Der Eurofighter donnert zum Streit um nukleare Teilhabe

Hintergrund
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Ende Juli 2006 nahm die Bundeswehr die ersten Eurofighter in Dienst. Die Umrüstung auf das „modernste fliegende Waffensystem" hat begonnen. Doch wir Friedensbewegte, die wir einst gegen dessen Entwicklung protestiert haben, können in einem wichtigen Punkt zufrieden sein: atomwaffenfähig ist der Donnervogel nicht.

Wenn die Tornados ausgemustert und durch Eurofighter ersetzt werden, dann ist die nukleare technische Teilhabe beendet. Die Bundeswehr besitzt dann kein Trägersystem mehr, das Atomwaffen ins Ziel tragen kann. Das wird aber noch eine Weile dauern. Die Außerdienststellunq der letzten Tornados ist für nach 2020 geplant.

Um das Ende der technischen nuklearen Teilhabe ist mit dem Weißbuchentwurf in der großen Koalition ein Streit entbrannt, denn Verteidigungsminister Jung will auch „in Zukunft die deutsche Teilhabe an den nuklearen Aufgaben der NATO", einschließlich der Bereitstellunq von Träqermitteln.

Bürgermeister kritisieren gemeinsam das Weißbuch

In diesen Streit haben sich mit einer gemeinsamen Erklärung die·Bürgermeister von Mutlanqen (CDU) und Schwäbisch Gmünd (SPD) eingemischt. ,,Mit Sorge" betrachten sie, dass die .nukleare Teilhabe Deutschlands unbefristet fortgesetzt werden soll". Sie forderten zu den Hiroshima- und Nagasaki-Gedenktagen „die Stationierunq von Atomwaffen in Deutschland nicht länger zu dulden, keine Trägermittel für Atomwaffen zur Verfügung zu stellen und Bundeswehrsoldaten Atomwaffeneinsätze üben zu lassen. Deutschland muss seine nukleare Teilhabe·aufgeben und atomwaffenfrei werden."

Um auf dieses Ziel hinzuarbeiten, starteten wir von der Pressehütte Mutlangen eine Reihe von Treffen mit politischen Entscheidungsträgern. Bürgermeister Peter Seyfried kam mit dem CDU-Bundestagsabgeordneten Norbert Barthle zu uns in die Pressehütte.

CDU-Abgeordneter fordert mehr Abrüstung
Barthle meinte, dass das Weißbuch die Strategie der Bundeswehr auch von der der USA abgrenzen solle, nicht in Opposition aber mit einer anderen Schwerpunktsetzung. Er wünsche sich einen eigenständigeren Ansatz als die sicherheitspolitischen Experten der CDU, die sich zu stark an den Leitlinien der USA orientierten.

Erstellte nun einen Alternativentwurf für die Atomwaffenfrage in der Union zur Diskussion. Er betonte darin eindeutig die Abrüstungsverpflichtung, aber forderte leider nicht das eindeutige Ende der nuklearen Teilhabe, ,,völkerrechtlich verbindliche, unumkehrbare Abrüstunqsverträge ermöglichen in Zukunft die Reduzierung der deutschen Teilhabe an den nuklearen Aufgaben".

SPD will Abrüstungsimpulse setzen
Mit SPD-Politikern haben wir die Gespräche fortgesetzt. Den verteidigungspolitischen Sprecher der SPD, Rainer Arnold, besuchten wir zusammen mit dem IPPNW-Mitglied Erwin Müller und Tobias Bollinger aus unserer Jugenddelegation in Nürtingen. Er erläuterte uns, dass es bereits einen Alternativentwurf aus dem Auswärtigen Amt gebe. Die SPD wolle einen stärkeren Schwerpunkt bei Abrüstung, Rüstungskontrolle und Nichtverbreitung von ABC-Waffen setzen. Deutsche Atombomber soll es nicht mehr lan¬ge geben, doch die politische nukleare Teilhabe soll fortgesetzt werden, man wolle weiter in der nuklearen Planungsgruppe mitarbeiten. Auch bestehe das Interesse, dass die Amerikaner in Deutschland stationiert bleiben, ,,deshalb ist es schwierig, sie aufzufordern ihre Atomwaffen abzuziehen", erklärte Rainer Arnold. Er berichtete, dass die SPD berate; wie Deutschland 2007 während der EU- und G8-Präsidentschaft die Atomwaffenfrage auf die Tagesordnung setzen kann.

Die Chance nutzen
Wenri der Verteidigungsminister weiterhin deutsche Atombomber will, dann hätte dies in den Beschaffungsplänen schon seinen Niederschlag finden müssen. Dies ist glücklicherweise bisher nicht der Fall. Das Donnern der ersten Eurofighter ist beileibe kein .Abrüstungsschritt und keine Friedensmelodie. Es könnte aber der Auftakt für ein atomwaffenfreies Deutschland werden. Die Gelegenheit ist günstig, denn alle Oppositionsparteien haben Anträge auf Abzug der Atomwaffen gestellt. Doch bisher handeln sie nicht gemeinsam. Bereits in der letzten Legislaturperiode vor der Überprüfungskonferenz des nuklearen Nichtverbreitungsvertrages hat die FDP den Antrag „Glaubwürdigkeit des nuklearen Nichtverbreitungsregimes stärken – US-Nuklearwaffen aus Deutschland abziehen" in den Bundestag eingebracht. Wegen der Neuwahlen blieb er im Ausschuss stecken.

Im neuen Bundestag preschte die Linksfraktion vor, sie legten im Januar eine kleine Anfrage und einen Antrag zum „Abzug der Atomwaffen aus Deutschland" vor. Vertan wurde damit die Chance auf einen interfraktionellen Antrag. Die Grünen leg¬ten im März nach mit einem eigenen Antrag . „Abrüstung der taktischen Atomwaffen vorantreiben - US-Atomwaffen aus Deutschland und Europa vollständig abziehen". Die Anträge wurden am 10. März im Plenum eingebracht und in den Auswärtigen Ausschuss, den Rechts-und den Verteidigungsausschuss überwiesen.

Die Bundesregierung gab auf die 28 Fragen der Linksfraktion keine Auskunft über mögliche Lagerorte und mögliche Transporte nuklearer Waffen. Die Standardantwort lautete „Nein", wie zu Zeiten des Kalten Krieges, ,,entsprechend den un¬verändert gültigen Geheimhaltungsregelungen des Bündnisses".

Doch durch Friedensforscher ist die Situation bekannt. Aus freigegebenen Militärdokumenten, Militärzeitschriften und Satellitenfotos kommen sie zu dem Schluss, dass in Europa noch 450 Atom-sprengköpfe der USA lagern. In Deutschland sind es noch 150 in Ramstein bei Kaiserslautern und Büchel in der Eifel. Die 20 Atombomben in Büchel würden im Ernstfall von deutschen Bundeswehrpiloten mit Tornados abgeworfen. Von EUCOM (European Command) in Stuttgart-Vaihingen würde der Abwurf der europäischen US-Atomwaffen koordiniert.

Das Völkerrecht verlangt die vollständige Abschaffung der Atomwaffen
Bernd Hahnfeld, Richter i.R; Mitglied der International Association of Lawyers Against Nuclear Arms (IALANA), kommt zu dem Schluss: ,,Deutsche Politiker tun etwas, was verboten ist." Sie dürften einer Stationierung von Atomwaffen weder zustimmen noch sie dulden und schon gar nicht deutschen Soldaten den Atomwaffeneinsatz üben lassen.

Er verweist auf den Internationalen Gerichtshof in Den Haag (IGH). Dieser habe am 8.7.1996 unzweideutig festgestellt: ,,… die Androhung und der Einsatz von Atomwaffe n verstößt generell/ grundsätzlich gegen die Prinzipien und Regeln des humanitären Kriegsvölkerrechts.“ Daraus folgert er: ,,Wenn der Einsatz und die Drohung mit dem. Einsatz. rechtswidrig sind, sind auch Herstellung, Transport und Stationierunq dieser Atomwaffen nicht zu rechtfertigen. Denn all das dient der Vorbereitung des Einsatzes und der Drohung damit."

Das Weißbuch schafft keine Klarheit
Im Weißbuch, das. dieser Tage nun veröffentlicht wurde, hat die Koalition nun Kompromissformulierungen gefunden, die keine konkrete. Festlegung bringen, weder über die Anschaffung neuer nuklearer Träqersysteme noch über das Ende der nuklearen Teilhabe. Es wird festgestellt: ,,Die Mitgliedstaaten der NATO haben seit Anfang der 90er Jahre die Anzahl der substrategischen Nuklearwaffen in Europa um mehr als 85 Prozent reduziert. Sie werden auf einem Mindestniveau gehalten, das zur Wahrung von Frieden und Stabilität ausreicht." Die Atomwaffen werden gerechtfertigt, weil ,,für die überschaubare Zukunft eine glaubhafte Abschreckungsfähigkeit des Bündnisses neben konventionellen weiterhin auch nukleare Mittel" brauche. Gleichzeitig hält die Bundesregierung „an dem Ziel der weltweiten Abschaffung aller Massenvernichtungswaffen fest", und betont. dass Deutschland völkerrechtlich verbind¬lich auf diese verzichtet habe. Dennoch b Leibt es vorerst dabei, dass deutsche Bundeswehrpiloten den Atombombenabwurf üben.

Die im Weißbuch festgelegte Fortsetzung der nuklearen Abschreckungspolitik findet in der Bevölkerung keine Mehrheit. 89 % verlangen einen sofortigen Abzug aller Atomwaffen aus dem Bundesgebiet.

Das Donnern des Eurofighters symbolisiert das Spannungsfeld des Weißbuches. Einerseits die Auf- und Umrüstung der Bundeswehr für weltweite Militäreinsätze, andererseits die Chancen auf nukleare Abrüstung. Soll das Pendel in Richtung Abrüstung ausschlagen, muss die Friedensbewegung sich deutlich und vernehmbar artikulieren. Der Trägerkreis „Atomwaffen abschaffen - bei uns anfangen!" wird gemeinsam mit den Mayors for Peace für dieses Ziel eintreten. Bis zur nächsten Überprüfungskonferenz des Atomwaffensperrvertrages 2010 soll Deutschland atomwaffenfrei sein und dies im Grundgesetz festschreiben oder durch Schaffung einer atomwaffenfreien Zone in Europa völkerrechtlich verbindlich machen. Eine gemeinsame Druckkampagne hierzu wird geplant.

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