Eine lange Geschichte:

Der militärisch-industrielle Komplex in den USA

von Detlev Beine

Viele fragen sich,  wieso in der heutigen Zeit überhaupt noch Kriege geführt werden, speziell nach den Erfahrungen des Zweiten Weltkriegs. Sollen nicht nach 1945 eine Ära des Friedens eingeläutet werden und nie wieder Krieg stattfinden? Weit gefehlt, seit dieser Zeit sind mehr als 60 verschiedene Konflikte ausgetragen worden, mit überwiegender Beteiligung der USA. Aber wie kann das sein? Sind die Amerikaner nicht die Verfechter für Frieden und Gerechtigkeit? Allen Anschein nach nicht, denn eine gewisse Clique in den Führungsgremien von Rüstungswirtschaft, dem Pentagon und der Wall-Street sorgen dafür, dass es zu einem weltweiten Frieden nicht kommen wird und ihre Interessen im Kongress und im Weißen Haus gewahrt werden. Leider zum Nachteil aller Menschen. Diese Verbindung nennt man den militärischen-industriellen Komplex.

Um diesen zu verstehen, muss man an seinen Anfang zur Zeit des amerikanischen Bürgerkriegs gehen. Damals war Präsident Lincoln gezwungen, der Rüstungswirtschaft im Norden mehr Macht zukommen zu lassen, um nicht Gefahr zu laufen, den Sezessionskrieg gegen die Südstaaten noch zu verlieren. Aus diesen wilden Zeiten etablierten sich die ersten Großkapitalisten, die mit Erdöl und der Eisenbahn nicht nur viel Geld verdienten, sondern auch gesellschaftlich an Macht gewannen. Zu nennen sind z. B. die Rockefellers als Inhaber der Standard Oil Company und J.P. Morgan als einer der einflussreichsten Banker in New York. Jene Figuren spielten eine wichtige Rolle bei der Aufrüstung des britischen Empires für den Ersten Weltkrieg und darüber hinaus auch des zweifelhaften Kriegseintritts der USA im Jahre 1917. Durch einen Geniestreich  gelang es J.P. Morgan, dem Bankhaus Warburg, Kuhn Loeb & Co. und Rockefeller 1913, dem Kongress die Kontrolle über den Geldfluss zu entreißen. Sie bildeten ein Kartell von privaten Banken, um Geld aus dem Nichts zu schöpfen - die FED (Federal Reserve Bank) - und übten die totale Macht über die Geldpolitik aller US-Banken aus. Damit konnten sie die Wirtschaft ankurbeln und manipulieren, Kriege mobilisieren bzw. die Regierung in Kriegszeiten finanzieren. J.P. Morgan betätigte sich als Mittelsmann für die Briten, die auf die kriegswichtigen Errungenschaften der USA angewiesen waren. Denn Morgan war nicht nur der führende Banker der FED, sondern er kontrollierte über 112 verschiedene Firmen. Mit dieser Konstellation, die Macht des Geldes in Verbindung mit der Wirtschaft, nahm der militärische-industrielle Komplex seinen ersten Höhepunkt. Nie zuvor stiegen die Umsätze in der Rüstungsindustrie so rasant an, bei manchen Firmen betrugen diese sogar über 400 Prozent. Der Schusswaffenhersteller Colt hatte Ende des Jahres 1915 volle Auftragsbücher. Ebenso bemerkenswert war der Zuwachs bei Monsanto Chemical Company, die Rohstoffe für die Giftgasherstellung an die Briten verkaufte. Dieser Konzern ist heute übrigens der weltgrößte Anbieter in Sachen genmanipulierten Maissaatguts und war im Vietnamkrieg der Hersteller des Entlaubungsmittels Agent Orange. Zwei Jahre funktionierte das System Ware gegen Kredit, wobei sich das Empire bei seinen amerikanischen Brüdern immer mehr verschuldete. Damit Morgan nicht auf seinen Forderungen sitzen blieb, nutzte er seinen Einfluss bei Präsident Wilson, ihn davon zu überzeugen, im Kongress eine Kriegserklärung gegen Deutschland zu bewirken, damit die USA selbst mit frischen Soldaten in den Großen Krieg eingreifen konnten. Durch die Ausschüttung von Friedensanleihen von über 400 Mio. Dollar seitens der Regierung konnte J. P. Morgan einen ersten Teil der britischen Kriegsschulden ausgleichen. Diese Vorgeschichte ist wichtig, um das Verhalten der nachfolgenden US-Regierungen zu verstehen. Mit dem Ersten Weltkrieg stellte die Elite fest, dass mit Kriegen ungeheure Profite zu erzielen sind.

Wie ein roter Faden
Dieses Gebaren zieht sich durch die Geschichte wie ein roter Faden bis in die heutige Gegenwart. Daran wird sich auch nichts ändern, egal wer an der Regierung ist. Als 1929 die Weltwirtschaftskrise begann, blieben die Verluste bei den Rockefellers und Morgans relativ gering. Das Konjunkturprogramm von Präsident Roosevelt, der New Deal, war anfangs wohl von Erfolg gekrönt, versank aber wieder in der Bedeutungslosigkeit, weil man die Geldzufuhr abrupt abebben ließ. Alle Anstrengungen liefen ins Leere. Erst als Roosevelt 1937 die Rüstungsproduktion auf vollen Touren laufen ließ, stellte sich für viele Amerikaner Wohlstand ein, bis zum Jahr 1950, dem Anfang des Koreakrieges. Während dieses Krieges war der Bedarf an rüstungsrelevanten Gütern derart hoch, dass sogar der in amerikanischer Gefangenschaft sitzende deutsche Konzernchef Krupp frühzeitig entlassen wurde, um die Stahlproduktion für eben diesen Konflikt neu zu entfachen. Übrigens wuchs der US-amerikanische Verteidigungshaushalt währenddessen von 13 auf 60 Mrd. Dollar, eine Erhöhung um 400 Prozent.

Vor und während des Zweiten Weltkrieges zeigten sich die Rüstungsunternehmen weiter von ihrer skrupellosen Seite. Sie ließen sich nicht davon abhalten, mit Nazideutschland Geschäfte zu machen. Ohne das amerikanische Know-how  wäre es der deutschen Armee nicht gelungen, den Luftkrieg gegen England zu führen oder gegen Polen zu Felde zu ziehen. Sogar über den Kriegseintritt der USA hinaus wurden Geschäfte mit deutschen Unternehmen getätigt. Ein wohlkalkuliertes Unterfangen mit düsteren Hintergedanken. Die endgültige Wachablösung des Empire als Weltmacht und die völlige Ausblutung Deutschlands und Russlands. Um das zu verstehen, ist folgender Hintergrund erforderlich. Die Denkfabrik CFR - Council on Foreign Relations - hatte in den 1930er Jahren ein Projekt aufgestellt, welches von Rockefeller finanziert wurde. Der Name des Projektes lautet "War and Peace Studies". In diesen Studien wurde die neue Rolle der USA nach einem weiteren Krieg definiert. Unter anderem heißt es dort: "Die Amerikaner sehen sich gezwungen, um ihre künftigen Interessen zu wahren, eine ständige Expansion zu betreiben, um sich Bereiche zu sichern, die für die Beherrschung der Welt erforderlich sind." (freie Übersetzung von F. William Engdahl, "Der Untergang des Dollarimperialismus", Koppverlag, o.D., S. 168).  Diese Konzeption hat bis heute Gültigkeit, und wurde Anfang der 90er Jahre auf die NATO-Doktrin und sogar auf das Weißbuch der Bundeswehr  übertragen.

Der Vietnamkrieg
Ein weiteres Beispiel, wie die amerikanische Rüstungswirtschaft auf die Politik Einfluss nahm, ist der Vietnamkrieg. Welche Einzelperson war der größte Nutznießer des Attentats auf Kennedy und des Vietnamkriegs? Es war Lyndon Baines Johnson, der ehemalige Vizepräsident. Er war die Verkörperung dessen, wovor sein Amtsvorvorgänger Eisenhower gewarnt hatte. Durch seine engen Verbindungen zum texanischen Industriemagnaten Brown & Root ist Johnson erst in die hohen Kreise der Politik gekommen. Nach seiner Amtsübernahme im Oval Office sprudelten die Aufträge für seine eben genannten Freunde aus Texas - und alles ohne öffentliche Ausschreibung. Die meisten Geschäfte erledigten diese in Vietnam, wo sie für das Militär Flugplätze, Basen, Hospitäler und Häfen aus dem Boden stampften. Und der Lohn für den amtierenden Präsidenten:  eine Milliarde Dollar, die er über seine Firmenbeteiligungen erhielt. Nicht zu vergessen die Profite der anderen Rüstungsfirmen, wie z. B. Bell Helicopters, General Dynamics und die Boeing Company, die zum Hauptlieferanten für Hubschrauber avancierte. Die Kosten für jenes Abenteuer beliefen sich damals auf über 220 Mrd. Dollar für den amerikanischen Steuerzahler.

Die Geschichte setzt sich fort
Das geschichtliche Pendant zu Johnson zeigte sich ab dem Jahr 2001. Ein ebenfalls einflussreicher Vize-Präsident, Dick Cheney, der von 1995- 2000 der CEO von Halliburton war. Ein international agierender Konzern, der u. a. für die Ölindustrie arbeitet (siehe FriedensForum 5/2009). Genau wie zu Johnsons Zeiten erhielt Halliburton diverse Aufträge ohne öffentliche Ausschreibung. Die von Dick Cheney persönlich verdienten Dollars überstiegen bei weitem diejenigen aus seiner Regierungstätigkeit.

In den Jahren nach 1945 bis zum Ende des Kalten Krieges, so schätzt man, haben die US-geführten Regierungen für ihren Verteidigungshaushalt mehr als 1,5 Billionen Dollar ausgegeben. Die Zeit nach dem Kalten Krieg war für die Strategen vom Pentagon die schwerste. War es doch nicht leicht, einen über 400 Mrd. Dollar Etat vor dem Kongress zu rechtfertigen, ohne ein Feindbild nennen zu können. Aber es fand sich ja ein neues, der islamische Terrorismus. In den Jahren 2001 bis heute sind nach Aussagen von den Demokraten im Kongress mehr als 3,5 Billionen Dollar für das Militär verschwendet worden, inklusive Irak- und Afghanistankrieg. Mittlerweile hat sich der Etat unter Obama von 600 auf über 700 Mrd. Dollar erhöht.

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Detlev Beine ist gelernter Industriekaufmann.