Deutsch - Tschechische Versöhnung ist Aufgabe der Friedensbewegung

von Christopher Lucht

Am 20. und 21. November fanden die Marienbader Friedensgespräche auf Einladung der Tschechischen Friedensgesellschaft ihre Fortsetzung. Dabei wurde mit den Themen „Aktuelle Probleme der Konversion" und "wie sich mit der Vergangenheit in den tschechisch-deutschen Beziehungen auseinandersetzen?" zwei Bereiche angesprochen, die in den internationalen Beziehungen ganz oben auf der Agenda stehen, Abrüstung und Minderheitenrechte.

 

Beim Thema Konversion, also der Umwandlung ehemaliger Rüstungsproduktion in Zivilindustrie, spielen, wie Prof. Schönherr von der Dresdner Studiengemeinschaft Sicherheitspolitik betonte, die Folgenbeseitigung geschichtlich bedingter Verteidigungsstrategien ebenso eine wichtige Rolle wie die Perspektiven einer europäischen Sicherheitsstruktur. Der dringend vorgetragene Wunsch der Regierungen der Visegrad-Staaten nach einem Beitritt zur NATO würde aber nach seiner Auffassung, einer Konversion zuwiederlaufen. Denn sie seien dann gezwungen, eine NATO-Standardisierung ihrer Verteidigungskapazitäten durchzuführen. Statt an der militär-intensiven Konfliktregelungsstruktur der NATO festzuhalten, solle Europa daher die auf Kooperation angelegte Sicherheitsstruktur der KSZE effektivieren.

Die deutsch-tschechischen Beziehungen, das wurde bei der Diskussion zum zweiten Thema deutlich, stehen seit der Unterzeichnung des "Nachbarschaftsvertrages'' im Februar 1992 erst am Anfang einer Versöhnung. Zu sehr seien die Beziehungen von der Sudetendeutschen-Problematik dominiert. Wie Dr. Gerlinghoff vom Arbeitsausschuß für Frieden und internationale Verständigung verdeutlichte, belasteten ihre Forderungen nach Rückgabe ehemaligen Eigentums die Beziehungen einseitig. Er forderte die Bundesregierung auf, die Ängste der kleineren Nachbarstaaten vor einem wiedererstarkten Deutschland ernst zu nehmen, indem sie den Tschechen gegenüber die politisch unverantwortlichen und völkerrechtswidrigen Forderungen der Sudetendeutschen nach "Rechtsansprüchen auf Wiedergutmachungen" aufgibt.

In den friedenspolitischen Thesen zum "Marienbader Dialog" wurde deshalb festgeschrieben, daß "Unrecht nicht durch neues Unrecht wiedergutgemacht werden" könne. "Die Entschädigung der Sudetendeutschen war und ist Sache der deutschen Seite, die durch den Überfall Hitlers auf die Tschechoslowakei die Gründe für die Vertreibung geschaffen hat.“ Die von den Verträgen offengelassene Eigentumsfrage sollte deshalb "im Sinne einer Wiedergutmachung des deutschen Volkes als ganzem gegenüber jenen Menschen, die von den Folgen des Krieges in besonderem Maße betroffen wurden" geregelt werden.

Die friedenspolitischen Thesen sollen die geschichtlichen Wunden auf beiden Seiten zu verstehen he1fen. Eine Aufrechnung der geschichtlichen Greultaten, so Jan Sumavsky von der Tschechischen Friedensgesellschaft, nütze jedoch niemandem, sondern lähme nur die so wichtige Kooperation beider Staaten für den Aufbau eines friedlichen Europas.

Wie in der abschließenden Diskussion festgestellt wurde, bleiben leider auch bei diesem Treffen die bereits Versöhnten oder Versöhnungswilligen unter sich. Die Friedensbewegung müsse die deutsch-tschechischen Gespräche nutzen, um in Zukunft die breite Öffentlichkeit beider Länder zu beteiligen und so das Monopol der Sudetendeutschen in den bilateralen Beziehungen zu brechen. Denn es gäbe wichtigere Themen. So müßten die wirtschaftlichen und kulturellen Kontakte im Rahmen der Erweiterung des europäischen Binnenmarktes so gestaltet werden, daß es zu keiner wirtschaftlichen Fremdbestimmung durch die deutsche Seite komme.

Im Mai 94 werden Vertreter der Friedensgruppen beider Staaten, eine Erklärung hierzu erarbeiten; die die Grundlage eines Geflechts gegenseitig nützlicher und freundschaftlicher Beziehungen herstellen soll, das die Völker vor einem Rückfall in Nationalismus und Konfrontation bewahrt.

Informationen: IFIAS, c/o Christopher Lucht, Stralsunder Weg 50, 53119 Bonn 664442; Dr. Peter Gerlinghoff, Pariser Str. 61 10719 Berlin

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