Dreijahreskonferenz des IPB

"Die Globalisierung des Friedens"

von Eva Quistorp Guido Grünewald
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"Die Globalisierung des Friedens" - unter diesem Motto fand vom 12.-15. Oktober in Nanterre bei Paris die Dreijahreskonferenz des Internationalen Friedensbüros (IPB = International Peace Bureau) statt.

Globalisierung, dieser Begriff wurde in Nanterre zurückerobert und geistig besetzt mit der Hoffnung auf globalen Frieden, die Universalität der Menschenrechte sowie auf den partnerschaftlichen Dialog der Kulturen. Dies kann nämlich durch die herrschende Globalisierung unter der Regie der militärischen Supermacht der USA, des IWF sowie korrupter und chauvinistischer Eliten in vielen Ländern, die Demokratisierung und Deeskalation von sozialen Konflikten verhindern, nicht erreicht werden. Die Propagierung der Globalisierung des Friedens dagegen steht im Bündnis mit den medialen Minderheiten, die auf die Schattenseiten des neoliberalen Raubzuges verweisen, der unter dem Druck und der demokratisch vollkommen unkontrollierten Herrschaft von spekulativen Finanzströmen und multinationalen Konzernen geschieht. Die internationale Friedenskonferenz in Nanterre und die Erklärung von Nanterre sind so auch als Solidarität mit den Protesten in Seattle, Prag und Bangkok zu verstehen, an denen auch Friedensgruppen beteiligt waren, um Widerstand gegen die immer größere Spaltung in Superreiche und Marginalisierte in der politischen und Medien-Öffentlichkeit zu artikulieren.

Die Friedenskonferenz brachte sehr unterschiedliche Gruppen zusammen: Beispielsweise den Appell des Cents aus Frankreich, der gegen die französichen Atomwaffen und gegen die Natointervention in Jugoslawien aktiv ist, Frauen der alten christlichen Friedensbewegung aus England, die ihre Radikalität aus den 80er Jahren bewahrt haben, junge Männer neuer Friedensgruppen aus Sierra Leone und Ghana sowie japanisch-buddhistische Mönche wie Teresawa-san, die zusammen mit jungen Friedensaktivisten aus England in Moskau und Grosny gegen den Tschetschenienkrieg aktiv sind unddort Flüchtlinge und Gemeinschaftsprojekte mit Hilfe von EU-Geldern unterstützen. Die verschiedenen Arbeitsgruppen umfassten Themen und Kampagnenschwerpunkte des Haager Appells wie Friedenserziehung, Massenmedien und Krieg, Natostrategien sowie Kosovo. Ermutigend in Nanterre war die Brücke, die zwischen den Friedensbewegungen der 80er Jahre, dem Protest gegen die Natointerventionen und den aufkommenden jungen Friedensbewegungen in Asien und Afrika geschlagen wurde.
 

Das IPB ist eine der ältesten internationalen Friedensorganisationen der Welt. Das Büro versteht sich als weltweites Netzwerk von Friedensorganisationen und -gruppen und betrachtet Frieden als eine globale Aufgabe, bei der die wirtschaftlichen und sozialen Machtverhältnisse nicht ausgeblendet werden dürfen. In der zum Abschluss der Konferenz verabschiedeten "Erklärung von Nanterre" heißt es entsprechend:

"Eine bessere Welt für morgen bedeutet, dass wir unsere Waffen niederlegen, eine Kultur des Friedens fördern und der Globalisierung des Krieges ein Ende setzen müssen. Wir benötigen ein globales Friedensregime, das die aktive Beteiligung der Zivilgesellschaft auf einer Ebene mit Regierungen und internationalen Organisationen einschließt. Wir widersetzen uns der Globalisierung der Wirtschaft, die ein Mehr an Armut und Leiden verursacht und die Wahrscheinlichkeit lähmender Konflikte jeglicher Art erhöht hat. In diesem Zusammenhang beglückwünschen wir die - meist jungen - Menschen weltweit, die durch ihre Bemühungen die globale Aufmerksamkeit auf die negativen Wirkungen gelenkt haben, die aufgetreten sind. Das ist eine Globalisierung von oben, von und für Eliten. Wir wollen eine Globalisierung von unten, die der gesamten Menschheit Nutzen bringt, kulturelle Unterschiede respektiert sowie wirtschaftliche und soziale Ungleichheit beseitigt."

Nach dem Niedergang des realsozialistisch dominierten Weltfriedensrates ist das IPB das wichtigste internationale Friedensnetzwerk mit globaler Mitgliedschaft und einem breiten Politikansatz, der unter dem Slogan "Den Krieg abschaffen!" eine Vielzahl konkreter Kampagnen vereint. Das Büro zählt momentan ca. 200 Mitgliedsorganisationen, von denen allerdings etwa 30 in den letzten Jahren keine aktive Verbindung gehalten haben. Von den 21 Organisationen, die sich in Nanterre neu um die Mitgliedschaft bewarben, stammen 18 aus Ländern wie Aserbaidschan, Bangladesh, Guinea, Indien, Mauritius, Nepal, Nigeria, Pakistan, Philippinen, Thailand, Togo, Tschad und Uganda. Zwar erlaubt die Wahl regionaler Repräsentanten eine aktive Einbeziehung nicht-westlicher Friedensorganisationen, doch sorgen Herkunft und die ungleiche Ressourcenverteilung dafür, dass im IPB nach wie vor europäische Organisationen stärker vertreten sind, inzwischen auch eine starke Gruppierung aus dem Pazifik und Neuseeland, die seit Jahrzehnten für einen atomwaffenfreien Pazifik gekämpft haben. In den USA ist das Büro nur schwach vertreten, obwohl mit Cora Weiss erstmals eine US-Amerikanerin zur Präsidentin gewählt wurde (in Nachfolge der international bekannten schwedischen Politikerin MajBritt Theorin, die im IPB entschieden gegen gewaltsame "Konfliktlösung" und "humanitäre Interventionen" eingetreten war). Überlegungen, das organisationsinterne Nord-Süd-Gefälle durch einen internen Ausgleichsfonds einzuebnen, scheiterten bisher an der schwindenden finanziellen Basis der vergleichweise "reichen" europäischen Mitgliedsorganisationen.
Einen Schwerpunkt der Aktivitäten bildete in den letzten 3 Jahren die Arbeit für den Haager Appell und den internationalen Kongress 1999 in Den Haag - 100 Jahre nach der ersten internationalen Friedenskonferenz der Staaten dort -, bei dem das IPB einer der Hauptorganisatoren war. In der Folge des Haager Kongresses zeichnet das Friedensbüro verantwortlich für die Globale Kampagne für Friedenserziehung, die vorrangig zwei Ziele verfolgt: 1) Auf allen Ebenen des Bildungswesens Unterstützung der Politik und der Zivilgesellschaft für Friedenserziehung zu erzeugen sowie 2) Lehrer(innen) zu befähigen, Frieden zu lehren. Ein zweiter bereits traditioneller Schwerpunkt ist die Arbeit für atomare Abrüstung. Das IPB ist Mitgründer und aktiv im Netzwerk Abolition 2000 sowie in der Middle Powers Initiative, die innerhalb der UN-Strukturen und auf Regierungsebene den Druck auf die Atomwaffenstaaten zu verstärken sucht. Die bekannten indischen Journalisten Praful Bidwai und Achin Vanaik, führende Mitglieder der Indischen Bewegung für atomare Abrüstung (MIND), erhielten in Nanterre den diesjährigen Sean MacBride-Preis, den das Friedensbüro jährlich in Erinnerung an seinen ehemaligen Präsidenten und Friedensnobelpreisträger verleiht. Ebenfalls aktiv ist das IPB in der Kampagne für die Freilassung von Mordechai Vanunu, der in Nanterre zu einem der Vizepräsidenten gewählt wurde. Weitere Aktivitäten umfassen die Mitarbeit in der Kampagne zur Ächtung von Landminen sowie im Internationalen Aktionsnetzwerk gegen Kleinwaffen, die Sekretariatstätigkeit für das NGO-Komitee für Abrüstung in Genf und die jährliche Herausgabe einer Broschüre - zusammen mit dem Internationalen Versöhnungsbund - zum Internationalen Frauentag für Frieden und Abrüstung (24. Mai). Im Tschetschenienkrieg engagiert sich das IPB gemeinsam mit seiner Mitgliedsorganisation Centre for Peace Making and Community Development in Moskau. Aufgrund seines Konsultativstatus bei den UN besitzt das Büro Rederecht bei einigen UN-Organisationen und hat in diesem Zusammenhang sowohl einer Delegation tschetschenischer zivilgesellschaftlicher Organisationen wie auch anderen Gruppen aus Kriegsgebieten die Möglichkeit verschafft, ihren Standpunkt vor der UN-Menschenrechtskommission darzulegen.

Insgesamt kann das IPB zweifellos auf eine beeindruckende Tätigkeit verweisen. Dennoch und trotz ausgeprägten Kostenbewusstseins - neben dem Generalsekretär Colin Archer arbeiten lediglich projektbezogen Mitarbeiter hauptamtlich - befindet sich das Büro aktuell am Rande des Bankrotts. Die Beiträge der Mitgliedsorganisationen und die Zinsen aus dem Nobelpreisvermögen (1910 ging der Preis an das IPB) reichen nicht aus. Stiftungen vergeben zwar projektbezogene Zuschüsse, wollen aber nicht für die Büroinfrastruktur zahlen.
 

Auch wenn hier nicht der Platz ist, um Spenden zu bitten: Friedensgruppen und Einzelpersonen (ein individueller Beitritt ist möglich) können das Friedensbüro auch durch eine aktive Mitarbeit unterstützen. Das Büro ist unter folgender Adresse erreichbar: International Peace Bureau, 41, Rue de Zurich, CH-1201 Geneva, Schweiz, Tel 0041-22-7316429, Fax 7389419, email: mailbox [at] ipb [dot] org, http://www.ipb.org

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Eva Quistorp, Frauen für Frieden, MdEP a.D., ist Mitglied im IPB-Komitee.
Dr. Guido Grünewald ist internationaler Sprecher der DFG-VK und Vorstandsmitglied des EBCO.