Die Ordensleute für den Frieden und die Deutsche Bank

von Gregor Böckermann

Die Initiative Ordensleute für den Frieden (IOF), ein freier Zusammenschluss von Ordensfrauen und –männern sowie ihrem Freundeskreis, ist entstanden in den Jahren der Nachrüstung. Die Wallfahrt der Deutschen Friedensbewegung von Düsseldorf nach Bonn vom 19. – 22. Oktober 1983 zur „Volksversammlung für den Frieden“ gilt als ihre Geburtsstunde.In den folgenden Jahren trafen sich die Ordensleute zum so genannten „Pfingstkapitel“ in Bell/Hasselbach (Hunsrück) am Stationierungsort von Cruise-Missiles. Als nach dem Friedensvertrag von Reykjavik die Raketen abgezogen wurden und viele Friedensgruppen dichtmachten, kamen die Ordensleute für den Frieden vom Hunsrück herunter vor die Zentrale der Deutschen Bank in Frankfurt am Main, einem anderen „Ort des Unheils“, wie wir sagen.

Weltweite Kontakte unserer Ordensgemeinschaften mit den Armen in der so genannten 3.Welt und hier bei uns haben uns veranlasst, auf die Tatsache aufmerksam zu machen: Ohne Gerechtigkeit für alle gibt es keinen Frieden.

Die Deutsche Bank ist die größte und einflussreichste Geschäftsbank Deutschlands. Sie ist für uns Symbol für das kapitalistische Wirtschaftssystem, mächtiger als unsere Politiker in Berlin. Sehr schnell mussten wir lernen, dass unsere anfängliche Forderung von 1990 nach „Schuldenstreichung für die 3. Welt“ viel zu kurz griff. Bei unseren monatlichen Mahnwachen erlebten wir nämlich, dass in unserem Rücken Hunderte von Drogenabhängigen aus der Taunusanlage vertrieben wurden. Dann kamen die Obdachlosen unter den Mainbrücken dran, und in den letzten Jahren diskutiert man eine „Gefahrenabwehrverordnung“ für die Einkaufsmeile „Zeil“. Wir mussten feststellen: Weltweit geht die Schere zwischen den reichen und den armen Nationen immer weiter auf. Die Folgen: Hunger, Terrorismus, Kriege, Flüchtlingsströme, Umweltzerstörung. Aber das Gleiche spielt sich auch in Deutschland ab. In unserer eigenen Gesellschaft werden die Reichen immer reicher und die Armen immer ärmer und zahlreicher. Auf Schritt und Tritt ist das in Frankfurt und überall hierzulande sichtbar: übertriebener Luxus auf der einen, steigende Arbeitslosigkeit und Sozialabbau auf der anderen Seite. Wir meinen, die Ursachen dieser Entwicklung  liegen im kapitalistischen Wirtschaftssystem, das durch die Verselbstständigung und Globalisierung der Finanzströme der letzten Jahre noch übermächtiger geworden ist. Die Bedürfnisse der Armen und der kommenden Generationen haben keinen Platz in diesen Unrechtsstrukturen. Unser Wirtschaftssystem geht über Leichen, weltweit und bei uns. Hier wird der Mensch geopfert für ein System, in dem der Profit den höchsten Wert darstellt. Unsere Forderung nach Schuldenstreichung für die 3. Welt ist daher einer viel umfassenderen Erkenntnis gewichen: Wir stellen die heutige, auf Eigentum basierende Wirtschaftsordnung in Frage, weil sie der Allgemeinheit nicht wirklich dient. Denn vom jetzigen Geldsystem profitieren 10% der Bevölkerung auf Kosten von 80%, auch in unserem Lande. Die Mittelschicht gerät immer mehr unter Druck, und Ausländerfeindlichkeit breitet sich aus, weil sie eine entlastende Funktion in den sozialen Spannungen hat. Wir fordern dagegen ein System, in dem der Mensch als Teil der Natur im Mittelpunkt steht, nicht der Profit. Dazu brauchen wir eine neue Geldordnung ohne Zins.

Aktionen Zivilen Ungehorsams
Die 10% Profitierenden werden ihre Privilegien aber nicht freiwillig aufgeben. Deshalb ist die IOF ganz allmählich und mit viel Zögern und Zaudern dazu übergegangen, neben den regelmäßigen Mahnwachen auch Aktionen zivilen Ungehorsams durchzuführen: Ankettaktionen, Straßenblockaden, Besetzung des Foyers der Deutschen Bank … . Die „Option für die Armen“ hat als notwendige Kehrseite der Medaille den „Aufstand gegen die Herren“. Das hört sich leichter an als es ist. Wie viele Ängste, Rücksichtnahmen, Vorurteile gilt es da abzubauen? Zivilcourage ist gefordert, aber oft steht man ganz alleine mit seiner Meinung und Einsicht, auch im Kloster. Unbedingt notwendig ist dann, Mitstreiterinnen und Mitstreiter zu suchen. Das müssen nicht gleich hundert sein. Drei oder vier genügen schon, um das Unmögliche zu wagen: für die Umwelt, gegen die Atomkraft, gegen die Macht des Geldes, … . Die erste Frage in der kleinen Gruppe sollte nicht sein: „Wie können wir uns (noch) kundiger machen über die Unrechtsstrukturen? Es geht auch nicht allein darum, sich selbst unangreifbar zu machen, nicht mehr die Umwelt zu belasten, nicht die 3. Welt auszubeuten oder vom kapitalistischen Wirtschaftssystem zu profitieren.Es geht vielmehr darum, sich langsam und beharrlich in den Widerstand einzuüben.

Hier einige Aktionen, wo wir das versucht haben:

1993 - Erste Aktion zivilen Ungehorsams: Blockade der Tiefgaragen der Deutschen Bank durch Anketten.

1996 - Im Lutherjahr pflanzen wir ein Apfelbäumchen mit der Hoffnung, dass die Wurzeln die Bank „sprengen“ werden.

1998 - Wir kippen 20 l Gülle und allerhand Hausmüll vor die Doppeltürme. Unser Thema: „Geld stinkt doch.“ Und „Die Armen müssen weichen als Wohlstandsmüll der Reichen“.

2001 -  Während des Evangelischen Kirchentages in Frankfurt/M. brennen wir Löcher in die Geldscheine der G7-Staaten: „Besser der Zins brennt, als der Hunger in den Bäuchen der Armen.“ Dorothee Sölle hält eine bemerkenswerte Rede: „Geld hat mehr Menschen auf dem Gewissen als alle aktuellen heißen Kriege zusammen“.

2003 - Blockade der Autobahnzufahrt zur US-Airbase, die als Stützpunkt für den Irak-Krieg diente. Danach „Blockade“ der Deutschen Bank mit demselben Motto: „Krieg braucht Kapital – Kapital braucht Krieg“.

2005 - Ein Rasenstück der Familie Quandt in Bad Homburg wird ausgestochen und der Oberbürgermeisterin gebracht: „Eigentum ist Raub – Besitz für alle“.

2008 - Anlässlich des Katholikentages in Osnabrück organisieren wir eine etwas andere Fronleichnamsprozession: „Ja zum Brot – Nein zum Kapital“. In der Monstranz befindet sich statt Hostie ein Geldstück. Anschließend Agapefeier mit Obdach- und Arbeitslosen.

2009 - Errichtung eines „Mahnmals für eine gerechte Wirtschaftsordnung“. Ein Ortsschild mit der Aufschrift: „Bankfurt: Sie verlassen den demokratischen Sektor – Frankfurt: Sie verlassen den kapitalistischen Sektor“. Schon am nächsten Morgen räumt es die Stadt ab.

2010 - Während der Hauptversammlung der Deutschen Bank rufen wir zu einer Schweigeminute für die Opfer der aktuellen Finanz- und Wirtschaftskrise auf. Unser Transparent: „Nichts gelernt aus der Krise“. Die brennenden Teelichter werden vom Vorstand – anders als in vorhergehenden Jahren – geduldet.

Die Probleme der IOF heute sind zum einen die Überalterung der Mitglieder; zum anderen die sich ausbreitende Resignation in der Bevölkerung, obwohl inzwischen  drei von vier Deutschen davon überzeugt sind: „Unser Wirtschaftssystem geht über Leichen“, eine Feststellung, für die man uns Anfang der 90er Jahre am liebsten noch „nach drüben“ geschickt hätte.

Viele Menschen bleiben passiv, zucken mit den Achseln und meinen: „Da kann man doch nichts machen“. Aber ich persönlich lebe aus der Überzeugung, dass das kapitalistische Wirtschaftssystem noch zu meinen Lebzeiten „gekippt“ wird.

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Gregor Böckermann ist Mitarbeiter bei der Initiative Ordensleute für den Frieden. Er war selbst katholischer Priester in der Ordensgemeinschaft der Afrikamissionare / Weiße Väter, bis er 2005 aus dem Orden austrat und heiratete.