumente, die zur Ausarbeitung und Erforschung möglicher Antworten dienen.
Wenn man dann erprobt, daß es möglich ist, mehrere Darstellungen zum gleichen Thema zu haben, mehrere Lösungen zum selben Konflikt, dann öffnet sich vielleicht eine Tür und diese Veränderung wird akzeptiert.
5. Schließlich, aber nicht zuletzt, stützt sich die Methode des Theaters der Unterdrückten auf vertrauensvolle, kooperative Beziehungen, auf ein Zuhören zwischen Animator und Teilnehmer. Es ist die Gruppe, die das zu analysierende Problem findet und auch die Wege, die in bezug auf die Individualität des einzelnen zurückzulegen sind (Man vermeidet z.B. die Handlungsweise, von wem auch immer in der Gruppe, psychologisch zu interpretieren.)