Die Kriegs AG - Das blühende Geschäft mit dem Risiko.

von Herbert Wulf

Verstärkt organisieren nichtstaatliche Agenturen die Vorbereitung, Durchführung und Nachsorge weltweiter Militäreinsätze. Im Irak bilden 15. 000 Privatsoldaten die drittgrößte Besatzungsarmee hinter den US-Amerikanern und den Briten. 20 Mrd. Dollar, ein Drittel der Operationskosten der US-Army in Afghanistan und im Irak, werden für Verträge mit privaten Sicherheitsfirmen ausgegeben.

Zwei Ereignisse der letzten Wochen brachten der Weltöffentlichkeit jäh zu Bewusstsein, dassprivate Militär- und Sicherheitsfirmen auf dem Vormarsch sind und zentrale Aufgaben der Streitkräfte übernehmen. Am 31. März 2004 wurden vier Mitarbeiter der amerikanischen Firma Blackwater im irakischen Falluja getötet und ihre Leichen aneiner Brücke zur Schau gestellt. Die Empörung über die Brutalität der Milizen, die für diese Morde verantwortlich waren, schlug bald in Entsetzen über die Folterung von Kriegsgefangenen um. Nicht nur amerikanische Soldaten müssen sich hierfür verantworten, ebenso auch Mitarbeiter der Firmen Titan und CACI, die für die US-Streitkräfte Gefängnisse überwachen und eben auch Geständnisse und wichtige Geheimdienstinformationen durch Folterungen erpressen.

Der deregulierte Krieg
Die US-Streitkräfte, seit Ende des Kalten Krieges von 2,3 Millionen Soldaten auf unter 1,5 Millionen geschrumpft, haben vermehrt Schwierigkeiten, ihre Kriegs- und Postkonflikteinsätze auf dem Balkan, in Afghanistan oder im Irak mit Nachschub zu versorgen. In zunehmendem Maße verlassen sie sich bei der Ausbildung der Soldaten, der Reparatur von Waffen, beim Sammeln von kriegsrelevanten Informationen, beim Verhör von Kriegsgefangenen oder bei der Versorgung der Soldaten in den Kampfgebieten mit Essen und sauberer Wäsche, auf die Dienste privater Firmen. Wie Pilze sind Hunderte dieser privaten Militär- und Sicherheitsfirmen aus dem Boden geschossen - nicht nur in den USA.

Ihr Geschäft ist der Krieg und sie rekrutieren kampferprobte ehemalige Soldaten weltweit. Waffen und anderes Gerät werden von ihnen gekauft oder geliehen - zumeist mit ordentlicher Lizenz der Regierung. Immer mehr übernehmen private Militärfirmen die Aufgaben von Soldaten. Mehr als20.000 Mitarbeiter privater Militär- und Sicherheitsfirmen arbeiten zurzeit im Irak. Es ist das zweitgrößte bewaffnete Kontingent nach den US-Streitkräften und größer als die Zahl der Soldaten aller übrigen Kriegskoalitionstruppen. Auf jeden sechsten oder siebten Armeeangehörigen kommt ein Firmenmitarbeiter. Bislang arbeiteten diese Spezialfirmen fernab vom Fokus der Medien, still und effizient, aber nicht immer im Rahmen bestehender Gesetze.

Der Irak ist kein Einzelfall. Obin der Drogenbekämpfung in Kolumbien, im Bürgerkrieg im westafrikanischen Sierra Leone, im Kriegsgebiet an den Großen Seen in Zentralafrika oder auf dem Balkan, immer sind die Spezialisten dabei. Sie bieten logistischen Service an, um für reibungslosen Nachschub zu sorgen. Sie offerieren Wartung und Reparatur der hochmodernen Präzisionswaffen, aber auch psychologische Aufrüstung zur Erhöhung der Kampfmoral. Die Produktpalette der beteiligten Firmen reicht von Sicherheitsdiensten für Privatpersonen und Gebäuden bis zur Militärhilfe für ausländische Streitkräfte, von der Logistik bis zur Verwaltung militärischer Liegenschaften, von Transportdiensten für UN-Organisationen bis zu Kampfeinsätzen, von technisch komplexen bis zu eher schmutzigen Aufgaben wie die Verteidigung der Privilegien korrupter Eliten. Paul Bremer, der Chef der Zivilbehörde im Irak, lässt sich nicht von Marines schützen, sondern von Blackwater aus North Carolina, der afghanische Präsident Karsai - mit amerikanischer Militärhilfe finanziert - von DynCorp aus Virginia.

Die zunehmende Zahl der UN-Friedensmissionen, die Bekämpfung des Drogenhandels in Lateinamerika, der Ruf nach internationaler Intervention bei ethnischen Konflikten, militärische Hilfeleistungen bei großen Naturkatastrophen, humanitäre Hilfe für Kriegsflüchtlinge und neuerdings der "Kampf gegen den internationalen Terror", all dies bietet privaten Militärfirmen einen wachsenden Markt.

Der Privat-Militärische Komplex
Blackwater ist so eine Firma. Sie bildete auf dem firmeneigenen Trainingscamp über 50.000 Spezialisten aus. Die Military Professional Resources Inc. (MPRI), ebenfalls aus Virginia, trainierte die amerikanischen GIs im Camp Doha in Kuwait im Nahkampf für den Krieg im Irak. Von den Befürwortern dieser Entwicklung werden die privaten Militär- oder Sicherheitsfirmen als effektive und marktkonforme Methode angesehen. So bekämpfte beispielsweise die britische Firma Sandline im Auftrag der Regierung in Papua Neuguinea Rebellen. Oder aber die Nahrungsmittelkonvois von Hilfsorganisationen werden vor Warlords geschützt, wie 1992 in Somalia. Auf der Internetseite der International Peace Operations Association, einem Dachverband einiger Militärfirmen, werden derartige "private Friedensdienste" als besonders wertvoll für den internationalen Frieden und "menschliche Sicherheit" gepriesen. Und in Großbritannien plant die Labourregierung zukünftig, dass die Luftbetankung der Royal Air Force durch die europäische Rüstungsschmiede EADS übernommen werden soll.

Privatisierung und "Outsourcing" machen nicht vor den Kasernentoren Halt. Markt und Militär gelten nicht mehr als Gegensätze. Dies hat Konsequenzen für die Kontrollfunktionen der Parlamente. War der Bereich Sicherheit bislang schon nicht besonders streng parlamentarisch kontrolliert, so werden die Parlamentarier in Zukunft noch weniger mitzureden haben, weil sich militärische Einsätze durch den klammheimlichen Vormarsch privater Militärfirmen der Kontrolle entziehen. Genau diese Lücke macht die Firmen so attraktiv für manche Regierung. So beauftragte die amerikanische Regierung, an den scharfen Kontrollen des Kongresses vorbei, MPRI, die kroatische Armee auszubilden. Dies geschah just zu einem Zeitpunkt, als diese Armee in der Krajina ethnische Säuberungen durchführte.

Auch die Regierung von Tony Blair in Großbritannien schickte lieber die Firma Sandline International nach Sierra Leone ins Gefecht, als die eigenen Soldaten von Heer, Marine und Luftwaffe. Dies geschah ohne Öffentlichkeit und ohne Gefahr zu laufen, sich für tote und verletzte Soldaten in Westafrika rechtfertigen zu müssen.

In Deutschland ist die Privatisierung bislang nur in so unverdächtigen Bereichen wie Fuhrpark, Liegenschaften und Kantinen der Bundeswehr versucht worden. Aber mancher deutsche Firmenchef möchte auch ein wenig von dem Kuchen abbekommen. Die Firma Optronic aus dem süddeutschen Königsbronn, deren Geschäftsführer Ende Mai wegen illegaler Waffengeschäfte zu vier Jahren Gefängnis verurteilt wurde, sucht auf ihrer Internetseite "Civilians on the Battlefield"; "Statisten für Rollenspiele bei Manövern der U.S. Armee", heißt es etwas weniger martialisch in der deutschen Anzeige. Das alles ist völlig legal. Interessenten müssen ihre Lohnsteuerkarte mitbringen; die Entlohnung beträgt 80 Euro pro Tag, plus Fahrtkosten, Unterkunft und Verpflegung. Im Irak zahlen die amerikanischen Firmen bis zu 1.500 Dollar pro Tag - attraktiv genug für manchen Fallschirmjäger, seinen Dienst bei den Streitkräften zu quittieren.

Neue Märkte nach dem Kalten Krieg
Die Abrüstung nach dem Ende des Kalten Krieges hat nicht nur eine Schwemme gebrauchter Waffen hervorgebracht, sondern ebenso einen Überschuss qualifizierter Militärfachleute, die jetzt in den Militärfirmen neue Betätigungsfelder finden. Die großen, international operierenden privaten Militärfirmen rekrutieren ihr Personal im Wesentlichen aus ehemaligen Offizieren. Die Liste der Beschäftigten der Firma MPRI beispielsweise liest sich wie ein "Who is Who" pensionierter US-Offiziere. Direktor der Firma ist Ex-General Carl Vuono, der das US-Heer während des "Desert Storm" im Golfkrieg kommandierte. Entsprechend voll sind die Auftragsbücher der Firma heute. Allein für den Irak vergab das Pentagon an MPRI Aufträge im Volumen von 2,5 Millionen Dollar - pikanterweise für ABM-Programme, in denen ehemalige irakische Soldaten "öffentliche Arbeiten" verrichten sollen. Ein Dutzend pensionierte Generäle und Admiräle stehen auf der Gehaltsliste, ebenso ehemalige hochrangige Mitarbeiter der CIA und frühere US-Botschafter. 700 Personen beschäftigt MPRI fest, weitere 11.000 sollen jederzeit für Kurzeinsätze abrufbar sein.

Das Produkt, das der neue Private Militärische Komplex verkauft, ist die Steigerung der Kampfkraft von Armeen. Die Zeitschrift Parameters, das Sprachrohr des US-Heeres, ist durchaus von der Tätigkeit privater Militärfirmen angetan und spricht im Stile von Unternehmensberatern von der Möglichkeit, dass sich die Streitkräfte, wenn sie von privater Seite entlastet werden, auf ihre "Kernkompetenzen" konzentrieren können - nämlich "kämpfen". Halliburton, eine dieser privaten Militärfirmen, die früher vom heutigen Vizepräsidenten Dick Cheney geleitet wurde, bezeichnet sich selbst als "Force Multipliers", als Kampfverstärker. In den USA passt die Privatisierung in das marktwirtschaftlich orientierte Konzept der Konservativen, vor allem aber auch in das Konzept, die Streitkräfte auf Kampfeinsätze auszurichten, ohne sie dabei zu vergrößern. Verteidigungsminister Rumsfeld schrieb: "Jede Funktion, die vom privaten Sektor übernommen werden kann, ist keine Kernfunktion der Regierung."

Das Gewaltmonopol an der Börse?
Der Boom der privaten Militärfirmen ist jetzt auch für die großen Aktienunternehmen interessant. 1997 fusionierten die Londoner Firma Defense Service Limited und die US-Firma Arms Holdings, die 1999 und 2000 zu den 100 am schnellsten wachsenden Firmen gehörte. MPRI wurde 2000 von L-3 Communications aufgekauft. Der Riesenrüstungsmulti Lockheed Martin wiederum gliederte L-3 als eigenständige Firma aus. Computer Science Corporation, selbst ein großer Auftragnehmer des Pentagon, zahlte im vorletzten Jahr 950 Millionen Dollar, um Dyn-Corp aufzukaufen. Mit einer Weltmarktstrategie (global branding im Jargon der Business Schools) wollen die Firmen sich ein seriöses Image zulegen und ihren Service weltweit anbieten.

"Rent-a-Soldier" ist also keine Utopie mehr. Viele der Tätigkeiten dieser Firmen sind durchaus legal. Manche aber operieren in einer Grauzone. Doch selbst die wehren sich gegen die Klassifizierung als moderne Söldner und legen Wert darauf, ordentlich im Handelsregister angemeldet zu sein und Steuern zu zahlen. Der rasch wachsende "Sicherheits"-Markt konnte sich als Teil einer umfassenderen Privatisierung im Konzept des "schlanken Staat" entwickeln. Diese Privatisierung vonMilitäreinsätzen birgt aber eine große Gefahr. Eine wichtige Funktion des Staates wird unterhöhlt, in manchen Ländern ganz aufgehoben, nämlich die alleinig autorisierte Institution zu sein, Gewalt anzuwenden um Rechtsstaatlichkeit zu gewährleisten.

Es gilt zu fragen, wem gegenüber sich die privaten Militär- und Sicherheitsfirmen für ihre Handlungen eigentlich verantworten müssen? Während die Regierung gegenüber dem Parlament rechenschaftspflichtig ist, sind private Firmen dies nur gegenüber ihren Aktionären und Auftraggebern. Deshalb müssen die Bürger in den westlichen Demokratien dafür sorgen, dass durch die Privatisierung militärischer Aufgaben die parlamentarische Kontrolle nicht ausgehebelt wird. Schließlich besteht ein qualitativer Unterschied zwischen Privatisierung von Post oder Bahn und Militär oder Polizei - und der ist im staatlichen Gewaltmonopol begründet.

Ausgabe

Rubrik

Krisen und Kriege
Herbert Wulf war 1991 und 2002 bis 2007 Berater des United Nations Development Programme für Abrüstungsfragen in Nordkorea. e-mail: wulf.herbert(@)web.de; web: www.wulf-herbert.de