Toxin- und B-Waffen vom Reißbrett:

Die Friedensbewegung muß sich um die Gentechnik kümmern

von Manuel Kiper

Die Konzentration der Friedensbewegung auf die atomare Bedrohung hat ihr Breite und Bedeutung gegeben. Der nukleare Winter als gesichert prognostiziertes Leichentuch für die ganze Menschheit im Gefolge einer größeren atomaren Auseinandersetzung hat den Atombomben viel von ihrer Abschreckungslogik wie von ihrer Einsetzbarkeit genommen. Neues Denken in der Sowjetunion und die Erfolge der weltweiten Friedensbewegung sind erst vor diesem Hintergrund verständlich.

Die Hinwendung der Militärs zu konventionellen Waffensystemen stellt eine neue Herausforderung für die Friedensbewegung dar, wie auch die Hinwendung der Militärs zu den anderen Massenvernichtungsmitteln, den B- und C-Waffen unsere verstärkte Aufmerksamkeit finden muß. Diese haben im Zeitalter der Gentechnik für die Militärs eine ungeahnte Attraktivität gewonnen, sind nunmehr doch maßgeschneiderte Toxin- und B-Waffen greifbar geworden.

Verteidigungsinitative aus dem Reagenzglas
Der Krieg mit Genen, Giften und Mikroben, das Schlachtfeld im Zeitalter von Gen- und Biotechnik wird auf den stoffwechselphysiologischen Reißbrettern der Geningenieure und Wehrmediziner schon entworfen. Die SDI-Verteidigungsoffensive im Weltraum wird ergänzt durch eine Verteidigungsoffensive aus dem Reagenzglas. Die Mittel für die Erforschung des Kriegs mit Genen, Giften und Mikroben sind seit 1978 in den USA um über 500 % gestiegen, in der Bundesrepublik wurden seither die Ausgaben hierfür vervierfacht. 1987 liefen für das Pentagon bereits 88 explizit gentechnische Forschungsprojekte, einige davon werden auch in Europa abgewickelt. Über 60 Mio$ wurden allein für die B-Waffenschutzforschung in den USA ausgegeben. In der Bundesrepublik laufen bislang wenigstens drei explizit gentechnische Forschungsprojekte für das Bundesministerium für Verteidigung (BMVg). Die geheime Forschungsliste weist insgesamt ca. 150 Projekte der "Wehrmedizin" aus, für die im Bundeshaushalt 1989 ca. 25 Mio DM bereitgestellt werden. Seit 1978 sind die Mittel aus dem Verteidigungshaushalt für wehrmedizinische Forschung und Entwicklung von 0,2 auf 0,5 % des Bundeshaushalts gesteigert worden. Die Gesamtausgaben für den Bereich des B- und C-Waffenschutzes liegen allerdings wesentlich höher; 100 Mio DM werden für ABC-Schutzmaterial bereit gestellt, allein die wehrwissenschaftliche Dienststelle der Bundeswehr für ABC-Schutz in Münster beschäftigt fast 400 Personen ... In den USA ist das B-Waffenschutzprogramm (Entwicklung, Herstellung und Lagerung sind seit 1972 international verboten!) eingebettet in das offensive C-Waffenprogramm; die Gesamtausgaben für dieses Programm betragen fast 2 Mrd $.
 

Die Büchse der Pandora wird geöffnet
In der Bundesrepublik wird trotz des 72er Abkommens und obwohl schon 1954 die BRD auf B-Waffen verzichtet hat, immer dreistere B-Waffenforschung vom BMVg beauftragt: So werden nicht nur Forschungen beauftragt, um die Lebensfähigkeit luftgetragener Keime vergleichend zu bestimmen, um damit Aussagen zu bekommen über die Langlebigkeit krankmachender Erreger nach aerogener Ausbringung. Vielmehr läuft eine ganze Palette für den Laien schwer nachvollziehbarer B-Waffenforschungen, die sich im Rahmen der geheimen bereits erwähnten 150er Liste des BMV g so liest: "Immunisierung mit Clostridientoxinen über den Respirationstrakt", "Untersuchungen zur Verbesserung der Kompatibilität des Kombinationsimpfstoffs gegen Gasbrand-Tetanus", ''Untersuchungen zur Ausbildung eines aktiven Schutzes sowie Anwendung monoklonaler Antikörper zum immunologischen Schutz gegen Trichothecene", "Untersuchungen zum Schnellnachweis von kombinierten Toxinkampfstoffen".
Welches auch offensiv verwendbare Know-How sich das Bundesverteidigungsministerium durch die systematische Erforschung der B-Waffen anhäuft, kann nur erahnt werden. Ergänzend sollen hier ein paar Punkte aus den US-Budgetunterlagen des Jahres 1987 aufgeführt werden. "Eine Methodik wurde entwickelt um Ausbrüche von Rift Valley Fieber vorher¬zusagen. Diese Information spart Zeit, um prophylaktische Maßnahmen zu planen und umzusetzen, z. B. Impfungen und Moskitokontrolle, bevor US-Truppen in Gebiete entsandt werden können, wo die Krankheit  natürlicherweise auftritt." "Wir konnten zeigen, daß T-2-Toxin verabreicht über den Luftweg um ein Vielfaches wirkungsvoller ist als auf anderen Wegen." Gentechnik ermöglicht die Neukonstruktion von Giften und Krankheitserregern, ermöglicht die Aufklärung der molekularen Wirkungsweise, erlaubt die Etablierung von Schnell-nachweisen und Impfstoffen.

B-Waffenkrieg wird geprobt: heiße Labors geben in Betrieb
Seit 1984 laufen in den USA Anstrengungen, um in Dugway/Utah ein Höchstsicherheitslabor für das Pentagon zu errichten, um das Funktionieren der Schnellnachweise, der Impfstoffe und der physikalischen Schutzmaßnahmen unter Realbedingungen zu proben. Die Errichtung dieser Aerosol testing facility konnte bis heute verhindert werden. Umso bedenklicher ist, daß die Bundeswehr in Munster in der WWDBw für ABC~ Schutz in wenigen Monaten einen ent¬sprechenden Komplex in Betrieb nehmen wird, um Krankheitserreger in Realversuchen zu testen.

Die Aufgaben der Friedensbewegung
Die Friedensbewegung muß die Ge¬fahren erkennen, die daraus erwachsen, daß sich die Militärs verstärkt den Toxin- und B-Waffen zuwenden, die ihnen die Gentechnik maßgeschneidert zu liefern verspricht. Die B-Waffenkonvention von 1972 muß ausgeweitet werden auf das Verbot der B-Waffenforschung. Die 1990 stattfindende dritte Oberprüfungskonferenz zur B-Waffenkonvention muß vorbereitet werden, um endlich Verifikationsmaßnahmen in Abkommen zu verankern. Darüber hinaus müssen wir vor Ort Schritte unternehmen, um den B-Waffenforschern an den Unis Schwierigkeiten zu machen und den Militärs in Munster und anderswo die Gentechnik und die B-Waffen ( am besten natürlich alle Waffen) zu verleiden. Die Bundesrepublik muß die ABC-Waffenforschung einstellen.
 

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