Die Elitekämpfer für den Kriegseinsatz, ab April 1997 einsatzbereit

von Tobias Pflüger

Die Bundeswehr hat seit neuestem eine "Para-Kommando-Brigade für den Guerillakampf". Diese Elitetruppe soll "mit ihren Spezialwaffen hinter den feindlichen Linien abspringen, gegnerische Kommunikationsnetze zerstören oder militärische Hauptquartiere im Hinterland lahmlegen".

Derzeit wird "das Agieren aus dem Hinterhalt sowie das Vorgehen nach Handstreichmanier" geübt, ebenso der "Umgang mit Sprengmitteln, Nah- und Häuserkampf". Das neue Kommando Spezialkräfte, das in Calw angesiedelt ist, ist die Elitetruppe der neuen Bundeswehr. Die alte Bundeswehr gibt es nicht mehr, inzwischen gibt es eine neue Bundeswehr, mit neuer Strategie, neuer Struktur und bald neuer Bewaffnung. Die neue Bundeswehr greift weltweit ein, hat kleinere schlagkräftigere Truppen und mobilere Waffensysteme. Diese Entwicklung hin zur neuen Bundeswehr zeigt sich besonders deutlich an diesem Kommando Spezialkräfte. Über die neue Bundeswehr wird die Bevölkerung bewußt im Unklaren gehalten, auch das läßt sich am Kommando Spezialkräfte exemplarisch aufzeigen.

Vorgeschichte des Kommando Spezialkräfte: Politisch auf kaltem Wege eingeführt

Vom Kommando Spezialkräfte ist seit der Rettung von Mitarbeitern der Deutschen Welle aus Kigali 1994 öffentlich immer wieder die Rede, doch die Planungen reichen weiter zurück: So schrieb die Zeitung "DIE WELT" im Jahre 1995, daß "bislang ohne viel öffentliches Rampenlicht, schon seit Jahren experimentiert" werde an einem Kommando Spezialkräfte. Die Planungen für diese reine Elitekampftruppe der Bundeswehr wurden dem Bundestag aber erst am 15.03.1995 vorgelegt und zwar im Rahmen des Strukturanpassungskonzeptes. Mit diesem Konzept wurde die Umstrukturierung der Bundeswehr konkretisiert: Sie sollte schlagkräftiger werden und ausgerichtet werden auf ihre neuen weltweiten Einsätze. Die öffentliche Diskussion im März 1995 nach Vorlage des Konzeptes drehte sich aber nur um Kasernenschließungen. Das neue Kommando Spezialkräfte wurde politisch auf kaltem Wege eingeführt und kaum einer hat es gemerkt.

Was ist das Kommando Spezialkräfte genau?

Das Kommando Spezialkräfte besteht aus 1.000 Soldaten, davon sind 850 Berufs- und Zeitsoldaten (also 85 %) und nur 150 Wehrpflichtige, die als Fahrer, Bürokräfte und Küchenhilfen eingesetzt werden. Das Kommando Spezialkräfte ist Teil der Krisenreaktionskräfte, die zu 80 % aus Berufs- und Zeitsoldaten bestehen. Es handelt sich also quasi um eine Berufsarmee innerhalb der Bundeswehr. Die Diskussion um die Wehrpflicht erscheint unter diesen Voraussetzungen in einem anderen Licht.

Die Truppe ist aufgeteilt in 4 Kommandokompanien, jeweils eine Stabs- und eine Fernspähkompanie, eine Unterstützungskompanie, dazu gibt es ein Ausbildungs- und Versuchszentrum. Der Kern der Truppe für den eigentlichen Kampf sind die vier Kommandokompanien, die jeweils ca. 80 Mann stark sind und wiederum aus Führungsgruppe und je vier Zügen zu vier Kommandotrupps mit je vier Soldaten bestehen. "Die Züge dagegen werden sich voneinander durch ihre Spezialisierung auf unterschiedliche Formen des Eindringens (Infiltration) in das gegnerische Gebiet unterscheiden. Der jeweils erste Zug wird spezialisiert auf das Eindringen zu Land, der zweite auf vertikales Eindringen aus der Luft. In den dritten Zügen werden die Spezialisten für amphibische Operationen zusammengefaßt, in den vierten Zügen die für den Kampf im Gebirge und unter arktischen Bedingungen." Die zweite wichtige Komponente des Kommando Spezialkräfte sind Soldaten im Bereich Informations- und Kommunikationstechnik. Der offizielle Auftrag des Kommando Spezialkräfte ist:

" - Gewinnung von Schlüsselinformationen in Krisen- und Konfliktgebieten

- Schutz eigener Kräfte auf Distanz und Schutz von Personen in besonderer Lage

- Rettung und Evakuierung deutscher Staatsbürger in besonderer Lage

- Abwehr terroristischer Bedrohung, Kampf gegen subversive Kräfte sowie verdeckte Operationen im Aufgabenbereich der Streitkräfte

- Kampfeinsätze auch im gegnerischen Gebiet, einschließlich Lähmung und Zerstörung wichtiger Objekte".

Öffentlich bekannt wurde bisher als (Haupt-)Aufgabe des Kommando Spezialkräfte vor allem die "Rettung Deutscher im Ausland".

Neonazistische Kämpfer? Patenschaft für Elite-Wehrmachtseinheit

In der Zeitschrift STERN wurde berichtet, daß Neonazis gezielt dazu aufgerufen werden, "eine Ausbildung bei der Bundeswehr oder Polizei in Erwägung zu ziehen mit dem Ziel, sich in besonders qualifizierten Spezialeinheiten das nötige Wissen und Können anzueignen". Damit wäre besonders das Kommando Spezialkräfte im Zielfeld der Neonazis.

Das Kommando Spezialkräfte hat außerdem die Patenschaft für das sogenannte "Kameradenhilfswerk" der 78. Sturm- und Infanteriedivision der Wehrmacht vom ehemaligen Fallschirmjägerbatallion 251 übernommen. Diesem "Kameradenhilfswerk" gehören diejenigen Wehrmachtssoldaten an, die bewußt die damalige Tradition pflegen: Sie treffen sich regelmäßig in der Calwer Bundeswehr-Kaserne zu Kameradschaftsabenden, z.B. auch mit G 3 -Übungsschießen. Die "Alten Kameraden" haben bei der Bundeswehr in Calw einen eigenen "Traditionsraum". Sie werden betreut von Offizieren der Calwer Bundeswehr. Das historisch erschreckende: Die 78. Sturm- und Infanteriedivision der Wehrmacht war 1943 die einzige Sturmdivision der Wehrmacht. Sie "gehörte zu den Speerspitzen von Hitlers Wehrmacht". Die Eliteeinheit der Bundeswehr, das Kommando Spezialkräfte, übernimmt die Patenschaft für "Alte Kameraden" der Eliteeinheit der Wehrmacht. Hier werden von der Bundeswehr historische Zusammenhänge hergestellt. Ein ausgemachter Skandal!

Neue Waffen für die neuen Krieger.

Die Einsatzbereitschaft des Kommando Spezialkräfte wird mit oberster Priorität vorangetrieben. Damit das Kommando Spezialkräfte in den Krieg ziehen kann, braucht die neue Truppe modernste Ausrüstung: Neben Splitterschutzwesten und Nachtsichtgeräten auch eine Weste mit speziellen Haltevorrichtungen, Magazintaschen mit besonderen Zugriffsmöglichkeiten und einem Mikrofon, das mit der Bewegung der Lippen angeschaltet werden kann.

Die Beschaffungen für das "Kommando Spezialkräfte" sind z.T. schon vollzogen worden:

So schreibt etwa das "Deutsche Waffenjournal (DWJ) bezüglich der Einführung der neuen Handfeuerwaffe G 36: "Zur Deckung eines kurzfristig auftretenden Bedarfs für das neu aufzustellende Kommando Spezialkräfte beschaffte die Bundeswehr eine weitere Variante des Gewehrs G 36 - das Gewehr G 36 k." Auch die Beschaffungsprojekte im Kommunikationsbereich (dort liegt eindeutig der Schwerpunkt) und die persönliche (Waffen-)Ausrüstung der Soldaten - dazu zählen Nachtsichtgeräte, Blendgranaten und Scharfschützenwaffen - werden bei den Calwern bald eintreffen. Doch auch die neuen Großgeräte der Bundeswehr sollen als erstes in Calw zum Einsatz kommen: Der neue Kampfhubschrauber Tiger und der neue Transporthubschrauber NH 90 sind hier zentrale Kampfinstrumente. Ein Teil der mindestens 215(!) neuen Beschaffungsprojekte für die neue Bundeswehr wird als erstes in Calw zu besichtigen sein. Auch ansonsten ist das KSK nicht billig: 23 Millionen DM gibt Bonn für die Aufstellung und Ausbildung der Spezialtruppe aus. Dazu kommen 50 Millionen DM, die in den Umbau der Calwer Graf-Zeppelin-Kaserne gesteckt werden. Aufgrund einer vorausgegangenen Diskussion in Calw, der Gemeinderat wollte in seiner großen Mehrheit Anfang 1995 den Bundeswehrstandort zugunsten eines Wohn- und Gewerbegebietes auflösen, wird sehr darauf geachtet, daß einheimische Bauunternehmer die Aufträge bekommen.

Verfassungswidrige Truppe

Derzeit sind ein Teil der geplanten Einsätze des Kommando Spezialkräfte eindeutig verfassungswidrig. Das Bundesverfassungsgericht hat zwei Voraussetzungen vor Einsätzen der Bundeswehr außerhalb des NATO-Gebietes gestellt: 1. Der Bundestag muß vor einem Einsatz diesem mehrheitlich zustimmen (Parlamentsvorbehalt). 2. Eine Militäraktion darf nur im Rahmen eines "kollektiven Sicherheitssystems" durchgeführt werden. Die Spezialtruppe Kommando Spezialkräfte soll aber auch bei rein deutschen Militäroperationen "genutzt" werden. Eine militärische Intervention soll auch dann möglich sein, wenn noch kein Bundestagsbeschluß vorliegt, da manche Einsätze geheim geplant werden müßten und manche Militäraktionen ganz schnell über die Bühne gehen müßten. Das sind zwei geplante Verfassungsbrüche!

Das sieht auch die Süddeutsche Zeitung so: "Ein Jahr werden die ersten Soldaten der Spezialkräfte geübt und trainiert haben, wenn sie zum April [1997] einsatzbereit sind. Sie könnten dann jederzeit in Einsätze geschickt werden. (...) Doch könnte ein solcher Einsatz unversehens zum ersten Kampfeinsatz der Bundeswehr ohne ausdrückliches Mandat des Bundestages geraten: Geiselnehmer pflegen sich nicht an Sitzungswochen in Bonn zu halten. Stellt sich die Frage, welches politische Gremium künftig über einen Einsatz der Spezialkräfte entscheiden soll. Inspekteur Willmann verweist solche Überlegungen in den ,definitorischen Bereich': ,Ich verhakele mich heute bestimmt nicht in verfassungsrechtlichen Fragen.' Als Soldat kann Willmann die Antwort schuldig bleiben. Sein oberster Dienstherr, Verteidigungsminister Volker Rühe, wird sie jedoch demnächst geben müssen". Und weiter: "Über so viel Faszination von Können und erstklassiger Ausrüstung wird nur allzu leicht die Frage vergessen: Warum muß ein deutscher Soldat das können?" (SZ vom 18.06.96) Hans Arnold, ehemaliger Botschafter der Bundesrepublik Deutschland in Italien und den Niederlanden, schreibt, daß die "Aufstellung und Aufgabenstellung" der Krisenreaktionskräfte und insbesondere des Kommando Spezialkräfte "politisch, militärisch und unter ethischen Gesichtspunkten die Qualität einer zweiten Wiederbewaffnung" haben. Die Bundesregierung läßt die Bevölkerung, - wie damals - über ihre eigentlichen Absichten uninformiert: "Bis April 1997 soll es so weit sein, daß er [der erste Kommandozug des Kommando Spezialkräfte] 'Festgehaltene retten und befreien' kann, wie die Verantwortlichen bewußt verschleiernd formulieren". Die Truppenpraxis wird genau von diesen "Verantwortlichen" herausgegeben, vom Verteidigungsministerium.

Die neue Bundeswehr zeigt sich schlaglichtartig im neuen Kommando Spezialkräfte in Calw: Hier werden Soldaten nur noch für Kampf- und Kriegseinsätze ausgebildet. Wehrpflichtige haben beim Kommando Spezialkräfte praktisch keine relevanten militärischen Aufgaben. Die Elitetruppe besteht aus Berufs- und Zeitsoldaten, womöglich ein Vorgriff auf die zukünftige Berufsarmee. Die neue Strategie der Bundeswehr wird in Calw wohl konkreter ausgelegt als bisher. Nun werden von Calw aus Einsätze gestartet werden, die nicht mehr als "Hilfe" deklariert werden (können). Die ersten Calwer Einsätze werden noch gefangenen Deutschen im Ausland gelten, später stehen dann die reinen Kriegseinsätze im Vordergrund. Die neue Struktur der Bundeswehr ist konzentriert auf Truppen wie das Kommando Spezialkräfte oder andere (auch international oder europäisch eingebundene) Kampftruppen. Die Hauptverteidigungskräfte haben inzwischen auch die Funktion, möglichst viele Wehrpflichtige dazu zu bringen, sich - für mehr Geld - länger zu verpflichten, um dann auch im Ausland eingesetzt zu werden.

Aufruf zur Informations- und Diskussionsoffensive mit und über die neue Bundeswehr!

Wir von der Informationsstelle Militarisierung (IMI) e.V. haben das Kommando Spezialkräfte bewußt als einen wichtigen Schwerpunkt herausgesucht, weil sich anhand des Kommando Spezialkräfte die neue Bundeswehr schlaglichtartig zeigt.

Wir wollen, daß die Elitekampftruppe der Bundeswehr, das Kommando Spezialkräfte in Calw, sofort wieder aufgelöst wird!

Dieser Meinung ist auch die gesamte baden-württembergische Friedensbewegung. Deshalb wurde am 23.11.1996 auf der baden-württembergischen Friedenskonferenz beschlossen, am Ostermontag, dem 31.03.1997 (siehe weitere Ostermarschtermine, Seite 9) am Standort des Kommando Spezialkräfte einen landesweiten Ostermarsch durchzuführen.

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Hintergrund
Tobias Pflüger ist stellvertretender Vorsitzender der Partei Die Linke. 1996 war er einer der Initiatoren für die Gründung der Informationsstelle Militarisierung (IMI).