Der Streit um das Asylrecht geht weiter

von Martin Singe

Durch verschiedene richterliche Entscheidungen bis hin zum Bundesverfassungsgericht wird die Unvereinbarkeit des neuen Asylrechts (GG Art 16a) mit der Verfassung immer deutlicher. Das, was die Kritiker des neuen Asylrechts ständig vorausgesagt haben, wird jetzt in Einzelfällen immer wieder höchstrichterlich bestätigt. Die jüngsten Entscheidungen nach Inkrafttreten des neuen Rechts am 1.7.93 betreffen sowohl die Re­gelung der "sicheren Herkunftsfänder“ als auch die Regelung der "sicheren Drittstaaten". Bzgl. der "sicheren Drittstaaten" ist inzwischen das nachgewiesen, wovor UNHCR Vertreter Koisser schon bei der Bundestagsanhörung gewarnt hatte, nämlich daß es sehr wohl zu Ketten­abschiebungen bis ins Herkunftsland kommen kann. Ebenso sind die "sicheren Herkunftsländer" laut Verfassungsgericht nicht immer so "sicher wie sie der Gesetzgeber gerne hätte.

 

Die gerichtlichen Einzelfallüberprüfun­gen sind allerdings überhaupt nur bei solchen Flüchtlingen möglich gewesen, die in ein "Flughafenverfahren" ge­kommen sind. An den Grenzen, beson­ders an der Ostgrenze Deutschlands wird brutal und sofort zurückgeschoben ohne jegliche Chance einer Individual­überprüfung. Inzwischen ist es sogar zu Zwischenfällen mit Schußwechseln ge­kommen. Die Regierung fordert oben­drein noch weitere immense Grenzkontrollverschärfungen für die Ostgrenze, die Infrarotanlagen sind inzwischen im Testeinsatz.

Auch andere Staaten folgen jetzt dem "Modell Deutschland": aktuelle Asylge­setzverschärfungen - teils mit Verfas­sungsänderung - stehen u.a. in den Nie­derlanden und Frankreich auf der Ta­gesordnung. Das ist nun die sogenannte "europäische Harmonisierung"!

Die Bundesregierung hat  sich inzwi­schen öffentlich gegen die Richtersprü­che aus Karlsruhe gewehrt. Sie droht damit, den allerletzten Rest des Asysl­rechts (Art 16a1) auch noch aus der Verfassung zu kippen, wenn Karlsruhe so weitermache. Vom Sinn eines Bundesverfassungsgerichts in der Demokratie haben diese Regierungspolitiker nichts verstanden - oder besser: wollen sie nichts wissen. Per Gesetzesbeschluß glauben sie Realitäten konstruieren zu können, eben "sichere" Drittstaaten und "sichere" Herkunftsländer. Karlsruhe scheint dennoch den Mut zum Wider­spruch in dieser Frage zu haben. Zu hof­fen ist auf eine dementsprechende Hauptsachenentscheidung. Jedoch wird man sich keine großen Hoffnungen machen dürfen, da die darauf folgende Regierungskonsequenz schon angekündigt ist: vollkommene Abschaffung des Individualrechts auch dem Wortlaut nach. Dieses kleine Stück kann die SPD nun auch noch mitgehen - oder ist das zu viel verlangt?

Ein Pressespiegel mit wichtigen Ar­tikeln zum neuen Asylrecht, Verfassungsurteilen etc. (Juli - Sept. 93) ca. 2530 Seiten kann bestellt werden beim Komitee für Grundrechte und Demokratie, Zweigbüro Köln, Bismarckstr, 40, 50672 Köln, Tel 0221/523056,  Fax 520559. Bitte für Kopien DM 3,- und Porto DM 3,- ­(also 6,- DM) in Briefmarken beilegen.

Bei Pro Asyl ( Pf 101843 - 60018 ,Frank­furt) kann bestellt werden:

  • DIN A 4 - Blatt "Damit das Recht zu seinem Recht kommt" ab 100 Stck pro Ex. 0,10 DM
  • und DIN A 3-Faltblatt "Dem Unrecht  widerstehen - Flüchtlinge schützen Dokumentation der ersten Auswir­kungen des neuen Asylrechts" ab 100 Stck. pro Ex. 0,45 DM zzgl. Porto.

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Martin Singe ist Redakteur des FriedensForums und aktiv im Sprecher*innenteam der Kampagne "Büchel ist überall! atomwaffenfrei.jetzt".