Wie Deutschland Kroatien zum Sieg verhalf

Deutsche Waffen im Einsatz im Krieg auf dem Balkan

von Thomas KleinUlla Frey
Hintergrund
Hintergrund

Der "Blitzkrieg" der kroatischen Armee in der Krajina hat selbst bei Mili­tärexperten Erstaunen ausgelöst. Innerhalb weniger Stunden gelang es der kroatischen Armee, die serbischen Stellungen zu überrennen und schon nach drei Tagen war der Krieg vorbei.

Dieser rasche militärische Erfolg erklärt sich zwar auch aus dem Zahlenverhält­nis der auf beiden Seiten eingesetzten Soldaten, aber das Verhältnis 2:1 (120.000 kroatische, 50.000 serbische Soldaten) ist nicht der ausschlaggebende Grund für den schnellen Erfolg der kroatischen Armee. In der Geschichte gibt es unzählige Beispiele, in denen eine viel größere militärische Überle­genheit nicht zum naheliegenden Er­gebnis führte.

In den letzten Tagen vor Ausbruch des Krieges wurde verschiedentlich darauf hingewiesen, daß Kroatien gut gerüstet, ja bis an die Zähne bewaffnet sei. Tatsächlich hat seit der Erklärung der Unabhängigkeit Kroatiens 1991 eine nahezu beispiellose Aufrüstung stattge­funden, die erst die auf eine militärische Lösung des Krajina-Konfliktes setzende kroatische Politik ermöglichte. Das muß alle, die die Aufrüstung Kroatiens nicht verfolgt haben, sehr überraschen. Schließlich ist über die Republik Ex-Ju­goslawien ein Waffenembargo und über Rest-Jugoslawien (Serbien und Mon­tenegro) zusätzlich ein Wirtschaftsem­bargo verhängt worden, von dem haupt­sächlich die serbische Zivilbevölkerung betroffen ist. Die tatsächliche Umset­zung dieses Embargos hätte also eine solche Politik, die letztlich auf die mili­tärische Überlegenheit setzt, gar nicht möglich gemacht.

Vermutlich gab es in den zurückliegen­den Jahren und Jahrzehnten kaum ein Waffenembargo, dessen Einhaltung von den führenden Rüstungsexportländern so wenig befolgt wurde wie dieses. Der Hinweis europäischer Länder und der USA, Serbien versorge die bosnischen und kroatischen Serben mit Nachschub aller Art, auch mit Waffen, und dies gelte es zu unterbinden, ist angesichts der eigenen Praxis, ständig das Waffen­embargo zu umgehen und Kroatien in den letzten vier Jahren zu einem mit modernsten, auch mit vielen schweren Waffen ausgerüsteten Land zu machen, blanker Hohn.

Woher kommen die Waffen im Krieg auf den Balkan?

Für die serbische Seite ist diese Frage schnell beantwortet: Das aus Montene­gro und Serbien bestehende Rest-Jugo­slawien kann auf die gut gefüllten Waf­fenkammern der ehemaligen jugoslawi­schen Volksarmee zurückgreifen. Im­merhin war Jugoslawien in den 80er Jahren ein nicht unbedeutender Rü­stungsexporteur und ein Umschlagplatz für den internationalen Waffenhandel.

Die kroatischen und moslemischen Sol­daten sind natürlich mit ehemals jugo­slawischem Kriegsgerät ausgestattet, das die einzelnen Soldaten selbst beige­steuert oder aus Armeebeständen er­beutet haben. Neben diesen "einheimischen" Waffen ist zunehmend Kriegsmaterial aus ganz Europa und aus Übersee mit dabei. Es wurde z.T. ganz offiziell geliefert und von Waffenhänd­lern, Emigranten und Agenten, beson­ders kroatischer Parteien, auf dem soge­nannten Grauen und Schwarzen Markt erworben. So ist bekannt, daß die neofa­schistische Kroatische Rechtspartei (HSP), die sich damit brüstet, über 10.000 Freischärler an den Fronten zu befehligen, im Ausland Waffen be­schafft. HSP-Agenten wurden bei dem Versuch von Waffenschiebereien u.a. in Deutschland, Ungarn, der Schweiz, Ita­lien, Spanien, in den USA und in Ka­nada festgenommen. Nach Kroatien ver­schoben werden die auf dem Grauen und Schwarzen Markt erworbenen Waf­fen vor allem über Deutschland, Öster­reich, Ungarn und Italien.

Gerüstet für den Krieg

Ein ganz offizielles Geschäft dagegen war z.B. der Verkauf von 10.000 Ma­schinenpistolen aus den Beständen der aufgelösten ungarischen Arbeitermiliz, das die Republik Kroatien Mitte 1991 mit Ungarn abschloss und nach außen hin als Polizeiausstattung deklarierte. Nur die angebliche Verwendung für die Polizei machte es zu diesem Zeitpunkt möglich, daß die damals noch nicht selbstständige Republik Kroatien das Geschäft gegen den Willen Belgrads re­alisieren konnte. Es gehört freilich nicht allzuviel Phantasie dazu, sich vorzu­stellen, welchem Zweck dieser Kauf diente und was mit diesen Maschinenpi­stolen passierte.

Weniger offiziell - aber von den betei­ligten Seiten keineswegs abgestritten - sind die Waffenlieferungen der Chri­stenmilizen Libanons, die nach Er­kenntnissen libanesischer Sicherheits­kräfte umfangreiches Kriegsmaterial an Slowenien und Kroatien verkauft haben. Die Lieferungen sind nach den vorlie­genden Erkenntnissen über Südafrika und Deutschland (ausdrücklich genannt wird Frankfurt am Main) auf den Bal­kan gelangt.

Südafrika und Deutschland spielen nicht nur nach Angaben libanesischer Sicher­heitskräfte bei der Verschiebung von Waffen eine wichtige Rolle - sie tau­chen in verschiedenen Meldungen und Berichten immer wieder auf: Als im August 1991 in Zagreb ein Flugzeug aus Uganda landete, hatte es fast 20 Tonnen Waffen aus Südafrika an Bord; ein ebenfalls an Bord befindlicher Emigrant hatte nach eigenen Angaben zusammen mit Deutschen und Österreichern den Kauf organisiert.

Deutsche Beteiligung an der Aufrü­stung Kroatiens

Selbst ein Sprecher des Bonner Wirt­schaftsministeriums - denen in ver­gleichbaren Fällen normalerweise nichts bekannt ist - weiß zu diesem Zeitpunkt von Gerüchten, "daß Slowenien und Kroatien sich Waffen aus dem Ausland beschaffen, möglicherweise auch aus Deutschland" (ND 10.07.1991). Tatsa­che ist daß von Deutschland aus ein in­tensiver Waffenschmuggel betrieben wird. Die über 40 Fälle von versuchtem Schmuggel mit Kriegsgerät, die von der Zollfahndung allein in München bereits Ende 1991 aufgedeckt wurden, sind nur die Spitze des Eisbergs.

Einige Beispiele sollen das ganze Aus­maß der deutschen Beteiligung deutlich machen.

"10. November 1991: Ein Lastwagen aus Deutschland mit einer Vielzahl von verschiedenen Waffen erreicht über Ita­lien Zadar.

19. Dezember 1991: Kai 17 im Hafen von Rijeka war Schauplatz der Liefe­rungen von 60 Panzern (...) aus Deutschland.

8./9. Januar 992: Die kroatischen Streitkräfte erhalten drei MiG-Kampf­flugzeuge... aus ostdeutschem Bestand ...

Anfang März 1992: Das kroatische Verteidigungsministerium kaufte 90 Mi­litär-LKW aus den überzähligen Be­ständen der Truppenteile der französi­schen Armee in Deutschland über eine deutsche Firma, die als Weba oder Vebeg identifiziert wurde. Die Lieferung erfolgte in drei Sendungen Ende März über Österreich und Slowenien. Laut Quelle erfolgte diese Transaktion mit dem Wissen der französischen und deut­schen Behörden."

Dabei handelt es sich auch um Waffen aus ehemaligen NVA-Beständen, die von der deutschen Regierung an viele Länder so großzügig verkauft und ver­schenkt wurden und daß Kroatien mit verschiedensten Waffen `Made in Ger­many_ aufgerüstet wurde, ist von deut­scher Regierungsseite bis jetzt nur ach­selzuckend zu Kenntnis genommen worden. Schließlich kommen Waffen "aus vielen Gebieten", und was für Mi­litärinterventionen in Zukunft gelten soll - "nicht im Abseits stehen" (Verteidigungsminister Rühe) - das gilt, was die Verbreitung und die Verwen­dung von Kriegsgerät aus Deutschland betrifft, schon lange!

Es ist z.B. ungeklärt, wie Kroatien wäh­rend des Waffenembargos in den Besitz von mehr als 20 Kampfflugzeugen der Marke MIG-21 gelangen konnte (vgl. FR 19.11.1993), und ob es sich um rus­sische - oder deutsche Waffen aus NVA-Beständen gehandelt hat.

Die Rolle der Türkei

Immerhin scheint die Türkei den Wor­ten (vieler islamischer Länder) Taten folgen zu lassen. Die in Tuzla eingetrof­fenen "geheimen" Waffenlieferungen lassen jedenfalls diesen Schluss zu. In die­sem Zusammenhang war z.B. im März 1995 folgende Meldung zu lesen:

"Um ein militärisches Gleichgewicht in Bosnien-Herzegowina herzustellen, lie­fern westliche Staaten jetzt der mehr­heitlich moslemischen Regierungsarmee insgeheim Waffen. Über diese verdeckte Aktion ist ein Streit zwischen den UN und der Nato ausgebrochen. Offiziere der UNPROFOR bezeugen, daß mehr­mals bislang unidentifizierte Trans­portmachinen des Typs Herkules auf dem Flughafen von Tuzla gelandet seien oder diesen Flughafen in geringer Höhe überflogen hätten. Zum Teil seien die Transporter von Jagdflugzeugen eskor­tiert worden. Regierungssoldaten ver­weigerten den Blauhelmen einen nähe­ren Augenschein.

Es liegt daher der Verdacht nahe, daß mindestens ein Nato-Staat die Regie­rungstruppen in Zentralbosnien auf dem Luftweg mit modernen Waffen beliefert. Doch die Nato, die seit dem Inkrafttre­ten des Verbots militärische Flüge über Bosnien-Herzegowina die ganze Region mit Awacs-Auflärungsflugzeugen über­blickt, will von den mysteriösen Flügen nichts bemerkt haben." (FR 11.3.1995)

Die Annahme, daß es sich hier um Waf­fenlieferungen aus der Türkei handelt, ist aus verschiedenen Gründen nahelie­gend und am wahrscheinlichsten: so drängt die Türkei schon seit geraumer Zeit, der bosnischen Regierungsseite auch Waffen zu liefern und setzt sich dafür ein, das Waffenembargo gegen Bosnien aufzuheben. Sollte im Einver­ständnis mit anderen Nato-Partnern, Waffenlieferungen eben nur in dieser Form zur Zeit möglich sein, wird die Tatsache, gegen internationales Recht zu verstoßen, noch dazu im Einklang mit unzähligen anderen Ländern, sicher kein Hinderungsgrund seien. Es erklärt nur die Begleitumstände, wie das Eskortieren durch Nato-Jagdflugzeuge (andere kommen dafür nicht in Frage), das Verweigern eines näheren Augen­scheins durch UN-Soldaten, und daß die Awacs-Aufklärungsflugzeuge der Nato natürlich keine Flugzeuge bemerken.

Für die Türkei spricht desweiteren, daß sie in den letzten Jahren aus den USA und Deutschland Waffengeschenke kaum vorstellbaren Ausmaßes erhalten hat. Aus NVA-Beständen wurden seit 1991, um nur zwei kleine Beispiele zu nennen, über 250.000 Kalaschnikow-Maschinenpistolen und über 1,5 Millio­nen Stück Munition geliefert. Für ihren Krieg in Kurdistan kann die Türkei die Waffen zum Teil zwar selbst gebrau­chen, die ungeheure Masse der gelieferten Waffen und die Stückzahl bei ein­zelnen Posten ist aber derart immens, daß hier sicher ein großzügiges Weiter­geben keine Schwächung der eigenen Kräfte bedeutet. Auf diesem Weg scheint eine besondere Form der Waf­fenhilfe kreiert worden zu sein: Abrü­stungsmaterial und überschüssige Waf­fen werden verschenkt an einen Nato-Partner, der wiederum nutzt es zur Auf­rüstung eines anderen Partners - so wur­den die Meldungen, daß z.B. auch Waf­fen nach Aserbeidschan geliefert wur­den, von der Türkei nicht einmal de­mentiert.

Idstein, den 9. August 1995

Ausgabe

Rubrik

Hintergrund
Ulla Frey ist Politologin und Geschäftsführerin der Kampagne "Produzieren für das Leben-Rüstungsexporte stoppen"