Armee ohne Zukunft.

Deutschland braucht eine neue Bundeswehr

von Markus Euskirchen
Schwerpunkt
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Aufgabe und Zweck von Militärapparaten, so auch der Bundeswehr ist Vorbereitung, Bereitschaft zum und Durchführung von Krieg. Um diesen Zweck eingebunden in eine demokratische Gesellschaft verwirklichen zu können bzw. nicht allzu große Widerstände gegen das Militär als Mittel von Interessenpolitik und Machtsicherung nach Innen und Außen aufkommen zu lassen, gibt es für die Bundeswehr eine zentrale - dennoch nachgeordnete - strategische Aufgabe: die Arbeit an ihrem Bild in der Öffentlichkeit. Ziel ist sozusagen die intellektuelle Vernebelung des eigentlichen militärischen Zweckes und die Verankerung legitimatorischer Argumentationen, Menschen- und Weltbilder. Öffentlichkeitsarbeit mit derartiger Zielsetzung aus politischen Institutionen im allgemeinen und aus dem Militär, der Bundeswehr im besondern, wird als Propaganda bezeichnet.

Institutionen und Men-Power für militärische Propaganda
Die institutionell-personellen Mittel, die der BW für diese Aufgabe zur Verfügung stehen, sind erstaunlich. Alleine im Militärhistorischen Institut der Bundeswehr in Potsdam dürften mehr professionelle Kräfte an einer historiographischen Konstruktion der "Natürlichkeit" von Militär arbeiten als es in ganz Deutschland professionelle Friedenspublizisten und -historiker gibt. Mehr als 1000 Jugendoffiziere sind tagtäglich in den Schulen und Jugendinitiativen der Republik unterwegs, um die Konzepte der Militärs "zur Diskussion zu stellen". Dabei haben sie z.B. in Berlin ein Auftrittsverbot mit Vertretern der Kampagne gegen Wehrdienst und Zwangsdienste zu beachten. Die Ausgewogenheit des Diskussionsangebotes der Jugendoffiziere setzt ein kader-geschultes Angebot gezielt gegen die erfahrungslose, manchmal interessierte und bestenfalls phantasievoll-kritische Aufmerksamkeit von Jugendlichen. Nicht nur die Jugendoffiziere werden in einer eigenen Akademie für Information und Kommunikation der Bundeswehr geschult. Diese Institution steht in der direkten Tradition des Amtes für "psychologische Kriegführung" der frühen BRD bzw. später "psychologische Verteidigung", heute in Strausberg, ausgerüstet mit der größten militärwissenschaftlichen Bibliothek Deutschlands und einem eigenen Sozialwissenschaftlichen Institut, in dem Wissenschaftler in verteidigungsministeriell abgesegneten Forschungsvorhaben die Öffentlichkeitsstrategie der BW empirisch-wissenschaftlich vorbereiten, begleiten und überprüfen.
 

BW-Propaganda und "Propaganda des vorauseilenden Gehorsams"
Hinzu kommt ein ganzes Geflecht von Truppenzeitungen und -zeitschriften sowie rüstungs- und sicherheitspolitischen Magazinen aus dem Öffentlichkeitsreferat des BMVg bzw. nachgeordneten Stellen, die oft nur für den Spezialisten als BW-Publikationen erkennbar sind.

Hinzu kommen die Bundeswehruniversitäten, wo sich ein kritisch-reformatorischer Geist der frühen 70er mittlerweile komplett zu verschwinden anschickt, einem effizienz- und auftragsorientierten Bild vom universellen Sicherheitsdienstleister weichend. Alles unter dem Deckmantel der wissenschaftlichen Objektivität und des dadurch legitimierten Wahrheitsanspruches.

Hinzu kommt die privilegierte Möglichkeit über Verteidungsminister und Staatssekretäre ständig direkt in den zentralen parlamentarischen Institutionen wirken zu können: Bundesparlament, Fachausschüsse, Bundespressekonferenz. Die unkommentierte Multiplikation dieser Aktivitäten findet statt in der Dokumentationszeitung "Das Parlament" bzw. im Doku-Kanal "Phönix".

Eine in ihren Grundzügen bundeswehr-konforme Sichtweise der politischen Verhältnisse wird so dominant, dass sie sogar in der Lage ist, in den Meinungskorridoren der sog. freien, liberalen, unabhängigen Presse den Ton anzugeben. Die Grenzen zwischen direkt ministeriell verlautbarter Propaganda und der "Propaganda des vorauseilenden Gehorsams" sind tatsächlich fließend. Auf ein Beispiel hierfür möchte ich im folgenden näher eingehen und dann einen konkreten Vorschlag zu quasi subversivem Weiterarbeiten mit dem Propagandamaterial machen.

Relevanz von Fernsehdokumentationen für die Friedensforschung
Am 5. Dezember strahlte das ZDF auf seinem festen Sendeplatz "zdf Dokumentationen" den Dokumentarfilm "Armee ohne Zukunft. Deutschland braucht eine neue Bundeswehr" von Bernd Mosebach und Patricia Wiedemeyer aus. Die Öffentlichkeitswirksamkeit einer solchen Publikation ist alleine schon wegen der massenhaften Sendereichweite des Fernsehens her nicht zu vernachlässigen. (1) Hinzu kommt die Suggestivkraft des Mediums aufgrund der verdichteten Übermittlung von bewegten Bildern, Musik, Geräuschen, Einstellungswahl, Schnitt und Kommentar. All das macht eine Beschäftigung mit dieser Art der Öffentlichkeit für bundeswehrpolitische Themen mindestens so dringend wie z.B. die Auseinandersetzung mit den unregelmäßig erscheinenden Weißbüchern des BMVg. Zur besseren Handhabbarkeit von Filmmaterial für die intellektuelle Arbeit trägt die "Vertextlichung" des Materials bei, die ich mit einem Filmprotokoll leiste (vgl. als Beispiel die folgende Schlusssequenz des Dokumentarfilmes. Das komplette Filmprotokoll liegt frei aus bei http://userpage.fu-berlin.de/~ami/extra/neueBW/).

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