Der Widerstand gegen die Bundeswehr in der Schule wächst

von Bernhard Nolz

„Die Bundeswehr stört den Schulfrieden.“ Dieser Satz aus der friedenspädagogischen Erklärung der Pädagoginnen und Pädagogen für den Frieden (PPF) bringt es auf den Punkt. Die gemeinsame Offensive von Bundeswehr und Schulministerien zur Militarisierung der Schule wird abgelehnt. Sie richtet sich gegen den mehrheitlich bestehenden Friedenswillen der Deutschen und wendet sich gegen die eigene Bevölkerung, die den Krieg in Afghanistan ablehnt. Die Menschen wollen keinen Krieg, und die Bundeswehr soll in den Kasernen bleiben, bis sie abgeschafft ist.

Mit den Kooperationsvereinbarungen zwischen den Schulministerien und der Bundeswehr haben bisher fünf Landesregierungen die Schultüren weit für die Kriegspropaganda der Bundeswehr geöffnet. Dagegen regt sich Widerstand. Er ist so vielfältig wie die Aktivitäten der Friedensbewegung und geht doch weit darüber hinaus.

Viele Lehrerinnen und Lehrer kritisieren, dass der Bildungs- und Erziehungsauftrag der Schule verletzt werde, wenn Vertreter der Bundeswehr, die zum Töten und Zerstören ausgebildet werden, einen Teil der politischen Bildung in den Schulen übernehmen sollen. Sie verlangen, dass die Jugend von „Frontberichten“ und Kriegsverherrlichung verschont bleibt. Die Vertreter der Bundeswehr sollen auch deshalb aus den Schulen ferngehalten werden, weil Soldaten eine Gewaltkultur repräsentieren, die im Gegensatz zu friedlichen Konfliktlösungen und der Freundschaft der Völker steht. Das Denken in militärischen und kriegerischen Kategorien gehört nicht in die Köpfe von Kindern und Jugendlichen und verbietet sich als Ziel für Bildungs- und Lernprozesse.

Die Schule der Nation ist die Schule
Die „Kölner Initiative Schule ohne Bundeswehr“ war eine der ersten Gruppen, die den Protest gegen die Bundeswehr in die Gesellschaft getragen hat. Ihr Aufruf trägt die Überschrift „Die Schule der Nation ist die Schule“. Sie nimmt Bezug auf die Zeit des deutschen Militarismus und Kolonialismus des 19. Jahrhunderts, als die „Armee als Schule der Nation“ angesehen wurde. Der Aufruf mit der Forderung nach einer Schule ohne Bundeswehr hat inzwischen viele UnterzeichnerInnen gefunden. Jetzt wird es darauf ankommen, MitstreiterInnen zu finden, die den Protest in aktives pädagogisches und politisches Handeln umsetzen.

„Die Schule der Nation ist die Schule“ stammt vom Friedensnobelpreisträger Willy Brandt. Er forderte 1969 „die Erziehung eines kritischen, urteilsfähigen Bürgers, der imstande ist, durch einen permanenten Lernprozess die Bedingungen seiner sozialen Existenz zu erkennen und sich ihnen entsprechend zu verhalten“.

Diesen Gedanken haben die Pädagoginnen und Pädagogen für den Frieden (PPF) als Konzept „Friedensbildung“ weiterentwickelt und mit der Forderung nach einer Friedenspolitik mit friedlichen Mitteln verbunden. „Friedensbildung in der Schule gedeiht in einer friedlichen Umwelt am besten. Friedensbildung bedarf der Unterstützung durch eine aktive Friedenspolitik des demokratischen Staates, der die Menschenrechte und das Völkerrecht achtet und ihnen Geltung verschafft. Eine solche Friedenspolitik steht in Übereinstimmung mit der Charta der Vereinten Nationen, die ausdrücklich vorsieht, dass alle Staaten ihre internationalen Streitigkeiten ausschließlich durch friedliche Mittel beizulegen haben. Der Auftrag der Bundeswehr, Kriege zu führen, zu töten und zu zerstören, macht es in Verbindung mit der deutschen Kriegspolitik in Afghanistan den Schulen unmöglich, die Vorgaben der Kooperationsvereinbarung zwischen dem Schulministerium und der Bundeswehr zu erfüllen.“

Schüler und Eltern wehren sich
Diese Ansicht wird auch von vielen SchülerInnen vertreten. Ihr Protest richtet sich dagegen, dass kein Geld für die Bildung da ist, die Bundeswehr aber mit einer Millionen schweren Akzeptanzkampagne in die Schulen drängt. Bei den Aktionen des Bildungsstreiks konnte man den Protest hören und sehen. Durch vielerlei kreative Transparente und Parolen wurde die Verbindung hergestellt zwischen dem Bildungsnotstand und den Milliarden zur Bankenrettung und für die Kriegsbeteiligung in Afghanistan.

„Uni, Schule, Kindergarten auf Finanzausstattung warten! Für Banken, Krieg, Atomwirtschaft werden die Gelder beiseite geschafft!“ Mit solchen Parolen kann die soziale Schieflage in Deutschland überzeugend kritisiert werden. Den Jugendlichen ist schon lange klar geworden, dass sie – je nach politischer Lage – mal als Stimmvieh, ein anderes Mal als Kanonenfutter gebraucht bzw. missbraucht werden. An den Meisten prallen auch alle Versuche ab, die Bundeswehr als einen ganz normalen Arbeitgeber anzupreisen. Der Arbeitsplatz Afghanistan zahlt sich in einer Menge Euros aus - wenn man die Auszahlung erlebt. Inzwischen hat sich herumgesprochen, mit welchen psychischen Schäden viele Soldaten aus dem Krieg zurück kommen. Auch das ist ein Grund, die Bundeswehr und ihre Propaganda aus den Schulen fern zu halten.

Immer mehr Elterninitiativen gegen die Bundeswehr werden aktiv. Sie fordern, dass ihre Kinder zum Frieden erzogen werden, wie es in den Schulgesetzen vorgesehen ist. Auch werden Einzelklagen von Eltern gegen die Wehrerziehung voran getrieben. In der Vergangenheit wurden derartige Klagen von den Verwaltungsgerichten abgewiesen. Aber auch Gerichte sind dem Zeitgeist verpflichtet, und der ist eindeutig auf Seiten des Friedens und der Gewaltfreiheit.

Gewerkschaftsprotest
In diesem Sinne ist eine Feststellung des Hauptvorstandes der Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) beachtenswert: „Keine Pädagogin und kein Pädagoge und keine Schülerin und kein Schüler dürfen zur Teilnahme an und Durchführung einer Veranstaltung mit Bundeswehrangehörigen gezwungen werden.“ Diese Aussage macht einer Bildungsgewerkschaft alle Ehre. Es gilt, sie durchzusetzen. Bis dahin dürfen SchülerInnen und LehrerIinnen, die sich dem Zwang widersetzt haben, nicht alleine gelassen werden.

Die GEW sollte zusammen mit anderen Verbündeten einen Fonds einrichten oder die bestehenden Solidarstrukturen nutzen, um die SchülerInnen, LehrerInnen und Eltern zu unterstützen, die sich der Militarisierung der Schule widersetzen und auf Grund dessen Repressalien erleiden. Zusammen mit  Friedensorganisationen könnte ein bundesweites Treffen organisiert werden zum Erfahrungsaustausch und der Entwicklung gemeinsamer Handlungsoptionen gegen die Militarisierung der Schule. Dabei sollte aber nicht vergessen werden, dass die Wegbereiter für die Militarisierung der Schule die zuständigen Landesregierungen sind.

Der Föderalismus erweist sich bei der Problematik Schule – Bundeswehr als doppelter Vorteil für den Widerstand. Zum einen kann es auf jedes Bundesland bezogen spezifische Proteste und Aktionen geben, die dazu beitragen, dass das Thema sechzehn Mal und immer wieder thematisiert wird. Zum anderen begünstigen die bundesweiten Strukturen der Friedensbewegung ein koordiniertes Handeln, deren Diskussions- und Informationspotentiale beachtlich sind.

Die Forderung der GEW, dass in der Schule niemand gezwungen werden darf, an Bundeswehrveranstaltungen teilzunehmen, macht Mut zum Widerstand. Es steht in der Tat schlecht um die demokratische Kultur, wenn immer noch Zwangsverhältnisse aufrecht erhalten werden. Mit der von der Bundesregierung angekündigten Abschaffung der Wehrpflicht wäre ein Zwangsdienst beseitigt, der 220 Jahre lang als Herrschaftsinstrument missbraucht worden ist und Millionen junger Männer in den Tod geführt hat. Jetzt gilt es, politischen Druck zu machen auf die politischen Entscheidungsträger, dass sie die Wehrpflicht abschaffen.

Die GEW-Forderung, dass Schülerinnen und Schüler frei entscheiden können, ob sie an Bundeswehrveranstaltungen in der Schule teilnehmen, stellt gleichsam eine Kombination aus Religionsmündigkeit und dem Recht auf Kriegsdienstverweigerung dar. Die angestrebte Regelung basiert zudem auf Artikel 14 der Kinderrechtskonvention der Vereinten Nationen, in dem die Vertragsstaaten aufgefordert werden, das Recht des Kindes auf Gedanken-, Gewissens- und Religionsfreiheit zu achten. Hier öffnet sich ein Handlungsfeld für Demokratie- und Friedensbildung in der Schule.

Widerstand organisiert sich
An vielen Schulen schließen sich SchülerInnen, Eltern und LehrerInnen zusammen und versuchen den Auftritt der Jugendoffiziere der Bundeswehr zu verhindern. Mittlerweile hat sich in vielen Städten Widerstand gegen die Militärpropaganda der Jugendoffiziere entwickelt. Schon Anfang 2010 hatte sich die Landesschülervertretung Berlin gegen die Präsenz der Bundeswehr in den Bildungseinrichtungen ausgesprochen. In Freiburg (Baden-Württemberg) nahmen rund 1.000 Eltern, Lehrer, Schüler und Studenten an einer Kundgebung unter dem Motto „Bundeswehr raus aus dem Klassenzimmer“ teil. Der Berliner Bezirkselternausschuss Friedrichshain-Kreuzberg hat die Gründung einer Arbeitsgemeinschaft „Militärfreie Schule“ beschlossen. Die Initiative „Bundeswehr wegtreten“ bietet im Internet (www.bundeswehr-wegtreten.org) interessante Informationen über Widerstandsaktivitäten und Bundeswehrtermine.

Dagegen steht aber auch eine große Anzahl von Schulen, die ausdrücklich Vertreter der Bundeswehr einladen. Ihnen wird nahe gelegt, auch VertreterInnen der Friedensbewegung in der Schule zu Wort kommen zu lassen.

Von den Pädagoginnen und Pädagogen für den Frieden (PPF) ist soeben das Heft 1/2010 der Zeitschrift „et cetera ppf“ mit dem Schwerpunktthema „Friedensbildung und Friedenspolitik“ erschienen. U.a. werden Materialien zur Friedensbildung vorgestellt. Das Heft kann z.Z. in Papierform oder als pdf-Datei bestellt werden (info [at] zfk-siegen [dot] net). Die Beiträge geben vor allem  Anstöße dafür, wie die Schulen zu einer umfassenden Friedensbildung gelangen können. Dazu muss das Primat des Pädagogischen in der Schule wieder hergestellt werden. Die Verwirtschaftlichung und die Militarisierung verstellen den Weg zu demokratischen Schulreformen und zum Frieden in der Schule.

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Bernhard Nolz ist Lehrer i. R., Sprecher der Pädagoginnen und Pädagogen für den Frieden, Aachener Friedenspreisträger.