"Von deutschem Boden soll nie wieder Krieg ausgehen!"

Die Osterblockade am US-EUCOM

von Wolfgang Sternstein
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Die Funktion und Bedeutung des US-EUCOM in den Patch Barracks bei Stuttgart-Vaihingen ist selbst in der Friedensbewegung nur Wenigen bekannt. Es handelt sich um eine von vier Kommandozentralen des den ganzen Globus umspannenden Netzwerks der amerikanischen Streitkräfte. Das EUCOM (EUropean COMmand) ist zuständig für Militäroperationen der US-Armee in Europa, Nordafrika sowie dem Nahen und Mittleren Osten, einschließlich der Golf-Region. Es ist ein wichtiges Glied in der Befehlskette vom US-Sicherheitsrat bis zu den Einheiten vor Ort. Es befehligt die konventionellen und nuklearen Streitkräfte der USA, insbesondere die in Europa stationierten 150 atomaren Fliegerbomben, davon 66 in der Bundesrepublik in Ramstein (55) und Büchel (11). Der Oberbefehlshaber des EUCOM, General Joseph Ralston, ist in Personalunion zugleich Oberkommandierender der Nato-Streitkräfte.

Der Überfall auf Libyen 1986, der Golfkrieg von 1991 und die Balkankriege wurden dort geplant, vorbereitet und befehligt. Somit ging, entgegen vollmundigen Erklärungen aus Politikermund, von deutschem Boden immer wieder Krieg aus. Nach eigenen Angaben des EUCOM wurden beispielsweise 95 Prozent der Militäreinsätze im Golfkrieg von dort gesteuert.

Kein Wunder also, dass das EUCOM seit 1982 immer wieder Ziel von Demonstrationen und Aktionen der Friedensbewegung war. Sie hatten zum Ziel, es mitsamt den in der Bundesrepublik noch gelagerten Atomwaffen aus Deutschland und Europa wegzuschaffen. Mit der überwältigenden Mehrheit der Bundesbürger fordern wir eine atomwaffenfreie Bundesrepublik als unseren Beitrag zu einer atomwaffenfreien Welt.

Auch in diesem Jahr gab es am EUCOM wieder zahlreiche Aktivitäten. Sie wurden von Ohne Rüstung Leben, der EUCOMmunity und der Gewaltfreien Aktion Atomwaffen Abschaffen in Zusammenarbeit mit dem Ostermarsch organisiert. Wie im vergangenen Jahr gab es auch diesmal ein reichhaltiges Programmangebot: Friedensworkshops, ein Friedensgottesdienst vor dem Haupttor, eine Mahnwache und eine Blockade des Haupt- und Nebentors. Anschließend zogen die etwa 500 TeilnehmerInnen an der Kundgebung in einem Demozug zur S-Bahnstation Vaihingen, um sich dem Stuttgarter Ostermarsch anzuschließen.
 

Presse und Fernsehen berichteten größtenteils ausführlich und objektiv über die Blockade-Aktion. An ihr beteiligten sich in diesem Jahr mehr als dreimal so viele Personen (insgesamt 110) als im vergangenen Jahr. Es gelang, das Haupttor und das Nebentor, das normalerweise geschlossen ist, für eine Dreiviertelstunde dicht zu machen. Die Polizei räumte nach dreimaliger Aufforderung, ohne dass es zu Ausschreitungen kam. Die Stimmung unter den BlockiererInnen wie auch unter den Zuschauern war heiter und gelöst, zumal sie von Urania musikalisch bestens unterhalten wurden.

Widersetzen, d.h. sich mal wieder hinsetzen, kann auch Spaß machen, selbst wenn wir nicht nur eine Geldbuße, sondern auch noch eine "Wegtragegebühr" von mindestens 120 Mark zu gewärtigen haben. Letzteres ist eine baden-württembergische Spezialität, die wir Roman Herzog verdanken.

Wie stets legten die Organisatoren großen Wert darauf, die Aktion des zivilen Ungehorsams gründlich vorzubereiten. So trafen sich rund sechzig BlockiererInnen und Unterstützer bereits am Ostersonntag, um die Aktion basisdemokratisch durch Rollenspiele und dergleichen vorzubereiten. Eine spontane Beteiligung von Leuten aus dem Publikum können und wollen wir nicht verhindern. Doch ist uns bei dem Gedanken nicht wohl, dass manche Blockierer sich über die juristischen Konsequenzen nicht im Klaren sind. Darum die Bitte: Kommt im nächsten Jahr in Scharen zum Vorbereitungstreffen, damit wir hoffentlich wieder mit der dreifachen Menschenmenge das EUCOM für eine Weile dichtmachen können!

Weitere Informationen: Die EUCOMmunity. Initiative für eine atomwaffenfreie Welt. Eine Dokumentation. Zu beziehen über: Ohne Rüstung Leben, Arndtstr. 31, 70197 Stuttgart, Tel.: 0711/608396, Fax: 608357

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Dr. Wolfgang Sternstein ist Friedens- und Konfliktforscher mit dem Schwerpunkt Theorie und Praxis der gewaltfreien Aktion. Er kam als Wissenschaftler nach Wyhl, schloss sich aber schon bald der Widerstandsbewegung gegen das Atomkraftwerk an. In seiner Autobiografie „Mein Weg zwischen Gewalt und Gewaltfreiheit“ berichtet er ausführlich über den „Kampf um Wyhl“.