Die juristische Aufarbeitung der Verbrechen von Osttimor kommt nicht voran

Die "Bilanz des Schreckens" ist noch nicht erstellt

von Elvira Treffinger
Krisen und Kriege
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Frankfurt a.M. (epd). "Alles brennt, es ist Krieg", berichtete die deutsche Wahlbeobachterin Ruth Lempp am 7. September 1999 über die Situation in Osttimor. Sie selbst war dem Albtraum zu diesem Zeitpunkt entflohen und ins australische Darwin evakuiert worden. In einer beispiellosen Welle der Zerstörung hatten pro-indonesische Milizen innerhalb weniger Tage große Teile Osttimors in Schutt und Asche gelegt. Sie mordeten, vergewaltigten, plünderten.

Der Terror geschah aus Rache für die Volksabstimmung, in der 78,5 Prozent der Wähler am 30. August für die Unabhängigkeit von Indonesien gestimmt hatten. Der Wahltag selbst verlief relativ ruhig. Doch schon am 1. September beschossen Milizen das UN-Hauptquartier in Dili, verfolgten ausländische Journalisten, zertrümmerten vor laufenden Kameras Fenster und Türen von Hotels.

"Die Vereinten Nationen standen in Osttimor mit dem Rücken zur Wand", erinnert sich Monika Schlicher von der Menschenrechtsorganisation "Watch Indonesia". Hilflos mussten UN-Mitarbeiter den Gewaltexzessen zusehen, fanden sich selbst von feindseligen Milizen umzingelt. Blauhelme zum Schutz der Bevölkerung waren nicht stationiert. Für die Sicherheit sollte die indonesische Armee sorgen. Doch die erwies sich als "Feuerwehr und Brandstifter".

"Es gab eindeutig ein Zusammenwirken zwischen Milizen und indonesischen Militärs", erklärt Sabine Leutheusser-Schnarrenberger. Die frühere Bundesjustizministerin hatte im November und Dezember 1999 die Gräuel in Osttimor als Mitglied einer UN-Kommission untersucht. Oft seien die Milizionäre vorne gewesen, "Militärs blieben in der zweiten Reihe".

Die Bilanz des Schreckens ist noch nicht erstellt. Die Schätzungen über die Zahl der Ermordeten schwanken zwischen 1.000 und 5.000. Laut Leutheusser-Schnarrenberger wurden nur rund 150 Leichen gefunden. "Aber es kam unstreitig zu fürchterlichen Massakern, etwa in der Kirche von Liquisa, in Suai oder beim Sturm auf die Residenz von Bischof Belo in Dili, wo sich Tausende von Flüchtlingen befanden."
 

Der FDP-Politikerin steht noch das "Grauen vor Augen". Zeugen berichteten, dass Leichen in Suai an der Kirche verbrannt, zum Meer oder nach Westtimor gebracht wurden. Die Täter bemühten sich, keine Spuren zu hinterlassen. Ein internationales Tribunal könnte die Geschehnisse aufklären, die Verantwortlichen zur Rechenschaft ziehen, betont Schlicher. Doch die UN stellten diesen Vorschlag zurück.

Bis heute wurde niemand angeklagt, weder in Indonesien noch in Osttimor, das unter UN-Verwaltung auf die Unabhängigkeit vorbereitet wird und seine Justiz erst aufbauen muss. Die indonesische Generalstaatsanwaltschaft verhörte zwar mehrere Generäle, hat es angesichts der starken Stellung des Militärs aber schwer. Vor wenigen Tagen beschloss die Beratende Volksversammlung in Jakarta, dass die Armee bis zum Jahr 2009 Vertreter ins Parlament entsenden darf. Und der geplante Menschenrechtsgerichtshof darf nicht über zurückliegende Verbrechen urteilen.

Leutheusser-Schnarrenberger fühlt sich den Menschen verpflichtet, die sie im zerstörten Osttimor traf. Familien, die Angehörige verloren hatten, warteten stundenlang, um vor der UN-Kommission auszusagen. Frauen waren dabei, die vergewaltigt worden waren, und kaum sprechen konnten. "In unzähligen Gesprächen haben sie gesagt: Wir wollen, dass dieses Unrecht nicht ungesühnt bleibt."

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Elvira Treffinger ist Redakteurin beim epd.