Der UN-Zukunftspakt

Der Zukunftsgipfel 2024 der Vereinten Nationen - Ergebnisse und Ausblick

von Rolf Bader
Hintergrund
Hintergrund

Eine Reform der Vereinten Nationen ist unabdingbar, um die globalen Krisen, den Klimawandel und die Gefahr eines Atomkrieges abwenden zu können. Die weltweite Bekämpfung von Hunger und Armut bedarf eines neuen Anschubs der Mitgliedsstaaten. Strukturen müssten reformiert werden, um die Handlungsfähigkeit der UN zu verbessern.

Dieser Mammutaufgabe widmete sich der „UN-Zukunftsgipfel 2024„"“, der am 22./23. September 2024 in New York stattfand. (1) Auf dem zweitägigen Gipfel wurde der sogenannte „Pact for the Future 2024“ (2) mit großer Mehrheit angenommen. 143 Staaten stimmten dafür, 15 enthielten sich, nur Belarus, Iran, Nordkorea, Nicaragua, Russland und Syrien stimmten dagegen.

Das nun vorliegende 60 Seiten umfassende Dokument enthält neben einer Einleitung (Chapeau) fünf Themenbereiche:

  • Nachhaltige Entwicklung und Finanzierung
  • Internationaler Frieden und Sicherheit
  • Wissenschaft, Technologie und Innovation und Digitale Zusammenarbeit
  • Jugend
  • Transformation der Globalen Governance.

Zusätzlich noch im Anhang:

  • den Global Digital Compact und
  • eine Deklaration zu Future Generations.

UN-Zivilkonferenz im Mai 2024 in Nairobi
Auch die internationale Zivilgesellschaft wurde im Vorfeld in den Planungsprozess aktiv miteingebunden. Über 700 internationale Organisationen der Zivilgesellschaft, Wissenschaftler*innen und Diplomaten*innen verschiedener Staaten trafen sich am 9./10. Mai 2024 in Nairobi, um über eine Reform der Vereinten Nationen zu beraten. Von den über 2100 Teilnehmer*innen stammten 70 % aus den Staaten Afrikas. Fast 40 % waren junge Menschen, die vehement eine Demokratisierung der UN und Beteiligung der jungen Generation an Entscheidungsprozessen forderten.

Reform des Sicherheitsrats
Die Zusammensetzung im Sicherheitsrat spiegelt bis heute die Machtverhältnisse am Ende des Zweiten Weltkriegs wider. Es wurde versäumt, die Entscheidungsstrukturen den veränderten weltpolitischen Rahmenbedingungen anzupassen. Der Sicherheitsrat mit der Dominanz der fünf ständigen Mitglieder, den Veto- und Atommächten USA, Russland, China, England und Frankreich, blockiert sich nicht nur selbst, sondern vor allem die gesamte UN. Mit dem Vetorecht werden dringliche Friedens- und Konfliktlösungen torpediert. Der Sicherheitsrat ist im Gegensatz zur Generalversammlung die Institution, die völkerrechtlich bindende Resolutionen beschließen kann. Antonio Guterres appellierte an die Mitgliedsstaaten: „Wir können nicht akzeptieren, dass der führenden Friedens- und Sicherheitsinstitution der Welt eine permanente Stimme für einen Kontinent von weit über einer Milliarde Menschen fehlt … und wir können auch nicht akzeptieren, dass Afrikas Ansichten in Fragen des Friedens und der Sicherheit sowohl auf dem Kontinent als auch auf der ganzen Welt, unterbewertet sind.“ (3)

Nachhaltige Entwicklung und Entwicklungsfinanzierung
Die Mitgliedsstaaten verpflichten sich, die Agenda 2030 und die Verpflichtungen aus der politischen Erklärung des Sustainable Development Goal-Gipfels von 2023 umzusetzen. Durch zusätzliche Investitionen sollen Armut und Hunger bekämpft und beseitigt werden. Der aktuelle Welthungerindex weist aus, dass über 730 Millionen Menschen weltweit an Hunger leiden. Besonders betroffen sei in Afrika die Region südlich der Sahara. Bewaffnete Konflikte erhöhen das Risiko für Hungerkrisen. 148 Millionen Kinder leiden an Wachstumsverzögerung, 45 Millionen an Auszehrung und fast 5 Millionen Kinder sterben vor dem 5. Lebensjahr, so die Zahlen der Welthungerhilfe. Ein großes Problem ist die wachsende Schuldenkrise, die die ärmsten Länder belastet. NGOs und die Zivilgesellschaft fordern deshalb die Aussetzung des Schuldendienstes für die ärmsten Länder des Südens.

Militärausgaben senken
Kriege und die weltweiten Rüstungsausgaben von derzeit über zwei Billionen US-Dollar sind ein Antreiber des weltweiten Klimawandels. Deshalb soll der Zukunftspakt dazu beitragen, die Mitgliedsstaaten zur Reduzierung ihrer Rüstungsausgaben zu bewegen. Die Einhaltung des Pariser Klimaabkommens, den Temperaturanstieg auf 1,5 Grad zu begrenzen, gilt als Zielmarke für die Mitgliedsstaaten.

Schutz der Zivilbevölkerung in bewaffneten Konflikten
„Wir verurteilen auf das Schärfste die verheerenden Auswirkungen bewaffneter Konflikte auf Zivilisten, zivile Infrastruktur und kulturelles Erbe und sind besonders besorgt über die unverhältnismäßigen Auswirkungen der Gewalt auf Frauen, Kinder, …“, so der Text des Zukunftspakts. Die aktuelle Situation im Sudan, Jemen, in Gaza und der Ukraine, wo täglich schlimmste Kriegsverbrechen begangen werden, belegen die Tragik zwischen Anspruch und Wirklichkeit. Forderungen ohne konkrete Handlungsoptionen, wie der Schutz der Zivilbevölkerung über die UN sichergestellt werden könnte, überlassen Betroffene letztlich ihrem Schicksal.

Rüstungskontrolle, Abrüstung und Abschaffung der Atomwaffen
„Wir werden das Ziel einer Welt ohne Atomwaffen vorantreiben. Ein Atomkrieg würde die gesamte Menschheit auslöschen und wir müssen alle Anstrengungen unternehmen, um die Gefahren eines solchen Krieges abzuwenden. Ein Atomkrieg kann nicht gewonnen werden und darf niemals geführt werden“, so der Zukunftspakt.

Der Atomwaffensperrvertrag trat 1970 in Kraft und regelt die Nichtverbreitung von Atomwaffen. Gründerstaaten waren die USA, die Sowjetunion und Großbritannien. 1992 kamen China und Frankreich hinzu. Derzeit haben 193 Staaten den Vertrag unterzeichnet. Die Atomwaffenstaaten Indien, Pakistan, Israel und Nordkorea (einseitiger Rücktritt 2003) gehören dem Vertrag nicht (mehr) an. Der Vertrag verpflichtet die Unterzeichnerstaaten, über die vollständige Abschaffung ihrer Atomwaffen zu verhandeln. Im Gegenzug verzichten die Unterzeichnerstaaten, die nicht im Besitz von Atomwaffen sind, auf deren Erwerb. „Die Atomwaffenstaaten müssen ihre Verpflichtungen zur Abrüstung ernst nehmen und konkrete Schritte unternehmen, um ihre Arsenale weiter zu reduzieren.“ (4)  

Der Atomwaffenverbotsvertrag trat am 22.01.2021 in Kraft. Inzwischen haben ihn weltweit 73 Staaten ratifiziert. Der Vertrag untersagt allen Unterzeichnerstaaten, Atomwaffen zu entwickeln, herzustellen, zu lagern und zu testen. Auch die Weiterverbreitung von Atomtechnologie ist verboten. Die Androhung und der Einsatz von Atomwaffen schließen sich damit aus. Der Verbotsvertrag wird in den kommenden Jahren immer mehr an Gewicht gewinnen und weltweit Staaten zur Unterzeichnung veranlassen. Diese Entwicklung wird sich auch nicht über Einflussnahme der Atomwaffenstaaten aufhalten lassen. Vielmehr wird der Druck auf diese wachsen, endlich die im Atomwaffensperrvertrag eingegangenen Verpflichtungen einzulösen.

Fazit
Der Pakt für die Zukunft der Vereinten Nationen und der Zukunftsgipfel sind ein Start in einen offenen Prozess der notwendigen inhaltlichen und strukturellen Reform der Vereinten Nationen. Im nächsten Jahr werden die 4. Internationale Konferenz zur Entwicklungsfinanzierung in Spanien, der 2. Weltgipfel für soziale Entwicklung in New York, die Überprüfung der Architektur der Friedenskonsolidierung und der 80. Jahrestag der Vereinten Nationen wichtige Vorhaben sein, den über den Zukunftsgipfel angestoßenen Reformprozess fortzusetzen.

Anmerkungen
1 Der Autor war Delegierter der deutschen Sektion der Internationalen Ärzte*innen für die Verhütung des Atomkrieges/Ärzte*innen in sozialer Verantwortung e.V. (IPPNW) auf der Zivilkonferenz der Vereinten Nationen am 9./10. Mai 2024 in Nairobi/Kenia
2 United Nations, Summit of the Future Outcome Documents, September 2024, Pact for the Future, Global Digital Compact, and Declaration of Future Generations
https://www.africa-live.de/guterres-uno-afrika-verdient-staendigen-sitz-...
4 Jakob Knape, Der Nichtverbreitungsvertrag, IPPNW-Forum Sept. 2024, S. 29

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