Die IPPNW gratuliert Horst-Eberhard Richter zum 80. Geburtstag

von Ute Watermann

Die Ärzte und Ärztinnen für die Verhütung des Atomkrieges und in sozialer Verantwortung (IPPNW) gratulieren ihrem Gründungs- und Ehrenvorstandsmitglied Horst-Eberhard Richter herzlich zum 80. Geburtstag (*28.04.1923). Die IPPNW sagt Dank für die jahrzehntelange unschätzbar wichtige und unermüdliche Arbeit, die Horst-Eberhard-Richter für den Verein und die gesamte Friedensbewegung geleistet hat. Auch seiner ebenfalls für den Frieden und die Frauenrechte engagierten Frau Bergrun Richter wünscht die IPPNW nachträglich alles Gute zu ihrem 80. Geburtstag.

"Wer schon einmal mit Dir diskutiert, organisiert oder demonstriert hat, weiß genau, wofür Du seit mehreren Jahrzehnten und weit über die Grenzen Deutschlands hinaus große Anerkennung erfährst: Dein Gespür und Deine Kompetenz für die Befindlichkeit unserer Gesellschaft und für ihre Themen. Deine Initiative und Dein Engagement für unzählige Aktivitäten der IPPNW gegen eine atomare Bedrohung der Welt und für soziale Verantwortung von Ärztinnen und Ärzten", schreibt Stephan Kolb, Vorstandsvorsitzender der IPPNW Deutschland, im Gratulationsschreiben.

Horst-Eberhard Richter hat sich gemeinsam mit seiner Frau Zeit seines Lebens für eine Kultur des Friedens eingesetzt. Ob als Arzt, Psychoanalytiker, Direktor des Sigmund-Freud-Instituts in Frankfurt, Politikberater von Willy Brandt, Autor, Wissenschaftler, Sozialphilosoph und Gründungsmitglied der Ärzte zur Verhütung des Atomkrieges und in sozialer Verantwortung vor einundzwanzig Jahren: Immer hat Horst-Eberhard Richter sein Wissen und seine Erkenntnisse in den Dienst einer aktiven Friedenspolitik gestellt. Für ihn muss Medizin im Sinne ihrer lebenserhaltenden Aufgabe immer pazifistisch sein. Seine Gedanken und Inspirationen haben die IPPNW, die Ärzte und Ärztinnen für Frieden, wie er sie nennt, entscheidend geprägt.

Horst-Eberhard Richter ist bis heute eine wichtige Stimme in der friedenspolitischen Diskussion. Er hat als einer der ersten aus der Friedensbewegung den Schulterschluss mit der globalisierungskritischen Bewegung attac gesucht. Und er hat die Kongressreihe "Kultur des Friedens" initiiert.

Kontakte: Ute Watermann 030-698 074-14, Internationale Ärzte für die Verhütung des Atomkrieges (IPPNW), Körtestr. 10, 10967 Berlin, Tel.: 030-698074-0, Fax: 030-6938166

Besessenheit stiftet nur Unfriedlichkeit

Echter Friede ist nur möglich, wenn dem politischen Handeln die Erkenntnis des Aufeinander-Angewiesenseins in der Weltgemeinschaft zu Grunde liegt. Die vermessene Politik der US-Amerikaner diene deshalb nicht der Friedlichkeit, urteilt Horst-Eberhard Richter.

Wir dokumentieren in Auszügen die Rede von Horst Eberhard Richter, die er am 1. Mai in Berlin beim Kongress "Kultur des Friedens" gehalten hat:

(...)

Als wir Ärztinnen und Ärzte Anfang der 80er Jahre mit unserer Friedensorganisation IPPNW auf den Plan traten, hatten wir zwei Botschaften. Die eine hieß: Ein Atomkrieg tötet ohne jede Chance ärztlicher Hilfe. Die andere lautete: Das atomare Wettrüsten erhöht nur die Gefahr, dass die Abschreckung irgendwann versagt. Also kann der Frieden nur gemeinsam, das heißt durch Verständigung gefunden und gesichert werden. Weil wir nach diesem Prinzip über den Eisernen Vorhang hinweg solche Gemeinsamkeit in bescheidenem Umfang praktizierten, erhielten wir 1985 in Oslo den Friedensnobelpreis als Lob, aber wohl eher noch als Ansporn für die Politik, genau diesen Weg weiter zu verfolgen. Und da war ein Michail Gorbatschow, der ohnehin bereits dieses Konzept vertrat und in den folgenden Jahren beharrlich dafür warb, nicht an die Macht der Waffen, sondern an die Kraft der Humanisierung der internationalen Beziehungen zu glauben.

Auch wenn Ex-Kanzler Helmut Schmidt bis heute seine damalige Raketenpolitik verteidigt, gibt es keinen vernünftigen Zweifel daran, dass der Verständigungswille Gorbatschows die Basis für die Entwicklung des gegenseitigen Vertrauens schuf, das beide Seiten aus der Obsession der Verfeindung und der Verfolgungsmentalität erlöste. Ich hatte seit 1987 über Jahre in einem von Gorbatschow begleiteten internationalen Arbeitskreis Gelegenheit, diesen Mann näher zu studieren. Er war tatsächlich zutiefst überzeugt, dass eine Politik mit unmenschlichen Bedrohungen nur von innen durch die Versöhnungskraft der Menschen gesunden könne.

Aber Gesundheit oder Krankheit von Politik oder Politikern - ist das überhaupt eine zulässige Perspektive?

Ich glaube schon. Ist es nicht so, dass der atomare Wettlauf der 80er Jahre und die neue Kriegspolitik Bushs tatsächlich psychopathologische Maßstäbe nahe legen? Seinerzeit nannte sogar der UN-Generalsekretär Perez de Cuelliar das nukleare Wettrüsten einen Wahn. Und jetzt? Ist es normal, wenn ein Präsident öffentlich ausspricht, mit dem Krieg gegen Irak einen göttlichen Willen vollstreckt zu haben? Ist es normal, wenn er sich mit Amerika dazu ausersehen glaubt, in der Welt das Gute zu repräsentieren und das Böse, von ihm selbst als unbezweifelbar erkannt und verortet, mit Bomben und Raketen zu bekämpfen?

Wie man diese Besessenheit auch immer nennen mag, es ist jedenfalls eine gefährliche Einbildung, die nur Unfriedlichkeit stiften kann. Denn Selbstidealisierung benötigt aus innerem Zwang stets das Böse draußen als Verfolger, was im aktuellen Fall heißt, immer wieder siegen zu müssen als vermeintlich Verfolgter. Das im eigenen Innern abgespaltene Negative und Bedrohliche benötigt diese permanente Projektion nach außen.

Die Ansteckungswirkung solcher Besessenheit ist nicht gering. Vielen Amerikanern ist es nur recht, an dieser Selbstidealisierung zu partizipieren, zumal da sie oft genug gesagt bekommen haben, in Gottes eigenem Land zu leben, und da es zur nationalen Tradition gehört, gemeinsame Schuld, wenn irgend möglich, zu verdrängen. Beispiel Hiroshima mit über 200 000 Toten. Dieses Kriegsverbrechen soll als patriotische Ruhmestat in der nationalen Erinnerung bleiben. Das Bombenflugzeug war christlich eingesegnet worden, und General Thomas Farrel sprach als Augenzeuge von einem Signal des Jüngsten Gerichtes und von der Entfesselung von Kräften, die bis dahin dem Allmächtigen vorbehalten gewesen seien. Nie gab es für Hiroshima eine offizielle Entschuldigung. Eine geplante Gedächtnisausstellung zum 50. Jahrestag des Bombenabwurfs in Washington wurde im letzten Augenblick verboten, um keine patriotischen Gefühle zu verletzen.

Solche Verdrängungsfähigkeit kann man beneiden, auch moralisch kritisieren. Aber man sollte sie, so scheint mir, vor allem mit Sorge betrachten, denn was man nicht zu bereuen vermag, bleibt als Versuchung zur Wiederholung wirksam. Entsprechend bedroht die neue amerikanische Nuklearstrategie auch Länder, die selbst keine Atomwaffen haben. Erst kürzlich stellten die USA stolz ihre neueste Superbombe vor, die in der Wirkung einer kleinen Atombombe gleicht und im Umkreis von 1,5 km alles Leben auslöscht. Sie nennen sie fast liebevoll die Mutter aller Bomben. Was das wohl heißen soll? Mutter aller Bombenkinder? Die Arsenale der Zerstörung als eine große Familie? Ist das noch gesund und normal?

(...) Der vollständige Text kann bei der IPPNW angefordert werden, s.a.: http://www.kultur-des-friedens.de
 

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