KDV in Israel

„Deshalb ist Eure Unterstützung so wichtig“

von Rudi FriedrichTair Kaminer

Die 19-jährige Kriegsdienstverweigerin Tair Kaminer ist vom israelischen Militär wiederholt zu Haftstrafen verurteilt worden. Am 3. Mai wurde sie zu einer 5. Haftstrafe von 30 Tagen verurteilt. Zu einer 2. Haftstrafe von 30 Tagen wurde am gleichen Tag die Kriegsdienstverweigerin Omri Baranes verurteilt.

Tair Kaminer ist seit dem 10. Januar 2016 wiederholt einberufen und inhaftiert worden. Sie hatte an diesem Tag im Rekrutierungsbüro in Tel Hashomer ihre Kriegsdienstverweigerung erklärt: "Ich habe mich entschlossen den Dienst in der israelischen Armee zu verweigern. Seit Jahren gibt es keinerlei Bestrebung für einen Friedensprozess, keinen Versuch, Gaza und Sderot Frieden zu bringen. Solange der gewaltvolle militärische Weg gegangen wird, schaffen wir eine Generation voller Hass, womit die Situation nur eskalieren wird. Wir müssen dies jetzt stoppen!" Mit Ende ihrer 5. Haftstrafe wird sie insgesamt 125 Tage Haft für ihre Gewissensentscheidung verbüßt haben.

Die 18-jährige Omri Baranes wurde verurteilt, nachdem ihr Antrag auf Anerkennung der Kriegsdienstverweigerung abgelehnt worden ist. Sie hatte vergangenen Monat bereits eine 7-tägige Haftstrafe verbüßt. In ihrer Erklärung schreibt sie: "In der Schule werden wir indoktriniert. Uns wird gesagt, dass das Militär entscheidend für unsere Existenz ist. Der größte Teil unserer Steuern wird dafür ausgegeben. Ich glaube, dass alle Menschen Verantwortung für die Sicherstellung humanitärer Werte tragen. Deshalb verweigere ich."

In Israel sind alle jüdischen Männer und Frauen sowie Angehörige der (palästinensischen) Drusen wehrpflichtig. Männer haben einen dreijährigen Militärdienst und im Anschluss jährliche Reservedienste abzuleisten. Frauen leisten zwei Jahre Militärdienst.

Nach ihrer vierten Haftzeit konnte Connection e.V. Mitte April mit Tair Kaminer sprechen.

Gerade wurdest Du aus der vierten Haftzeit entlassen. Wie nutzt Du Deine Zeit?
Ich habe wunderbare Tage zwischendurch, treffe Freunde, Familie. Es ist dieses Mal auch ein wenig länger als sonst, da wir Passahfest haben. Da ich jetzt zwei Wochen Zeit habe, bin ich auch politisch aktiv, nehme an Aktionen teil.

Wie ist es im Gefängnis?
Es ist nicht einfach. Es gibt strenge Disziplin und strenge Regeln. Wir müssen um 5 Uhr morgens aufstehen. Sie schreien uns die ganze Zeit an. Aber die meiste Zeit des Tagen machen wir nichts und sitzen in der Zelle. Dann lese ich viel und versuche Arabisch zu lernen.

Im Gefängnis treffe ich Mädchen aus ganz Israel, höre sehr heftige Geschichten. Es ist wirklich interessant. Das spannendste ist, dass ich für viele die erste Person bin, die der Linken angehört. Sie denken, dass Linke alle Juden hassen würden, Israel zerstören wollen, der Teufel selbst seien. Das hören sie von der Regierung und die meisten Leute denken es auch. Ich spreche mit ihnen, sage ihn, was ich denke und was wir verändern wollen. Und dann sagen sie: „Ja, ich verstehe, was du meinst. Ich bin mit vielem davon einverstanden.“ Das wiederum macht mich stärker, gibt mir Kraft für meinen Aufenthalt im Gefängnis.

Hast Du eine Idee, wie groß die Unterstützung für Dich ist?
Ich habe keine Idee, wie viele mich unterstützen, aber es gibt Unterstützung aus der ganzen Welt. Das gibt mir Kraft. Besonders wichtig sind mir die Briefe, die ich von arabischen Menschen aus der Westbank oder Gaza erhalten, in denen sie schreiben, wie wichtig ihnen meine Entscheidung ist. Das bewegt mich sehr. Zudem finde ich es sehr wichtig, dass deutlich wird, dass es in Israel Aktionen für den Frieden gibt. Normalerweise ist ja nur das zu vernehmen, was die Regierung tut.

Wie reagiert die Bevölkerung in Israel auf Deine Entscheidung?
Über Facebook und andere Plattformen nutzen viele Menschen die Möglichkeit, über meine Aktion zu diskutieren und auch meine Position zu kritisieren. Manchmal sind es ganz üble Kommentare. Aber ich denke, dass sie sich auf diese Weise auch damit auseinandersetzen. Da es seit einigen Monaten Terrorangriffe gibt, wird meine Aktion viel stärker wahrgenommen und es gibt wohl auch deutlich mehr Reaktionen. Für diese Menschen bedeutet die Armee Sicherheit. Aber auch ich spreche von Sicherheit und sage, dass es sicherer bei uns sein wird, wenn wir die derzeitige Situation, die aktuelle Realität, ändern. Es ist für manche Menschen irritierend, sich das anzuhören.

Wie reagieren die Medien auf Deine Aktion?
Es gab auch Berichte von ausländischen Medien, aus Russland, England, Frankreich, Spanien und Deutschland. Selbst das 1. TV-Programm aus Israel brachte etwas über mich - und zwar vor allem deswegen, weil es internationale Aufmerksamkeit über meinen Fall gibt.

Haben sich andere Deiner Kriegsdienstverweigerung angeschlossen?
Es gab einige Mädchen, die nicht zur Armee gehen wollten - und sich zunächst auf andere Art und Weise ausmustern lassen wollten. Aber dann hörten sie von mir und sahen, dass es die Möglichkeit gibt, mit der Verweigerung an die Öffentlichkeit zu gehen. So haben sich mir einige angeschlossen, aktuell Aiden Katri und Omri Baranes. Das ist natürlich toll, weil es uns und unsere Position stärkt. Ich hoffe ja, dass sich daraus eine neue Verweigerungswelle entwickelt. Für mich war das ja auch so: Ich hörte von anderen KriegsdienstverweigerInnen und setzte mich damit auseinander. Das war sehr wichtig, um für mich selbst eine Entscheidung zu treffen.

Wie wird es bei Dir weitergehen?
Ich werde wohl am 1. Mai erneut vom Militär verurteilt werden. Dann steht für mich die 5. Haftzeit an. Natürlich weiß ich nicht, wie lange es dieses Mal sein wird. Aber ich bin froh, dass ich nun nicht mehr alleine stehe, dass sich mir andere Verweigerinnen angeschlossen haben.

Möchtest Du den UnterstützerInnen etwas mitteilen?
Zunächst einmal möchte ich anmerken, dass die Tour, die ich im Herbst 2015 in Deutschland machen konnte, sehr wichtig war. Es war eine wichtige Erfahrung für mich und half mir sehr, meine Position zu festigen und deutlich machen zu können.

Und all denjenigen, die mich unterstützen, möchte ich sagen: Es gibt Israelis, die die Besatzung beenden wollen. Aber wir brauchen unbedingt internationale Unterstützung, um dies durchzusetzen. Wir müssen zusammenarbeiten, um dies zu erreichen. Deshalb ist Eure Unterstützung so wichtig.

Interview mit Tair Kaminer. 17. April 2016. Die Fragen stellte Rudi Friedrich. Der Beitrag wurde veröffentlicht in: Connection e.V. und AG »KDV im Krieg« (Hrsg.): Magazin »KDV im Krieg«, Ausgabe April 2016. Die Einleitung stammt von Rudi Friedrich, www.connection-ev.de

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Friedensbewegung international