Der Kampf um Öl und Macht: Ist der Iran als Nächster dran?

von Murray Polner

Ich fing damit an, einen "Don`t Bomb Iran" Button auf meinem Revers zu tragen, als die Zahl der im Krieg gegen den Irak getöteten Amerikaner auf über 1.400 und die der Verletzten auf rund 10.000 anstieg, zuzüglich Zehntausende ungezählte irakische Zivilisten.

W.H. Auden fragte unvergesslich und schmerzhaft in seinem "Nachruf auf einen unbekannten Soldaten":

"Um Eure Welt zu retten, habt ihr diesen Mann zum Tode verurteilt; würde dieser Mann nach den Grund fragen, wenn er Euch jetzt sehen könnte?"

Während die Listen der Opfer und ihrer trauernden Familien täglich wachsen, muss man sich wundern, warum die gleichen Falken, die den Krieg vorbereiteten und deshalb verantwortlich für das folgende Gemetzel und Elend sind, weiterhin ihren Einfluss im Weißen Haus und im Pentagon aufrechterhalten können und nun proaktiv noch einen weiteren Krieg fördern dürfen, dieses Mal gegen den Iran, ein größeres Land mit einer größeren Bevölkerung und mit einem viel höher entwickelten Militär als Saddam es je hatte.

Die konventionelle Begründung lautet, dass der Iran entweder schon Nuklearwaffen besitzt oder deren Herstellung plant - eine Denkweise, die unter dem Deckmantel eines falschen Kreuzzuges für Freiheit und Demokratie ein imperialistisches Vorhaben verbirgt.

Die Wahrheit ist, genauso wie beim Irak und seinen nichtexistierenden Massenvernichtungswaffen und nicht vorhandenen Verbindungen zum 11. September, dass es keine Beweise gibt, außer von anonymen Exiliranern, "eine freiwillige Quelle ... den amerikanischen Geheimdiensten bis dahin unbekannt," berichtete die Washington Post. Klingt irgendwie vertraut, oder?

Die Internationale Atombehörde (IAEA = International Atomic Energy Agency), die regelmäßig iranische Anlagen überprüft, hat bisher keine iranischen Nuklearwaffen entdeckt. Selbst wenn am Ende doch welche gefunden werden sollten, ist es schwer vorstellbar, dass Teheran einen atomaren Vergeltungsschlag riskieren würde, es sei denn als eine letzte, verzweifelte Verteidigungsmaßnahme.

Wir wissen sicher, dass der Iran die Fähigkeit hat, angereichertes Uran zu produzieren, welches für Waffen oder zu zivilen Zwecken eingesetzt werden kann, diese Aktivitäten aber im letzten Oktober durch Teheran, dank der überzeugenden Unterhändler aus Großbritannien, Frankreich und Deutschland, vorübergehend eingestellt wurden. Die Europäer versuchen jetzt mit widerwilliger US-Unterstützung, den Iran davon zu überzeugen, dass er sämtliche Pläne für den Bau der Atombombe für immer einstellt und dafür konkrete Garantien für mehr Handel und Sicherheit erhält.

Wieso gibt es diese plötzliche Besessenheit mit dem Iran, während das jetzige Missgeschick der Falken im Irak - wie der scharfsinnige Militärhistoriker an der Hebrew University, Martin Van Creveld, prognostizierte - "fast sicher so enden wird, wie das letzte [Vietnam]: die letzten US-Truppen verlassen, von den Kufen der Hubschrauber hängend, das Land fluchtartig".

Die Antwort lautet: Öl und Macht
Im Januar 2004 berichtete das Oil and Gas Journal, dass der Iran ca. 10% der gesamten Vorräte der Welt besäße, nachdem dort neue Ölfelder entdeckt worden waren. Die meisten der Ölquellen befinden sich in gigantischen Onshore-Feldern in der südwestlichen Region Khuzestan in der Nähe zum Irak und dem Persischen Golf. Aber es wäre naiv, zu glauben, dass das amerikanische Interesse am Iran nur den Ölreserven gilt.

Michael Klare vom Hampshire College, ein Spezialist für Ressourcenkonflikte, berichtete Ritt Goldstein, einem amerikanischen politischen Journalisten in Schweden, dass "es allein um die Macht geht" und "das Öl am Persischen Golf der wichtigste geopolitische Brennpunkt für die Macht in der Welt ist". Diese Fähigkeit definierte er selber als "die Entscheidungsmacht über die Verteilung des Öls aus dem Persischen Golf zu haben." John Pike von Global Security, einem Think-Tank aus dem Washingtoner Umfeld war der gleichen Meinung: "Es geht nur am Rande um die Kontrolle über das Öl, es geht um die Kontrolle über alles ... Macht." Es ist also kein Wunder, dass das U.S.-Militär den Persischen Golf eingekreist hat, und dass Truppen in ganz Zentralasien und in Teilen des Kaukasus stationiert sind.

Das Problem für amerikanische Kriegsplaner besteht darin, dass sie in der Zwickmühle sind. Jeder Luft- oder Landangriff wird auf heftigen iranischen Widerstand treffen (und erneute und noch größere Antikriegsdemonstrationen in den USA hervorrufen, die fragen oder besser noch verlangen werden, dass keine weiteren GIs in Ausführung der oberflächlichen und geistlosen Politik von Bush und Cheney sterben), untermauert durch einen uralten Sinn für Nationalismus, nicht zu vergessen die Titulierung des Landes als ein Teil der "Achse des Bösen" durch Präsident Bush. Außerdem gibt es historische Erinnerungen an die Rolle der USA bzw. Großbritanniens bei der Absetzung des demokratisch gewählten Mohammed Mossadegh in 1953 und seine Auswechslung durch den autoritären Schah.

Kaveh L. Afrasiabi, Dozent für Politologie an der Universität von Teheran, dessen Buch "After Khomeini" in den USA durch Westview Press veröffentlicht wurde, behauptet, dass iranische Befürworter des Atomwaffenbaus eine "Minderheit" sind und dass es einen allgemeinen "Konsens der Elite" gegen Atomwaffen gibt.

Immerhin warnt er, dass kein Angriff gegen den Iran einfach sein wird. Das iranische Militär, schrieb er in der "Asia Times", hat seine Lektion aus dem Irakkrieg 2003 und dem erbitterten acht Jahre dauernden Krieg gegen den Irak in den achtziger Jahren gelernt. Er behauptet, dass "Selbstmordattentäter-Zentren" mehr als 25.000 Freiwillige rekrutiert haben. Es werde Gegenangriffe mit Raketen auf alle US-Stützpunkte geben und gegen alle Länder, die sich mit den Invasoren verbünden. Der Iran kann sich außerdem auf ziemlich genaue Langstreckenraketen wie Shahab-3 und Fateh-110 verlassen, die "Ziele in Tel Aviv treffen" können, wie Irans Außenminister Kemal Kharrazi warnte.

Warum lässt man dann nicht Israel angreifen, wie im Jahre 1981, als Saddams Atomreaktor in Ostirak zerstört wurde? Die Situation ist jetzt aber sehr viel komplexer, weil die Iraner ihre Raketenstützpunkte viel weiter und auch in bewohnten Gebieten verteilt haben. Sie behaupten außerdem, dass sie Vergeltungsschläge führen könnten.

Wenn George Bush sich wieder für den Krieg entscheidet, werden unwillige und einfallslose Wehrpflichtige die im Irak-Krieg erschöpften Mannschaften ersetzen müssen, wodurch Opferlisten wieder anschwellen werden, eine Tatsache, die die in Washington klösterlich eingeschlossenen Falken mit ihren Dominanzträumen für die persische Golfregion kaum wahrnehmen. Die sichere Folge wird eine Reihe von Aufständen auf den Universitätsgeländen und auch in den Vororten und sogar in elitären neokonservativen Haushalten sein, die nicht gewillt sind, ihren eigenen Nachwuchs in den Krieg zu schicken.

Amerikaner, die die falschen Massenvernichtungswaffenargumente für den Einmarsch in den Irak akzeptierten, sollten den Worten von Gary Sick, der als Iranspezialist in Jimmy Carters Nationalem Sicherheitsrat diente, Beachtung schenken, als er dem Redakteur des Middle East Reports sagte: "Falls Sie Irak mögen, werden Sie Iran lieben."

Murray Polner, der seinen Militärdienst ableistete, ist der Autor von "No Victory Parades: The Return of the Vietnam Veteran" (Keine Siegesparaden - Die Rückkehr des Vietnamveteranen) und veröffentlicht oft in elektronischen und Print-Medien. Dieser Artikel erschien zuerst in Historynewsnetwork.org.

Quelle: http://www.jewishpeacefellowship.org/

Übersetzung: Douglas Bambrick

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