Demonstration gegen Krieg und gegen das Kommando Spezialkräfte in Calw

von Tobias Pflüger
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Es war eine mutmachende Demonstration in Calw gegen Krieg und gegen das Kommando Spezialkräfte. Fast 1.000 Menschen demonstrierten zuerst vor der KSK-Kaserne, dann in einem Demonstrationszug in die Calwer Innenstadt und dann auf dem Calwer Marktplatz. Alle Redner/innen sprachen sich klar gegen den Krieg aus. Ein breites politisches Spektrum forderte gemeinsam ein Ende des Krieges in Afghanistan, keine Ausweitung des Krieges auf andere Länder, keine Teilnahme der Bundeswehr und des Kommando Spezialkräfte am jetzigen und zukünftigen Kriegen und eine Auflösung des Kommando Spezialkräfte!

Das FriedensForum dokumentiert die Rede von Tobias Pflüger, Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V., auf der Auftaktkundgebung in Calw bei der Graf-Zeppelin-Kaserne, dem Standort des Kommando Spezialkräfte (KSK).

Tobias Pflüger:
In einer Zeit, in der politischer Kadaver-Gehorsam üblich geworden ist - die Fraktionen von SPD und Grünen sind gehorsam zum Kanzler, der Parteitag der SPD ist gehorsam zu Schröder, der Parteitag der Grünen ist gehorsam zu Fischer - besonders in einer solchen Zeit ist es notwendig, dass Menschen Ungehorsam üben und ganz klar "Nein" sagen: Nein sagen zum Krieg und nein sagen zum Einsatz der Bundeswehr und des Kommando Spezialkräfte hier hinter uns.

Es wird gesagt, in Afghanistan wäre jetzt doch alles in Ordnung, die Taliban seien besiegt, die Frauen könnten wieder arbeiten und die Leute könnten wieder Fernsehen schauen. Jetzt müsse nur die in Bonn installierte Regierung das Ruder übernehmen und internationale Hilfe ins Land kommen und dann wäre ein Aufschwung in Afghanistan möglich.

Wenn die Welt nur so einfach wäre, wie sie uns die Machthabenden vermitteln wollen. Die Naiven sind nämlich nicht die Friedensbewegten sondern die Regierenden.

Der erste Kriegsheer, der berüchtigte Herr Dostum hat mitgeteilt, dass er die in Bonn installierte neue afghanische Regierung boykottieren werde. Die Nordallianz hat in der neuen afghanischen Regierung, wie auf dem Schlachtfeld, wesentlich das Sagen. Sie steht für Tod, Vertreibung, Massaker und Folter. Das Massaker von Masar-i-Sharif zeigt, was gemeint ist, wenn die Regierenden von "zivilisierter Welt" reden.
 

Für uns als Friedensbewegung ist Zivilität ungeteilt, Menschenrechte ungeteilt, deshalb lehnen wir Krieg als Mittel der Politik ab.

Der Krieg hat langfristige Folgen: Streubomben sind schlimmer als Minen, weil keiner weiß, wo sie liegen und sorgen täglich für Tote und Verletzte in Afghanistan. Felder können nicht bestellt werden. Der Einsatz von Streubomben und Riesenbomben a la Daisy Cutter (riesige Benzinbombe) ist nicht zivilisiert Herr Schröder und Herr Bush, dies ist nichts anderes als barbarisch!

Diese Nordallianz zeigt, dass es der sogenannten "Allianz gegen den Terror" nicht um eine Politik gegen den Terror geht, es geht dieser Allianz um politische, militärische und ökonomische Interessen!

Welche Interessen sind das?
Die Firma UNOCAL, eine Ölfirma in den USA, hatte bis 1997 einen Vertrag mit den Taliban, dann eine Ölpipeline durch Afghanistan nach Indien bauen zu dürfen, wenn sie ganz Afghanistan kontrollieren würden. Auch die US-Regierung unter Clinton setzte lange Zeit auf die Taliban als Verbündete, weil sie am meisten Ruhe ins Land brächten und offen waren für Geschäfte. - Schon 1998 waren Angriffe der USA auf Afghanistan geplant.

Dieser Regierung von George W. Bush, die aus vielen Ölfirmenvertretern besteht, der geht es nicht um Krieg gegen den Terrorismus, dieser Regierung geht es um ihre ureigensten geopolitischen Interessen, um den Zugang zu Rohstoffen, auch um einen Krieg für Öl.

Weitere Kriegsorte sind ausgemacht, im Visier der Bomben "gegen den Terror" sind insbesondere Somalia und Irak! Der Aufmarsch in Puntland in Somalia wird konkret auch mit deutscher Hilfe vorbereitet.

Wir als Friedensbewegung sagen: Jede weitere Bombe schafft weiteren Hass, jede weitere Bombe schafft weiteres Leid, jede Bombe ist eine Bombe zuviel. Deshalb fordern wir das sofortige Ende der Bombardierungen in Afghanistan und keine Ausweitung des Krieges auf andere Länder!

Und die Deutschen?
Auch die bundesdeutsche Regierung hat deutlichste Interessen: Dazu macht es Sinn, sich mal den Beschluss des Bundestages vom 16.11. genau anzuschauen: "Die Beteiligung mit deutschen Streitkräften an der Operation ENDURING FREEDOM ist zunächst auf zwölf Monate begrenzt. (...) Einsatzgebiet ist das Gebiet gemäß Art. 6 des Nordatlantikvertrags, die arabische Halbinsel, Mittel- und Zentralasien und Nord-Ost-Afrika sowie die angrenzenden Seegebiete Deutsche Kräfte werden sich an etwaigen Einsätzen gegen den internationalen Terrorismus in anderen Staaten als Afghanistan nur mit Zustimmung der jeweiligen Regierung beteiligen."

Was bedeutet dieser Beschluss konkret? (vgl. hierzu auch die IMI-Analyse des Bundeswehrbeschlusses unter: http://66.33.60.75/imi-online/2001.php3?id=193).

Die Bundeswehr kann auf einem Drittel des Globus für mindestens ein Jahr mit allen Optionen von der humanitären Hilfe bis hin zum Kampfeinsatz in den Krieg geschickt werden. Diese Entscheidung ist tatsächlich "epochal", da muss ich Herrn Schröder mal recht geben. Im Text heißt es dazu, dies sei Zitat eine "Ermächtigung" des Parlaments an die Bundesregierung. Nein, eine Ermächtigung an eine Regierung lehnen wir ab, auch und besonders aus historischen Gründen! Wir werden alles tun, damit diese Kriegsermächtigung nicht umgesetzt wird!

Das Interesse der Bundesregierung ist es, machtpolitisch in der Weltpolitik eine größere Rolle zu spielen.

Gerhard Schröder sprach am 11.10. im Bundestag: "Diese Etappe deutscher Nachkriegspolitik ... ist unwiederbringlich vorbei". "Ein weiter entwickeltes Selbstverständnis deutscher Außenpolitik" heißt "auch militärisch für Sicherheit zu sorgen."

Joschka Fischer sprach davon, dass "Anders als zu Zeiten des Kalten Krieges bedeutet Friedenspolitik in der einen Welt im 21. Jahrhundert internationale Ordnungspolitik." und "Das Militärische steht jetzt sehr stark im Vordergrund."

Rudolf Scharping: "Wir sind nicht im Krieg." Das hat uns Scharping schon einmal gesagt, und da war es schon einmal eine Lüge! Und weiter: "Wir wissen doch alle, dass zum Beispiel die weltwirtschaftliche Stabilität und die weltwirtschaftliche Sicherheit von dieser Region sehr stark beeinflusst werden können, von jener Region, in der 70 Prozent der Erdölreserven des Globus und 40 Prozent der Erdgasreserven des Globus liegen."

Das war alles Klartext. Hier ist eine Regierung dabei ihren weltpolitischen Aufstieg zu organisieren. Wir als Friedensbewegung wollen keine neue Weltmacht Deutschland!

Spätestens wenn die Zustimmung zu einer Regierung Krieg bedeutet, kann und darf man/frau dieser Regierung, z.B. in einer Vertrauensfrage, nicht mehr zustimmen. Wir wissen: Entweder für diese Regierung und für Krieg oder gegen diese Regierung und gegen Krieg. Also als Kriegsgegner/innen sind wir gegen Krieg und damit auch gegen diese Regierung und ihre Kriegspolitik.

Drei Kriege in drei Jahren rot-grün sind drei Kriege zu viel! Unsere Aufgabe als Friedensbewegung ist es deshalb, außerparlamentarische Opposition zu organisieren!

Es soll nun also das Kommando Spezialkräfte (KSK) der Bundeswehr eingesetzt werden, wahrscheinlich wie die us-amerikanischen Eliteeinheiten, die derzeit im Krieg in Afghanistan agieren.

Die Süddeutsche Zeitung schreibt: "Wenn aus der "Bereitstellung", die Schröder nach eigenem Eingeständnis zwar nicht definieren kann, aber vom Bundestag haben möchte, ein Einsatz werden sollte, wird es für 3.800 Heeres-, Marine- und Luftwaffenangehörige riskant. Für die 100 Kommandosoldaten aber wird es lebensgefährlich."

Der Noch-Kommandeur des Kommando Spezialkräfte, Brigadegeneral Reinhard Günzel, hat in einem eindrücklichen Interview mit "Spiegel-online" (kaum jemand bekommt sonst ein Interview mit dem KSK!) gesagt, er hielte eine Ergreifung Bin Ladens "ohne erhebliche eigene Verluste in Kauf zu nehmen, ... für so gut wie unmöglich". "Dies sei unter Spezialkräften Amerikas, Israels, Frankreichs und Großbritanniens weitgehend übereinstimmende Auffassung." Damit plauderte er aus, wer da gemeinsam plant. Er befürchte bei einem KSK-Einsatz in Afghanistan ein Blutbad.

Saubere Kommandounternehmen sind ein Mythos, sie sind nur eine weniger öffentliche Form der Kriegsführung. Blutig sind sie allemal. Sogenannte - auch gerne als Polizeiaktionen bezeichnete - Kommandounternehmen sind Krieg, übelster Krieg, und natürlich lehnen wir als Friedensbewegung auch und gerade Kommandounternehmen z.B. des Kommando Spezialkräfte ab.

Diese - so die Zeitung "Die Welt" - "Para-Kommando-Brigade für den Guerillakampf", die, Zitat "mit ihren Spezialwaffen hinter den feindlichen Linien abspringen, gegnerische Kommunikationsnetze zerstören oder militärische Hauptquartiere im Hinterland lahmlegen" soll, dieses KSK ist eine Kriegstruppe. "Das Agieren aus dem Hinterhalt sowie das Vorgehen nach Handstreichmanier" sei Aufgabe des KSK. Das KSK ist die Symboltruppe für die Entwicklung hin zu einer neuen Interventions-Bundeswehr.

Wir fordern statt dessen die Auflösung des Kommando Spezialkräfte, als ersten Schritt weg von einer Interventions-Bundeswehr! 450 KSK-Soldaten sind einsatzbereit, mehr als die Hälfte davon ist nicht mehr in der Calwer Kaserne sondern übt z.B. in Oman, Iran, Djibouti. Das KSK sei, so sagte mir ein ehemaliger KSK-Soldat vor einer Woche am Telefon, nicht geeignet für einen Einsatz in Afghanistan. Hans Arnold, ehemaliger Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Italien und den Niederlanden, schrieb mal, dass die "Aufstellung und Aufgabenstellung" der Krisenreaktionskräfte und insbesondere des Kommando Spezialkräfte "politisch, militärisch und unter ethischen Gesichtspunkten die Qualität einer zweiten Wiederbewaffnung" haben.

Wir lehnen diese neuerliche Wiederbewaffnung ab.
George W. Bush sprach zu Beginn von einem "Kreuzzug", davon, dass "Staaten ausgelöscht werden müssten", davon, dass der sogenannte Krieg gegen den Terrorismus ein langer Jahrzehnte dauernder Feldzug werde und von einem Kampf "Gut" gegen "Böse".

Gerhard Schröder sprach bezüglich der brutalen Anschläge in New York und Washington von einem "Angriff auf die zivilisierte Welt", was einschließt, dass alle die keinen Krieg führen angeblich unzivilisiert sind! Die Krönung war sein Begriff der "uneingeschränkten Solidarität". Uneingeschränkt solidarisch heißt "blind solidarisch".

Ich schlage vor, das Wort von der "uneingeschränkten Solidarität" zum Unwort des Jahres 2001 zu erklären!

Und wir haben eine gute Chance, die Grundstimmung in diesem Lande ist nicht für Krieg. Das Parlament repräsentiert - insbesondere auch in dieser Frage - nicht die Meinung der Bevölkerung. Wir müssen stärker werden als Friedensbewegung! Wir müssen mit unseren Informationen und Aktionen zu den Menschen!

Wir fordern:
 

  •  Eine Beendigung des brutalen Krieges in Afghanistan!
     
  •  Keine Beteiligung der Bundeswehr am Krieg in Afghanistan
     
  •  Keine Beteiligung der Bundeswehr an weiteren Kriegen
     
  •  Keine Beteiligung des Kommando Spezialkräfte an diesen Kriegen
     
  •  Statt dessen endlich eine Auflösung dieser Kriegstruppe Kommando Spezialkräfte

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Tobias Pflüger ist stellvertretender Vorsitzender der Partei Die Linke. 1996 war er einer der Initiatoren für die Gründung der Informationsstelle Militarisierung (IMI).