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Die Bewegung für Kriegsdienstverweigerung und die Widerstandskampagne in Südafrika
vonIn der Geschichte und in jedem Staat wird Kriegsdienstverweigerung als ein Akt des Widerstands angesehen. In Südafrika kommt diesem Widerstandsakt infolge der dort herrschenden, besonderen sozio-politischen Strukturen eine große Bedeutung zu. Zum Schaden der schwarzen Bevölkerung ziehen die Weißen den größten materiellen Nutzen aus der Apartheid. Um dieses Privileg zu behalten, werden Weiße, und nur Weiße, zu SADF eingezogen (SADF = South African Defence Force - südafrikanische Armee). Wenn weiße Männer die Erhaltung dieses Privilegs ablehnen und dabei von ihren Müttern, Freundinnen, Ehefrauen und Töchtern unterstützt werden, so wird damit die gesamte ideologische und moralische Rechtfertigung des Apartheidsystems in seinem Kern erschüttert. Deshalb werden auch Verweigerer von den Unterstützern der Apartheid als Verräter und in den schwarzen Townships als Helden angesehen.
Auf der starkbesuchten "Welcome Home"-Demonstration für die kürzlich entlassenen sieben ANC-Mitglieder am 29. Oktober bezeichnete Walter Sisulu Verweigerer als "wahre Patrioten". Verständlicherweise hat auch die Regierung die Bedrohung erkannt, die die Verweigererbewegung auf ihre Herrschaft ausübt. Sie hat öffentlich die Kampagne gegen die Wehrpflicht (END Conscription Campaign - ECC) als eine der vier Säulen der Revolution angeprangert - wir betrachten das als Kompliment. Das harte Vorgehen der Regierung gegen ECC-AktivistInnen und gegen die Organisation selbst ist bekannt. Die Behandlung von Verweigerern, die das Gefängnis wählen, ist die schärfste auf der Welt. Zur Zeit sitzen zwei Verweigerer sechsjährige Haftstrafen ab und einer eine 18-monatige Strafe.
Die Ziele der Widerstandskampagne (Defiance Campaign), die gegenwärtig überall im Lande im Gange ist, sind, sich ungerechten Gesetzen zu widersetzen, Druck auf die Regierung auszuüben, damit sie mit den wirklichen Führern des Volkes verhandelt, ein Klima für Verhandlungen zu schaffen und die Solidarität und Kontakte zwischen Weißen und Schwarzen für eine demokratische und nicht-rassistische Zukunft herzustellen.
Die Verweigererbewegung spielt hierbei eine deutliche Rolle. Wir haben uns mit anderen Organisationen in den schwarzen Siedlungen zusammengetan, um die Wiederzulassung unserer Organisation, der ECC, zu fordern sowie die Wiederzulassung unserer Hauptforderung, die Abschaffung der Wehrpflicht, welche durch die Ausnahmezustandsbestimmungen verboten wurde. Unsere Fahnen sind bei öffentlichen Demonstrationen zu sehen. Wir sprechen auf öffentlichen Podien und geben Presseerklärungen heraus.
Die öffentliche Verweigerung von 23 Wehrpflichtigen im Jahre 1987, von 143 im Jahre 1988 und von 771 in diesem Jahr - das öffentliche Auftreten der etwa 800 Mütter von Wehrpflichtigen im Februar dieses Jahres sowie das profilierte Auftreten von Verweigerern, die ins Gefängnis gehen - all dies trägt dazu bei, die Rechtmäßigkeit der Rolle der SADF zu unterminieren, die die Apartheid aufrechterhält, ernsthafte Frage und Zweifel innerhalb der weißen Bevölkerung aufkommen zu lassen, Weiße dazu zu gewinnen, den Kampf gegen die Apartheid zu unterstützen, und die Regierung unter Druck zu setzen, damit sie durch Verhandlungen eine friedliche Lösung des Konflikts herbeiführt. Gleichzeitig schaffen wir durch unsere Aktionen ein Klima, in dem solche Verhandlungen stattfinden können.
Ich habe bereits die Rolle erwähnt, die die Bewegung der Kriegsdienstverweigerer für den Aufbau einer nicht-rassistischen Gesellschaft spielt. Dazu zwei Beispiele für unsere Arbeits- und Wirkungsweise aus meiner Heimatstadt Durban. Während der "Soweto-Day"-Demonstration am 16. Juni in einem Township waren wir die einzige Gruppierung, die eingeladen war, vom Podium aus zu reden. Am Ende des "Durban Freedom March" im September war eine der 771 Verweigerer als eine von ganz wenigen eingeladen, eine Rede vor den 20 000 zu halten, die vor dem Rathaus versammelt waren.
Wie passen die Verweigererbewegung und die Widerstandskampagne zum bewaffneten Kampf?
Dies ist eine komplexe Frage, die sicherlich in diesem kurzen Artikel nicht ausreichend beantwortet werden kann. In aller Kürze - es gibt keine Diskussion des "entweder Gewalt oder Gewaltfreiheit". Der bewaffnete Kampf wurde der schwarzen Mehrheit aufgezwungen durch die Gewalt der Unterdrückung und das Verbot des ANC und PAC 1960. MK-Kader (MK = Umkhonto we Sizwe - bewaffneter Arm des ANC) stehen in der schwarzen Gemeinschaft in hoher Wertschätzung, so werden z. B. auf sie bei Demonstrationen und öffentlichen Veranstaltungen Lieder gesungen. Während des gegenwärtig durchgeführten Prozesses gegen drei weiße MK-KämpferInnen (eine Frau, zwei Männer) sagte der Präsident des Südafrikanischen Kirchenrates, der Lutheranische Bischof Manas Buthelezi (er ist zwar mit dem Häuptling 'chief' Buthelezi verwandt, soll aber nicht mit ihm verwechselt werden!), falls die drei gegenwärtig nie die Townships gehen würden, würde man sie dort als "Könige und Königinnen" empfangen. Dies steht wahrscheinlich im Widerspruch zu Eurer europäischen Perspektive (und ich versichere Euch, daß ich als Pazifist damit ebenfalls meine Probleme habe!), aber Südafrika ist sehr komplex. Die Wahrheiten sind nun mal nicht einfach im scharz-weiß-Schema unterzubringen.
Tatsächlich ist es eine Minderheit, die aktuell den bewaffneten Kampf aufnimmt, im Vergleich zu den Zehntausenden, welche schier jeden Tag in effektiven gewaltfreien direkten Aktionen engagiert sind - sei es in den Schulen, den Fabriken oder den Straßen. Meine persönliche Meinung ist, daß die meisten Leute akzeptieren, daß die Apartheid niemals militärisch besiegt werden wird, und daß der effektivste Weg der der Verhandlungen ist, zu denen die Regierung über disziplinierte gewaltfreie Aktionen der Massen gezwungen wird. Und in diesem Bereich ist auch die Verweigererbewegung tätig, und hier versucht sie den kleinen, aber sehr wichtigen Teil zu erfüllen, um sicherzustellen, daß Südafrika frei wird.