Den Friedensauftrag aus Art. 26 GG endlich einlösen!

von Martin SingeMani Stenner

Nach Bekanntwerden der aktiven Verstrickung von BND-Agenten in US-Kriegshandlungen während des Irakkriegs 2003 hatten wir (erneut) Anzeige wegen Beihilfe zum Angriffskrieg erstattet. Die skandalöse Antwort des Generalbundesanwalts wurde im Friedensforum dokumentiert (nur die Vorbereitung, nicht aber die Durchführung eines Angriffskrieges sei nach Rechtslage strafbar).

 

Da ist also offenbar der Gesetzgeber gefragt! Deshalb die folgende Petition, die kurzfristig von mehr als 100 Aktiven unterzeichnet wurde. Alle Abgeordneten haben sie erhalten. Wir warten auf Reaktionen. Der Brief im Wortlaut:

Appell zum Grundgesetztag

Sehr geehrte/r ... ,

aus Anlass des Grundgesetztages am 23. Mai appellieren wir an alle Abgeordneten des Deutschen Bundestages - zugleich formell als Petition an den Deutschen Bundestag -, den Gesetzgebungs-Auftrag aus Artikel 26 Grundgesetz endlich umzusetzen. Der Grundgesetzartikel 26 legt im Kontext mit Artikel 24 und 25 sowie der Präambel des Grundgesetzes die Friedensverpflichtung der Bundesrepublik Deutschland fest. Artikel 26 Grundgesetz fordert explizit, alle friedensstörenden Handlungen, insbesondere die Führung eines Angriffskrieges, unter Strafe zu stellen.

Inzwischen hat sich die Bundesrepublik Deutschland 1999 an einem völkerrechtswidrigen Angriffskrieg gegen die damalige Bundesrepublik Jugoslawien beteiligt. 2003 war die Bundesrepublik Deutschland an dem auch vom UN-Generalsekretär Kofi Annan als völkerrechtswidrig gekennzeichneten Angriffskrieg einer alliierten Koalition u. a. mit Gewährung von kriegsrelevanten Überflugrechten und kriegsunterstützenden Aktivitäten von BND-Mitarbeitern beteiligt. Solche Handlungen werden vom Grundgesetz in Artikel 26 als verfassungswidrig gekennzeichnet.

Mitglieder aus der Friedensbewegung, die in diesen Kontexten Strafanzeigen gegen verantwortliche Mitglieder der jeweiligen Bundesregierungen gestellt hatten, wurden seitens des Generalbundesanwaltes dahingehend belehrt, dass der Strafgesetzbuch-Paragraph 80 zum Verbot der Vorbereitung eines Angriffskrieges nicht hinreichend sei, um Ermittlungen einleiten zu können. Zum einen verwies der Generalbundesanwalt darauf, dass§80 StGB lediglich die Strafbarkeit der Vorbereitung (also nicht der Führung!) eines Angriffskrieges umfasse (3 ARP 8/06-J). Diese Interpretation steht in offenem Widerspruch z.B. zu den Ausführungen des Bundesverwaltungsgerichts zur Gehorsamsverweigerung eines deutschen Soldaten im Irak-Krieg (BVerwG 2 WO 12.04). Zum anderen wurde bemerkt, dass Artikel 26 Grundgesetz zwar ein umfassendes Friedensgebot enthalte, §80 StGB jedoch keine dementsprechend umfassenden Sanktionen vorsehe. Man habe sich 1968 im Strafrechtsausschuss nur auf eine Teilumsetzung des Artikels 26 Grundgesetz einigen können. Der Generalbundesanwalt führte aus (3 ARP 84/03-3): ,,Bei den Beratungen wurde deutlich, dass die Durchführung des verfassungsrechtlichen Gesetzgebungsauftrages erhebliche Schwierigkeiten bereitete und dass deshalb eine vollständige Umsetzung nicht in Betracht kam (vgl. BT-Drucks. V/2860)."

Es ist nun - angesichts möglicherweise neuer bevorstehender Kriege - an der Zeit, endlich den Gesetzgebungsauftrag aus Artikel 26 Grundgesetz zu erfüllen und den Anforderungen in vollem Umfange nachzukommen. Deshalb richten wir zum Grundgesetztag 2006 diesen Appell an den Deutschen. Bundestag! Alle friedensstörenden Handlungen müssen als verfassungswidrige Handlungen unter Strafe gestellt werden. Wir verstehen das Strafrecht in diesem Bereich als Ausdruck einer dem Frieden in der Welt dienenden verantwortlichen Politik, die verbindlich, klar und eindeutig Grenzmarkierungen aufzeigt, um die Friedensstaatlichkeit der Bundesrepublik Deutschland zu gewährleisten. Statt einer Neudefinition des Verteidigungsfalles oder der Kriegslegitimation angeblich völkerrechtsgewohnheitsmäßig auf dem Vormarsch befindlicher „präventiver, humanitärer Angriffskriegsberechtigungen" bedarf es einer Rückbesinnung auf die Friedensstaatlichkeit des Grundgesetzes!

Freundliche Grüße

 

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Martin Singe ist Redakteur des FriedensForums und aktiv im Sprecher*innenteam der Kampagne "Büchel ist überall! atomwaffenfrei.jetzt".