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Wie Deutschland Kroatien zum Sieg verhalf
Deutsche Waffen im Einsatz im Krieg auf dem Balkan
vonDer "Blitzkrieg" der kroatischen Armee in der Krajina hat selbst bei Militärexperten Erstaunen ausgelöst. Innerhalb weniger Stunden gelang es der kroatischen Armee, die serbischen Stellungen zu überrennen und schon nach drei Tagen war der Krieg vorbei.
Dieser rasche militärische Erfolg erklärt sich zwar auch aus dem Zahlenverhältnis der auf beiden Seiten eingesetzten Soldaten, aber das Verhältnis 2:1 (120.000 kroatische, 50.000 serbische Soldaten) ist nicht der ausschlaggebende Grund für den schnellen Erfolg der kroatischen Armee. In der Geschichte gibt es unzählige Beispiele, in denen eine viel größere militärische Überlegenheit nicht zum naheliegenden Ergebnis führte.
In den letzten Tagen vor Ausbruch des Krieges wurde verschiedentlich darauf hingewiesen, daß Kroatien gut gerüstet, ja bis an die Zähne bewaffnet sei. Tatsächlich hat seit der Erklärung der Unabhängigkeit Kroatiens 1991 eine nahezu beispiellose Aufrüstung stattgefunden, die erst die auf eine militärische Lösung des Krajina-Konfliktes setzende kroatische Politik ermöglichte. Das muß alle, die die Aufrüstung Kroatiens nicht verfolgt haben, sehr überraschen. Schließlich ist über die Republik Ex-Jugoslawien ein Waffenembargo und über Rest-Jugoslawien (Serbien und Montenegro) zusätzlich ein Wirtschaftsembargo verhängt worden, von dem hauptsächlich die serbische Zivilbevölkerung betroffen ist. Die tatsächliche Umsetzung dieses Embargos hätte also eine solche Politik, die letztlich auf die militärische Überlegenheit setzt, gar nicht möglich gemacht.
Vermutlich gab es in den zurückliegenden Jahren und Jahrzehnten kaum ein Waffenembargo, dessen Einhaltung von den führenden Rüstungsexportländern so wenig befolgt wurde wie dieses. Der Hinweis europäischer Länder und der USA, Serbien versorge die bosnischen und kroatischen Serben mit Nachschub aller Art, auch mit Waffen, und dies gelte es zu unterbinden, ist angesichts der eigenen Praxis, ständig das Waffenembargo zu umgehen und Kroatien in den letzten vier Jahren zu einem mit modernsten, auch mit vielen schweren Waffen ausgerüsteten Land zu machen, blanker Hohn.
Woher kommen die Waffen im Krieg auf den Balkan?
Für die serbische Seite ist diese Frage schnell beantwortet: Das aus Montenegro und Serbien bestehende Rest-Jugoslawien kann auf die gut gefüllten Waffenkammern der ehemaligen jugoslawischen Volksarmee zurückgreifen. Immerhin war Jugoslawien in den 80er Jahren ein nicht unbedeutender Rüstungsexporteur und ein Umschlagplatz für den internationalen Waffenhandel.
Die kroatischen und moslemischen Soldaten sind natürlich mit ehemals jugoslawischem Kriegsgerät ausgestattet, das die einzelnen Soldaten selbst beigesteuert oder aus Armeebeständen erbeutet haben. Neben diesen "einheimischen" Waffen ist zunehmend Kriegsmaterial aus ganz Europa und aus Übersee mit dabei. Es wurde z.T. ganz offiziell geliefert und von Waffenhändlern, Emigranten und Agenten, besonders kroatischer Parteien, auf dem sogenannten Grauen und Schwarzen Markt erworben. So ist bekannt, daß die neofaschistische Kroatische Rechtspartei (HSP), die sich damit brüstet, über 10.000 Freischärler an den Fronten zu befehligen, im Ausland Waffen beschafft. HSP-Agenten wurden bei dem Versuch von Waffenschiebereien u.a. in Deutschland, Ungarn, der Schweiz, Italien, Spanien, in den USA und in Kanada festgenommen. Nach Kroatien verschoben werden die auf dem Grauen und Schwarzen Markt erworbenen Waffen vor allem über Deutschland, Österreich, Ungarn und Italien.
Gerüstet für den Krieg
Ein ganz offizielles Geschäft dagegen war z.B. der Verkauf von 10.000 Maschinenpistolen aus den Beständen der aufgelösten ungarischen Arbeitermiliz, das die Republik Kroatien Mitte 1991 mit Ungarn abschloss und nach außen hin als Polizeiausstattung deklarierte. Nur die angebliche Verwendung für die Polizei machte es zu diesem Zeitpunkt möglich, daß die damals noch nicht selbstständige Republik Kroatien das Geschäft gegen den Willen Belgrads realisieren konnte. Es gehört freilich nicht allzuviel Phantasie dazu, sich vorzustellen, welchem Zweck dieser Kauf diente und was mit diesen Maschinenpistolen passierte.
Weniger offiziell - aber von den beteiligten Seiten keineswegs abgestritten - sind die Waffenlieferungen der Christenmilizen Libanons, die nach Erkenntnissen libanesischer Sicherheitskräfte umfangreiches Kriegsmaterial an Slowenien und Kroatien verkauft haben. Die Lieferungen sind nach den vorliegenden Erkenntnissen über Südafrika und Deutschland (ausdrücklich genannt wird Frankfurt am Main) auf den Balkan gelangt.
Südafrika und Deutschland spielen nicht nur nach Angaben libanesischer Sicherheitskräfte bei der Verschiebung von Waffen eine wichtige Rolle - sie tauchen in verschiedenen Meldungen und Berichten immer wieder auf: Als im August 1991 in Zagreb ein Flugzeug aus Uganda landete, hatte es fast 20 Tonnen Waffen aus Südafrika an Bord; ein ebenfalls an Bord befindlicher Emigrant hatte nach eigenen Angaben zusammen mit Deutschen und Österreichern den Kauf organisiert.
Deutsche Beteiligung an der Aufrüstung Kroatiens
Selbst ein Sprecher des Bonner Wirtschaftsministeriums - denen in vergleichbaren Fällen normalerweise nichts bekannt ist - weiß zu diesem Zeitpunkt von Gerüchten, "daß Slowenien und Kroatien sich Waffen aus dem Ausland beschaffen, möglicherweise auch aus Deutschland" (ND 10.07.1991). Tatsache ist daß von Deutschland aus ein intensiver Waffenschmuggel betrieben wird. Die über 40 Fälle von versuchtem Schmuggel mit Kriegsgerät, die von der Zollfahndung allein in München bereits Ende 1991 aufgedeckt wurden, sind nur die Spitze des Eisbergs.
Einige Beispiele sollen das ganze Ausmaß der deutschen Beteiligung deutlich machen.
"10. November 1991: Ein Lastwagen aus Deutschland mit einer Vielzahl von verschiedenen Waffen erreicht über Italien Zadar.
19. Dezember 1991: Kai 17 im Hafen von Rijeka war Schauplatz der Lieferungen von 60 Panzern (...) aus Deutschland.
8./9. Januar 992: Die kroatischen Streitkräfte erhalten drei MiG-Kampfflugzeuge... aus ostdeutschem Bestand ...
Anfang März 1992: Das kroatische Verteidigungsministerium kaufte 90 Militär-LKW aus den überzähligen Beständen der Truppenteile der französischen Armee in Deutschland über eine deutsche Firma, die als Weba oder Vebeg identifiziert wurde. Die Lieferung erfolgte in drei Sendungen Ende März über Österreich und Slowenien. Laut Quelle erfolgte diese Transaktion mit dem Wissen der französischen und deutschen Behörden."
Dabei handelt es sich auch um Waffen aus ehemaligen NVA-Beständen, die von der deutschen Regierung an viele Länder so großzügig verkauft und verschenkt wurden und daß Kroatien mit verschiedensten Waffen `Made in Germany_ aufgerüstet wurde, ist von deutscher Regierungsseite bis jetzt nur achselzuckend zu Kenntnis genommen worden. Schließlich kommen Waffen "aus vielen Gebieten", und was für Militärinterventionen in Zukunft gelten soll - "nicht im Abseits stehen" (Verteidigungsminister Rühe) - das gilt, was die Verbreitung und die Verwendung von Kriegsgerät aus Deutschland betrifft, schon lange!
Es ist z.B. ungeklärt, wie Kroatien während des Waffenembargos in den Besitz von mehr als 20 Kampfflugzeugen der Marke MIG-21 gelangen konnte (vgl. FR 19.11.1993), und ob es sich um russische - oder deutsche Waffen aus NVA-Beständen gehandelt hat.
Die Rolle der Türkei
Immerhin scheint die Türkei den Worten (vieler islamischer Länder) Taten folgen zu lassen. Die in Tuzla eingetroffenen "geheimen" Waffenlieferungen lassen jedenfalls diesen Schluss zu. In diesem Zusammenhang war z.B. im März 1995 folgende Meldung zu lesen:
"Um ein militärisches Gleichgewicht in Bosnien-Herzegowina herzustellen, liefern westliche Staaten jetzt der mehrheitlich moslemischen Regierungsarmee insgeheim Waffen. Über diese verdeckte Aktion ist ein Streit zwischen den UN und der Nato ausgebrochen. Offiziere der UNPROFOR bezeugen, daß mehrmals bislang unidentifizierte Transportmachinen des Typs Herkules auf dem Flughafen von Tuzla gelandet seien oder diesen Flughafen in geringer Höhe überflogen hätten. Zum Teil seien die Transporter von Jagdflugzeugen eskortiert worden. Regierungssoldaten verweigerten den Blauhelmen einen näheren Augenschein.
Es liegt daher der Verdacht nahe, daß mindestens ein Nato-Staat die Regierungstruppen in Zentralbosnien auf dem Luftweg mit modernen Waffen beliefert. Doch die Nato, die seit dem Inkrafttreten des Verbots militärische Flüge über Bosnien-Herzegowina die ganze Region mit Awacs-Auflärungsflugzeugen überblickt, will von den mysteriösen Flügen nichts bemerkt haben." (FR 11.3.1995)
Die Annahme, daß es sich hier um Waffenlieferungen aus der Türkei handelt, ist aus verschiedenen Gründen naheliegend und am wahrscheinlichsten: so drängt die Türkei schon seit geraumer Zeit, der bosnischen Regierungsseite auch Waffen zu liefern und setzt sich dafür ein, das Waffenembargo gegen Bosnien aufzuheben. Sollte im Einverständnis mit anderen Nato-Partnern, Waffenlieferungen eben nur in dieser Form zur Zeit möglich sein, wird die Tatsache, gegen internationales Recht zu verstoßen, noch dazu im Einklang mit unzähligen anderen Ländern, sicher kein Hinderungsgrund seien. Es erklärt nur die Begleitumstände, wie das Eskortieren durch Nato-Jagdflugzeuge (andere kommen dafür nicht in Frage), das Verweigern eines näheren Augenscheins durch UN-Soldaten, und daß die Awacs-Aufklärungsflugzeuge der Nato natürlich keine Flugzeuge bemerken.
Für die Türkei spricht desweiteren, daß sie in den letzten Jahren aus den USA und Deutschland Waffengeschenke kaum vorstellbaren Ausmaßes erhalten hat. Aus NVA-Beständen wurden seit 1991, um nur zwei kleine Beispiele zu nennen, über 250.000 Kalaschnikow-Maschinenpistolen und über 1,5 Millionen Stück Munition geliefert. Für ihren Krieg in Kurdistan kann die Türkei die Waffen zum Teil zwar selbst gebrauchen, die ungeheure Masse der gelieferten Waffen und die Stückzahl bei einzelnen Posten ist aber derart immens, daß hier sicher ein großzügiges Weitergeben keine Schwächung der eigenen Kräfte bedeutet. Auf diesem Weg scheint eine besondere Form der Waffenhilfe kreiert worden zu sein: Abrüstungsmaterial und überschüssige Waffen werden verschenkt an einen Nato-Partner, der wiederum nutzt es zur Aufrüstung eines anderen Partners - so wurden die Meldungen, daß z.B. auch Waffen nach Aserbeidschan geliefert wurden, von der Türkei nicht einmal dementiert.
Idstein, den 9. August 1995