10 Jahre NATO-Krieg in Afghanistan

„Der Tod ist ein Meister aus Deutschland“

von Ansgar KleinHelene Klein
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( c ) Netzwerk Friedenskooperative

Als Beispiel für die verschiedenen Veranstaltungen, die von der Friedensbewegung anlässlich des 10. Jahrestags des Kriegsbeginns in Afghanistan abgehalten wurden, dokumentieren wir hier die Veranstaltung der ‚Würselener Initiative für den Frieden’.

Im vollbesetzten Saal des ‚Alten Rathauses’ eröffnete die Trommelgruppe ‚KANKOURAN’ der Würselener Realschule die Veranstaltung. Barbara Krude, die Moderatorin des Abends, stellte heraus, dass die Kundgebung dem Gedenken der Tausenden gewidmet sei, die in Afghanistan in den letzten 10 Jahren durch den Krieg, an dem Deutschland beteiligt ist, ihr Leben verloren haben und derjenigen, die an den Folgen des Krieges leiden, und dass der Forderung Nachdruck verliehen werden soll, die deutschen Truppen aus Afghanistan abzuziehen und Afghanistan zivil zu helfen. Sie unterstrich, dass viele Organisationen Würselens und der Region die Kundgebung unterstützten und viele engagierte Menschen die Veranstaltung mitgestalteten. Die Linksjugend Aachen forderte Geld für Bildung statt für Bomben und beschwerte sich über Werbemethoden der Bundeswehr in Schulen. Antikriegsgedichte von Ingeborg Bachmann, Erich Fried und Christoph Leisten wurden vorgetragen, musikalisch umrahmt von Klarinettensoli. Pfarrerin Alders beleuchtete das Motto der diesjährigen ökumenischen Friedensdekade: „Gier Macht Krieg“ aus christlicher Sicht.

Hauptredner des Abends war Jürgen Heiducoff, Oberstleutnant a.D., der von 2005 bis 2008 in Afghanistan stationiert war. Er sprach über die Eskalation des 10 Jahre andauernden Krieges des Westens am Hindukusch und erinnerte an das unermessliche Leid der Menschen in einem Land, das zu den ärmsten der Welt gehört, und an die ständig steigende Zahl der getöteten, verletzten und traumatisierten Menschen.

Da er bereits vor mehr als vier Jahren während seiner Dienstzeit als militärischer Berater an der deutschen Botschaft in Kabul diesen Krieg mit seinen zivilen Opfern als unerträglich empfunden habe, habe er 2007 in einem Brief an den damaligen Außenminister Steinmeier seine Kritik geäußert. Er zitierte aus seinem damaligen Brandbrief aus Kabul: „Herr Minister, ich beobachte eine wachsende Dissonanz zwischen den Zielen unserer Afghanistanpolitik und der militärischen Praxis. Ich stelle fest, dass in Unterrichtungen von ISAF für Politiker und Parlamentarier die militärische Lage unzulässig geschönt dargestellt wird. Auch deutsche Generale beschönigen oder verschweigen eigene Probleme. Die ständigen Forderungen nach Truppenverstärkung, die steigenden Kosten des militärischen Engagements, das Anwachsen eigener Verluste und die wachsende Zahl ziviler Opfer verdeutlichen die Ungeeignetheit und Ausweglosigkeit der militärischen Gewalt als Lösung der inneren und äußeren gesellschaftlichen Probleme Afghanistans. …  Wenn immer mehr zivile Opfer und unsägliches Leid durch die eigenen Militärs unter der Zivilbevölkerung produziert werden, dann eignet sich das Mittel der militärischen Gewalt nicht, um die Probleme in diesem Land zu lösen. … Tragen Sie bitte dazu bei, die weitere Eskalation der militärischen Gewalt in AFG zu stoppen.“ Auf eine Antwort des Außenministeriums warte er heute noch. Doch es habe eine Reaktion gegeben, und zwar seine Ablösung vom Dienstposten. Heiducoff schloss seinen Vortrag mit dem Appell: „Dies ist nicht mein Krieg! Dies ist nicht unser Krieg!  Wir lassen es nicht zu, dass unsere demokratischen Werte in Kriegen der NATO vor aller Welt diffamiert werden. Wir fordern von unseren Politikern: Beendet den Krieg in Afghanistan, verhindert weitere Kriege der NATO, folgt den Vorgaben unseres Grundgesetzes. KRIEG IST NIE DIE LÖSUNG!“

Eine Grußbotschaft von Naqibullah Shorish, dem Stammesführer der Kharoti, des größten Stammes der Paschtunen, wurde verlesen: „Nach insgesamt 30 Jahren Krieg und Bürgerkrieg braucht das afghanische Volk dringend Frieden Es gibt eine Chance für den Frieden, wenn wir Afghanen über unser Schicksal selbst bestimmen dürfen, wie es das Prinzip der Demokratie vorsieht. Bisher aber werden wir bevormundet wie zu Zeiten der sowjetischen Besatzung. Die Taliban haben kürzlich offiziell ihre Bereitschaft zu Friedensgesprächen auch vor dem Abzug der internationalen Truppen erklärt. Das ist neu! Auch Mullah Omar hat sich in seiner jährlichen Botschaft zum Ende des Ramadan für Friedensgespräche ausgesprochen. Auch das ist neu. Wenn auf beiden Seiten ernsthaftes Interesse besteht, kann eine Verhandlungslösung gefunden werden. Die Alternative zu einer Verhandlungslösung ist ein lang andauernder Bürgerkrieg, der weiteren Tausenden afghanischer Zivilisten das Leben kosten wird. Der Krieg hat schon viel zu lange gedauert. Er kann und muss jetzt beendet werden.“

Die ‚Todesfuge’ von Paul Celan mit den immer wiederkehrenden, anklagenden Worten: „Der Tod ist ein Meister aus Deutschland“ leitete über zu dem zweiten Hauptthema des Abends, der Verurteilung des deutschen Waffenhandels. In einer szenischen Bearbeitung der eindringlichen Rede Jürgen Grässlins, die er anlässlich der Verleihung des diesjährigen Aachener Friedenspreises gehalten hat, wurde die Tatsache angeprangert, dass Deutschland  weltweit der Drittgrößte beim Geschäft mit dem Tod ist. Fast alle Anwesenden unterschrieben die Forderung der von Grässlin initiierten „Aktion Aufschrei – Stoppt den Waffenhandel“, die darauf zielt, den Artikel 26 (2) des Grundgesetzes zu ergänzen durch den Satz: „Der Export von Waffen und Rüstung ist grundsätzlich verboten.“

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Ansgar Klein ist Sprecher der Friedensinitiative Würselen.
Helene Klein ist Sprecherin der ‚Würselener Initiative für den Frieden’.