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"Den Krieg überleben" - Stand und Ausblick
vonSeit Dezember konnte die Initiative Den Krieg überleben mehr als 1.500 Flüchtlinge an deutsche Gastfamilien und Kirchengemeinden vermitteln: Damit haben wir gezeigt, daß es entgegen anderslautender Informationen durchaus möglich ist, Menschen auch aus Bosnien herauszuholen.
Zur Situation in der ''serbischen Republik"
Die meisten dieser Flüchtlinge stammen aus der sog. "serbischen Republik Bosnien", dem serbisch beherrschten Bosnien. Die Verbrechen an der muslimischen Bevölkerung geschehen hier weitgehend unbeachtet von der internationalen Öffentlichkeit. Obwohl in der "serbischen Republik" die "ethnische Säuberung" keineswegs abgeschlossen ist - nach wie vor leben dort größere Gruppen von Muslimen und Kroaten - ist diese Region für die Medien bisher ein blinder Fleck. Auch das UNHCR (UN-Flüchtlingskomissariat) hat vor einigen Monaten die Regionalstelle in Banja Luka weitgehend geräumt und ist nur noch durch serbisches (!) Personal vertreten. Ab Juni ist erneut eine internationale Besetzung geplant, ob es dazu kommen wird, ist unklar. Von einer wirklichen Kontroll- oder auch nur Beobachterfunktion kann jedoch ohnehin nicht gesprochen werden, da der Bewegungsspielraum des UNHCR durch zahlreiche mehr oder minder autonome serbische Miliz-Kontrollpunkte stark eingeschränkt ist. Unter der muslimischen Bevölkerung herrscht blanke Angst:
Angst vor körperlichen Mißhandlungen (besonders gegen muslimische Männer, die sich weigern, in der serbischen Armee zu kämpfen), Angst vor Vergewaltigung, Ermordung, Massakern. Die Gewaltakte gegen die MuslimInnen häufen sich deutlich, vieles erinnert an die Situation im letzten Sommer. Arbeitsverbot und Ausgangssperre bestimmen den Alltag. Strom gibt es für die Muslime allenfalls noch stundenweise, Telefon häufig nur noch über serbische Freunde. Da aber Serben, die Kontakt mit Muslimen unterhalten, ebenso gefährdet sind, reißen auch die letzten Kontakte zwischen den ethnischen Gruppen ab. Die Moscheen werden dem Erdboden gleichgemacht, ebenso wie die Häuser, die von den MuslimInnen verlassen wurden und von der serbischen Verwaltung nicht benötigt werden. Bei Ausreise müssen die mulimischen Flüchtlinge die Übertragung ihres Besitzes an die Serben schriftlich erklären. All diese Maßnahmen dienen dazu, den Musliminnen einen Verbleib bzw. eine Rückkehr in ihre Heimatregion unmöglich zu machen; jegliche Spuren muslimischer Existenz werden ausgelöscht.
Die Verhandlungen über eine Dreiteilung (de-facto-Zweiteilung) BosnienHerzegowinas zwischen Kroaten und Serben und das Abrücken der westlichen Staaten vom Vance-Owen-Plan haben endgültig den letzten Hoffnungsschimmer auf eine Lebensperspektive der Muslime in Bosnien zerstört. Die düstere Prognose von den bosnischen Muslimlnnen als dem "neuen palästinensischem Volk" wird immer realistischer. Letzte Woche traf in unserem Transfer-Lager in Zagreb eine muslimische Familie aus Mostar ein, die zum zweiten Mal vertrieben wurde: Das erste Mal floh die Familie vor den serbischen Agressoren nach Kroatien, kehrte nach der "Befreiung" durch kroatisch-muslimische Truppen zurück und ist jetzt zum zweiten Mal - diesmal durch das kroatische Militär (HVO) - vertrieben worden.
Muslimische Flüchtlinge in Kroatien
Die Kämpfe zwischen kroatischen und muslimischen Truppen in Bosnien zeigen ihre Wirkung auch in Kroatien. Dort breitet sich zunehmend eine Progromstimmung gegen Muslime aus. Die Stimmung wird angeheizt durch die Ankunft kroatischer Flüchtlinge, die vor den Muslimen in Bosnien fliehen. Jetzt schon sind Attacken auf muslimische Flüchtlinge an der Tagesordnung. Die Umsiedelungsaktionen von muslimischen Flüchtlingen aus Dalmatien in Lager im Norden Kroatiens ab Mitte Juni sind nur die Vorboten einer kroatischen Politik, die sich über kurz oder lang der muslimischen Flüchtlinge entledigen will.
Umso dringender wird die schnelle Hilfe durch private Aufnahme: Es darf kein Sommerloch für die Flüchtlinge geben! Mehr als 1.500 Flüchtlinge stehen immer noch auf unseren Listen. Davon halten sich bereits 300 als illegale Flüchtlinge in Kroatien - darunter viele Kriegsdienstverweigerer - auf, die nur solange Schutz vor Rückschiebung ins serbisch beherrschte Bosnien genießen, wie die Initiative Den Krieg überleben den kroatischen Behörden eine schnellstmögliche Ausreise nach Deutschland zusichert.
Erfahrungen in Gastfamilien
Die soziale Integration der bereits hier lebenden Flüchtlinge läuft Dank des großen Engagements ihrer Gastfamilien in den meisten Fällen hervorragend: Die bosnischen Gäste besuchen Deutschkurse, viele haben bereits Arbeit gefunden, einige auch Wohnungen, Kinder besuchen die Schule. Probleme bereitet den Flüchtlingen der unsichere Aufenthaltstatus: Die Duldung garantiert ihnen nur einen Abschiebestop bis Ende September. Aus Furcht vor diesem immer näher rückenden Termin stürzen sich nicht wenige unserer Flüchtlinge ins Asylverfahren, obwohl keinerlei Aussicht auf Anerkennung besteht und dies meist mit Unterbringung in einer Sammelunterkunft und "Zwangsverschickung" verbunden ist. Ein Bleiberecht für die Flüchtlinge ist überfällig.
Bürokratische Hürden bei der Aufnahme
Die größten Probleme bei der Aufnahme bereitet das Einladungsverfahren. Viele Gastfamilien müssen ihre Bereitschaft zur Aufnahme zurückziehen, da in immer mehr Kommunen zeitlich unbefristete Verpflichtungserklärungen als Voraussetzung für das Einreisevisum verlangt werden. Die Drohung, für die bosnischen Gäste auf unbekannte Zeit Unterkunft und Unterhalt sicherstellen zu müssen, verfehlt nicht seine abschreckende Wirkung. Im Fall unbefristeter Einladung bewährt sich immer mehr das Konzept von Gastfamilien, Unterstützerkreise zu gewinnen und so die Verantwortung zu teilen. Insbesondere Kirchengemeinden erfüllen wichtige Funktionen durch Koordination von Gastfamilien, Bereitstellung von Räumlichkeiten, Einrichtung von Spendenkonten, etc. Hier ist sicherlich auch noch ein großes ungenutztes Potential zur Aufnahme zu mobilisieren.
Darüber hinaus müssen wir unsere Forderungen nach Erleichterungen für die Einreise von Flüchtlingen vehementer vorbringen:
An die Kommunen:
* Abschaffung der zeitlich unbefristeten Verpflichtungserklärungen
* Übernahme der Kosten bis zu einer Regelung auf höherer Ebene
* Bereitstellung von städtischen Räumlichkeiten für die schnelle Unterbringung von Flüchtlingen, insbes. für größere Familien
An Bund und Länder:
* Abschaffung des Visumszwangs
* Übernahme der Kosten für den Aufenthalt
* Schaffung eines Bleiberechts
Weitere Informationen: Initiative Den Krieg überleben, Römerstr. 88, 5300 Bonn 1, Spendenkonto: Förderverein Frieden, Kennwort: "Den Krieg überleben" Kto.-Nr. 43.117, Sparkasse Bonn (BLZ 380 500 00)