Die Friedensbewegung in der Tschechischen Republik

von Jan Sumavsky

Bis zu der samtenen Revolution im November 1989 gab es in der Tschechoslowakei eine starke Friedensbewegung, an deren Spitze der tschechoslowakische Friedensausschuß stand, der sich aus verschiedenen namhaften Persönlichkeiten zusammensetzte. Viele Bürger meldeten sich zu diesem, vielleicht deshalb, weil sie sich so de facto in einem Gebiet engagieren konnten, das de facto außerhalb eines politischen Spektrums und vor allen Dingen außerhalb der Parteiszene angesiedelt war.

Die Mehrheit wünschte sich auch die Erhaltung des Friedens. Die ganze Sache hatte einen kleinen Fehler. Nämlich darüber, wie der Frieden in der Welt aussehen soll und wer diesen Frieden bedroht, entschied alleine die kommunistische Partei und deren ideologischer Apparat. Dieses ist aber nur eine Seite der ganzen Angelegenheit. Wenn zwei sich streiten, dann ist es sehr selten, daß einer davon ein Lamm ist. Während der Existenz der bipolaren Teilung der Welt gab es Befürworter einer Gewaltlösung und junge Zivilisten, die den Krieg befürwortet haben, nicht nur auf einer der beiden Seiten. Es ist zwar nicht zu einem globalen Krieg gekommen, aber auf der anderen Seite zu einer Reihe von Kriegen und bewaffneten lokalen Aktionen, deren Urheber sich aus den vielen "Welten" rekrutierten, in die die Gesamtwelt sich aufteilte. Ihren Sinn also hatten solche Aktionen, wie z.B. gegen die Waffen der globalen Zerstörung oder die Weltfriedenskonkresse, Palme- und andere Friedensmärsche, aber auch solche Aktionen, wie z.B. der traditionelle tschechisch-deutsche Dialog in Marienbad. Nach November 1989 zerfiel die in der Tschechoslowakei existierende Friedensbewegung. Im Februar 1990 wurden gleich drei neue Organisationen gegründet. Vor allem spaltete sich der slowakische Teil ab und gestaltete sich in der Slowakei als slowakische Union für Frieden und Menschenrechte. Es ist logisch, daß auf einer ähnlichen nationalistischen Grundlage sich gleichzeitig auch die tschechische nationale Bewegung des Friedens und der Menschenrechte etablierte. Außer diesen entstanden einige Organisationen und Vereinigungen zur Verteidigung der Menschenrechte und vor allem hunderte, sogar einige Tausende verschiedene humanitäre Stiftungen. Sie hatten allerdings gemeinsam, daß die Mittel für ihre Tätigkeit zuerst irgendwo gewonnen werden mußten. Was die Organisation der Friedensbewegung betrifft, entstanden in dem damaligen tschechischen Teil des Staates sogenannte Informationszentren der Friedensgruppen. Neben den beiden bereits erwähnten sind deren Mitglieder die Vereinigung von Helsinki in der Tschechischen Republik, früher Tschechoslowakischen Republik, und die Liga für die Verteidigung der Rechte der Kinder und der Jugend. Außerdem entstanden der Friedensclub der Freunde von John Lennon, Shalom, eine unabhängige Friedensbewegung und eine Bewegung der Künstler für den Frieden. Die einzelnen Organisationen kooperieren zwar miteinander, aber die Ausrichtung ihrer Tätigkeit ist eigentlich ziemlich unterschiedlich. Die Vereinigung Helsinki in der Tschechischen Republik richtet sich vor allen Dingen auf die Erziehung zur Demokratie und ist ganz klar pro-europäisch orientiert. Die tschechische nationale Bewegung hat zwar mehr geführte Mitglieder, aber sie widmet sich eher den friedenspolitischen Aspekten der Innenpolitik, während die tschechische Friedensgesellschaft die reichhaltigsten internationalen Beziehungen pflegt, und ihre Tätigkeit ist sehr breit gestreuet. Die Liga für die Verteidigung der Rechte der Kinder und Jugendlichen hat sich nach und nach auf die Verteidigung der Rechte der Ethnien orientiert, wogegen Shalom eher ökumenisch orientiert ist und sich vor allem mit den humanitären Fragen befaßt. Von der Gesamtmenge der anderen Organisationen sollte man vor allem den tschechoslowakischen Helsinki-Ausschuß erwähnen, der sich auf die Problematik der Menschenrechte spezialisiert, die Stiftung von Georg von Dodebrach für europäische Zusammenarbeit und die Vereinigung für ein europäisches Haus, dessen Ausrichtung evident ist.

In der Slowakei kam es zu einem ähnlichen Entwicklungsprozeß bis auf die Tatsache, daß das Bündnis der hauptsächlichen Friedensorganisationen nicht so eng ist. Die tschechische Friedensgesellschaft ist durch ihre Ausrichtung verbunden mit dem Helsinkiprozeß in seiner ganzen Breite. Sie thematisiert die Fragen des äußeren und des inneren Friedens, die Fragen der Militärpolitik, der Menschenrechte, der Friedenserziehung und der Erziehung zu Gewaltlosigkeit. Zu den Hauptprioritäten ihrer Tätigkeit gehört es, zur Erhaltung der freundschaftlichen Beziehungen und einer breiten Zusammenarbeit zwischen den europäischen Völkern beizutragen, insbesondere mit den Nachbarschaftsstaaten und eben auch zwischen den Tschechen und Slowaken. Eine große Aufmerksamkeit widmet sie ebenfalls den Weltfriedensproblemen, wie z.B. dem Verbot von Waffen und Landminen. Die tschechische Friedensgesellschaft hat relativ breite internationale Kontakte mit ähnlich orientierten Organisationen und Vereinigungen und mit sehr vielen Bürgern anderer Länder. Außer der engen Zusammenarbeit mit den slowakischen hat sie auch Kontakte zu den deutschen Organisationen. Sehr eng arbeitet sie zusammen mit den Dresdener Friedensinitiativen und mit dem Ständigen Arbeitsausschuß für Frieden und internationaler Verständigung aus Berlin, ebenfalls mit den Veranstaltern der regelmäßig zu Ostern abgehaltenen Fahrten der Jugend nach Leipzig. Weiter unterhält die Tschechische Friedensgesellschaft Kontakte zu Deutschen Friedensgesellschaft - Vereinigte KriegsdienstgegnerInnen (DFG-VK), zur Friedensinitiative Nottuln und zu der Union der deutschen Föderalisten. Gemeinsam mit der Mehrheit dieser Organisationen veranstaltet sie jedes Jahr den tschechisch-deutschen Dialog in Marienbad. Der größte bisherige Erfolg dieses Dialogs war der gemeinsame Beschluß der tschechisch-deutschen Deklaration der Friedensgruppen. Die Veranstaltung der Konferenzen und der Seminare sind die Hauptformen, durch die die tschechische Friedensgesellschaft ihre Ansichten ausdrücken kann. Demgegenüber hat sie, genauso wie andere Organisationen ähnlichen Charakters, keine große Möglichkeit, die Presse und die Massenkommunikationsmittel zu nutzen. Man muß konstatieren, daß die Nicht-Regierungsorganisationen eigentlich bei den jeweiligen Establishment nicht beliebt sind, weil sie dieses zu sehr "belästigen". Gehört werden bei uns nur solche, die an die regierenden politischen Kreise angekoppelt sind und meist reichlich aus dem westlichen Ausland finanziell unterstützt werden und deren Aktionen nicht nur die Orientierung, sondern auch die Handlungen der Regierungspolitik unterstützen. Was die anderen betrifft, ist es nötig zu sagen, daß die Mehrheit politisch mittig orientiert ist, daß sie sich benimmt wie ein toter Käfer. Daraus resultierte verständlicherweise, daß deren materielle und finanzielle Unterstützung von Seiten des Staates nur minimal ist. Zum Schluß ist es notwendig zu konstatieren, daß vor allem die Friedensinitiativen nicht im Mittelpunkt des Interesses der breiten Massen stehen. Nicht nur, daß diese Massen andere Sorgen haben, angefangen von den Unternehmen bis zu sozialen Sorgen, sondern auch deshalb, weil weder in der heutigen Zeit noch in der nächsten Zukunft eine Bedrohung des Friedens unmittelbar ansteht. Wir wissen, daß aus der Sicht des Friedens und der Sicherheit bei weitem in der Welt nicht alles in Ordnung ist, aber auf der anderen Seite sind wir nicht so ganz böse darum, denn das Leben in Ruhe und ohne Furcht und Angst ist eigentlich unser Ziel. Wir müssen uns nur ein bißchen anstrengen, damit dieser Zustand so anhält.

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Hintergrund
Dr. Jan Sumavsky ist Geschäftsführer der Tschechischen Friedensgesellschaft.