Anläßlich der Verleihung der Aachener Friedenspreises an die "Frauen in Schwarz" sprach Magdalena Hefez. Hier ihre Rede in Auszügen:

"Der Frieden ist das wahre, nationale Interesse Israels"

von Magdalena Hefez

Es ist uns bewußt, daß unsere Wahl Ihnen nicht leicht gemacht wurde, daß man Ihnen vorgeworfen hat, Sie unterstützen damit eine israel­feindliche Gruppe, Und es ist uns bewußt, was das für Sie heute in Deutschland bedeutet. Auch uns im Land wird oft vorgeworfen, Feinde Israels zu sein. Wer wirft uns das vor? Sind etwa diejenigen, die in ihre Politik die kommenden Kriege mit einbauen, die richtigen Vertreter der israelischen Gesellschaft? Mit welchem Recht behaupten sie, daß gerade sie Israel, d.h. uns vertreten?

Sie sagen, wir stünden außerhalb des Konsensus. Was ist aber dieser Konsen­sus? Besagt er, daß die Politik der Be­setzung, deren Konsequenz ein andau­ernder Kriegszustand mit unseren Nachbarn ist, unser wahres Interesse ist? Dabei ist der israelische Konsensus, der die sogenannte nationale Einheit über alles stellte, schon lange, spätestens im Libanonkrieg 1982, gebrochen. Und die israelische Gesellschaft ist heute eine gespaltene Gesellschaft.

Diese Leute, die die Regierungspolitik unterstützen, wollen die Besetzung von fremdem Land verewigen. Dies aber bedeutet einen andauernden Krieg.

Für uns dagegen ist der Frieden nicht nur der höchste Wert, sondern auch das wahre, ja nationale Interesse Israels. Und für diesen Frieden stehen wir auf der Straße, und diesen Frieden unter­stützen auch Sie mit unserer Auszeich­nung durch den Aachener Friedenspreis.

Mit unseren wöchentlichen Mahnwa­chen wollen wir die israelische Öffent­lichkeit auf die andauernde Okkupation aufmerksam machen. In der 24-jährigen Besetzung von Land und Herrschaft über Menschen, die uns dort nicht haben wollen, sehen wir einen der Haupthin­dernisse auf dem Weg zum Frieden in unserer Region. Darüber hinaus sehen wir Tag für Tag, wie dieser Zustand uns, die israelische Gesellschaft, immer wei­ter ruiniert. Wie Werte, die uns teuer waren und immer noch sind, ihren Platz frei machen für andere Werte, in denen wir eine Gefahr für die weitere Exi­stenz unserer demokratischen Gesellschaft und unseres Landes sehen. Mit dieser Einsicht stehen wir nicht alleine da. Diese Einsicht teilt die Hälfte der is­raelischen Bevölkerung mit uns; auch wenn viele nicht die Notwendigkeit ein­sehen, für ihre Überzeugung auf die Straße zu gehen.

Und wer sind wir, die Frauen in Schwarz?

Wir sind ein Teil dieser Hälfte, die den Weg sucht, aus dieser verheerenden Situation herauszukom­men. Somit sind wir ein Teil der israeli­schen Friedensbewegung.

Wir sind Frauen aus den unterschied­lichsten Ecken der israelischen Gesell­schaft. Feministinnen und Nicht-Femi­nistinnen, religiöse und nichtreligiöse Frauen, Frauen aus unterschiedlichen sozialen Schichten, Frauen aller Alters­gruppen, Frauen aus den verschieden­sten Ursprungsländern. Wir sind jdi­sche und arabisch-palästinensische Is­raelinnen. Frauen mit sozialen, akade­mischen und künstlerischen Berufen. Und was wollen wir?

Ich will Ihnen aus unserer Erklärung vom Mai 1990 vorlesen: Wir, "Frauen in Schwarz", Bürgerinnen des Staates Israel, stehen seit Beginn der Intifada Woche fr Woche in der Mahnwache. Dieser andauernde Protest wuchs aus dem Inneren der israelischen Ge­sellschaft, bewegt durch das Bedürfnis, unseren aktiven Widerstand und unsere Empörung gegen die Fortsetzung der Okkupation zum Ausdruck zu bringen. Die schwarze Kleidung symbolisiert die Trauer ber die Opfer beider Völker, des israelischen und des palästinensisch­en Volkes. Wir protestieren gegen die Okkupation und die Formen, in denen sie zum Ausdruck kommt:

Häusersprengungen, Ausweisung von Menschen aus dem Land, administrative Haft, kollektive Strafen, langandauernde Ausgangssperren, Tötung und Blutver­gießen. Wir haben genug von der Selbstverständlichkeit der Brutalität, der Gewalt, des Stumpfsinnes und der mo­ralischen Abnutzung in der Gesellschaft und von dem hohen wirtschaftlichen Preis, den jede von uns zu zahlen hat. Wir sind Frauen mit verschiedenen po­litischen Ansichten; doch der Aufruf "Stoppt die Okkupation" vereint uns. Wir verlangen von unserer Regierung, sofort und unverzüglich Friedensver­handlungen aufzunehmen.

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Teil der "Frauen in Schwarz"