Arbeitsgruppe deutsch-sowjetische Friedenswoche

Den Frieden miteinander gestalten – das Überleben sichern

Die AG im Netzwerk Friedenskooperative arbeitet mit Hochdruck an der Vorbereitung der zweiten sowjetisch-deutschen Friedenswoche. Die 150 TeilnehmerInnen stehen zum größten Teil fest. Wer sich noch auf die Warteliste setzen lassen möchte, sollte möglichst schnell mit der Geschäftsführung beim CFD in Frankfurt Kontakt aufnehmen. FriedensForum wird über die Fahrt noch ausführlicher berichten. In dieser Ausgabe veröffentlichen wir die politischen Grundpositionen, die zu der Begegnungswoche in der AG verabschiedet wurden.

Wir sind Zeugen eines tiefgreifenden Umbruchs in Europa, der von Osteuropa ausgeht. Die Politik der Perestroika und die sozialen Bewegungen haben maßgeblichen Anteil daran. Die Krise der Länder Osteuropas darf nicht als "Sieg" des westlichen über das "östliche" System gewertet werden. Es geht auch um unsere Zukunft und die bei uns erforderlichen Veränderungen. Wir sollten in Ost und West voneinander lernen. Neuer Nationalismus bringt uns nicht weiter. In Westeuropa sind wir herausgefordert, uns in Mitverantwortung für ganz Europa und die indirekt mitbetroffenen Länder der sogenannten Dritten Welt dafür einzusetzen, daß Frieden miteinander gestaltet und das Überleben der Menschheit gesichert werden kann. Frieden ist mehr als die Überwindung der Institution Krieg. Zum Überleben der Menschheit sind auch soziale Gerechtigkeit und ein radikaler ökologisch ausgerichteter Umbau von Ökonomie und Gesellschaft notwendig.

Insbesondere brauchen die Menschen - auch vor dem Hintergrund der Geschichte unserer Völker - ein neues Verhältnis zueinander. Versöhnung ist möglich und nötig. Feindbilder und militärische Bedrohungen dürfen unsere Zeit nicht mehr prägen. Deshalb bemühen wir uns um persönliche Freundschaften und um Vereinbarungen zur weiteren Zusammenarbeit über die Grenzen hinweg mit den sowjetischen gastgebenden Gruppen.

Über lange Zeiten der deutsch-russischen Geschichte gab es Freundschaft zwischen den Völkern. Das ermutigt uns.

Im Jahre 1991 begehen wir den 50. Jahrestag des Überfalls auf die Sowjetunion (22. Juni 1941). Das wird Anlaß sein, neue Formen der Zusammenarbeit zu erproben. Die 1. bundesdeutsch-sowjetische Friedenswoche vom 25. - 30. Mai 1989 in der Bundesrepublik Deutschland hat erste direkte Begegnungen zwischen sowjetischen und bundesdeutschen "Volksdiplomatinnen“ und "Volksdiplomaten" aus Gruppen der Friedensbewegung ermöglicht. An der 2. sowjetisch-bundesdeutschen Friedenswoche vom 31.8. bis 8.9. 1990 in der Sowjetunion werden ca. 150 Menschen aus Friedensgruppen in der Bundesrepublik teilnehmen.

Erinnerung

Voraussetzung für die von uns erbetene neue Zusammenarbeit und Vertrauen ist, daß wir unsere Verantwortung für Fehler und Katastrophen in der jüngeren Geschichte weder verkleinern noch verdrängen. Erinnern wir uns daran, daß Deutsche am 22. Juni 1941 über die Sowjetunion hergefallen sind, um die Menschen dort zu versklaven und zu vernichten. Dessen möchten wir bei der Reise in die Sowjetunion an den Panzersperren vor Moskau gedenken. Bis dorthin sind die deutschen Truppen gegen den Widerstand der sowjetischen Verteidiger vorgestoßen. Heute sind wir in der Sowjetunion als Gäste eingeladen. Wir wissen, daß die Situation in Deutschland und in den beiden deutschen Staaten eine direkte Folge des Überfalls ist. Er hat Europa entzweit und gespalten. Auf beiden Seiten sind bis heute Ängste, Feindbilder und Mißtrauen geblieben. Wir wollen darüber im Einzelnen miteinander sprechen. Wir möchten die verbliebenen Ängste und Feindbilder entdecken und aufarbeiten.

Als Gruppen der Friedensbewegung erinnern wir uns auch an die Kriegsdienstverweigerer und die Soldaten, die während des Krieges gegen die Sowjetunion desertiert sind. Ihr von Menschlichkeit geprägtes Handeln ist durch die Geschichte gerechtfertigt.

Die Zukunft Europas

Wir möchten gewaltfrei inspirierte, grenzüberschreitende, von Rassismus und Nationalismus freie Kooperationsprozesse in ganz Europa anregen und unterstützen. Wir orientieren uns an der Vorstellung einer zivilen, nicht militärisch bestimmten Friedensordnung in Europa, jenseits der ehemaligen "Blöcke". Dazu gehören u.a. soziale Gerechtigkeit in Europa und für die Zweidrittel-Welt, eine Energiepolitik ohne Atomenergie, die Gleichberechtigung der Frauen und die Anerkennung des Rechtes auf Kriegsdienstverweigerung. Wichtig sind uns deshalb der Fortgang der Perestroika in der Sowjetunion und die Schaffung von politischen Institutionen im Sinne des KSZE-Entspannungsprozesses. Zum Zeichen unseres guten Willens möchten wir bei der Bewältigung der Folgen des Atomunglücks von Tschernobyl helfen.

Menschenrechte und Demokratie
Menschenrechte und Demokratie sind die Garanten dafür, daß in schwierigen Situationen tragfähige Lösungen gefunden werden können. Das hat sich auch bei den Umbrüchen in den Staaten Osteuropas erwiesen. Soziale Bewegungen für Frieden, Gerechtigkeit und Ökologie, in denen unsere Gruppen zuhause sind, unterstützen solche Prozesse. Das; ist heute nicht nur eine Aufgabe von europäischer, sondern auch von globaler Bedeutung. Indem die Konflikte zwischen West und Ost, zwischen Deutschen und Menschen in den Staaten Osteuropas ausgeräumt werden, gewinnen wir Kräfte, unsere gemeinsame Verantwortung für die sogenannte Dritte Welt .wahrzunehmen.

Abrüstung und Entwicklung

Der Versuch, mit immer mehr und besseren Waffen "Sicherheit" – zu schaffen, hat spiralenartig immer mehr Unsicherheit vor- und miteinander, Angst und Feindbilder bewirkt. Erst die Bereitschaft, der Gewalt abzusagen und deshalb Frieden mit politischen Mitteln herzustellen, hat Abrüstungsprozesse in Gangsetzten geholfen. Wir fordern nach dem INF-Vertrag von 1987 weitere Verträge über Null- Lösungen im Bereich der konventionellen, strategischen, der Bund C-Waffen. Außer den konventionellen Waffensystemen sind zur Unterstützung des Perestroika-Prozesses in der Sowjetunion auch die atomaren Kurzstreckenraketen in Westeuropa abzurüsten. Die von der NATO nach wie vor betriebene "Modernisierung" muß gestoppt werden, weil sie eine neue Aufrüstungswelle einleitet. Wir arbeiten gegen Rüstungsexporte und für Umwandlung von Rüstungsproduktion in zivile Produktion; Initiativen zur Rüstungskonversion möchten wir unterstützen. Die bei der Abrüstung eingesparten Gelder sollten für die friedliche Umgestaltung der Gesellschaft und für Programme in den von Hunger geplagten Ländern der "Zweidrittel-Welt" verwandt werden.

Bonn, 20.2.1990

Die 2. Sowjetisch-bundesdeutsche Friedenswoche ist ein Stück Friedensarbeit von unten.

Wir bitten um Hilfe, insbesondere um Spenden auf das Konto der Evangelischen Kreditgenossenschaft (BLZ 500 605 00), Nr. 4101030.

 

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