Strukturanpassung contra nachhaltige Entwicklung

Die Politik der internationalen Finanzorganisationen

von Ann-Kathrin Schneider
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Die Politik der internationalen Finanzorganisationen

Ann-Kathrin Schneider

Weltbank und Internationaler Währungsfonds (IWF), die beiden wichtigsten internationalen Finanzinstitutionen, befinden sich in einem Dilemma: während einige Stimmen sowohl innerhalb als auch außerhalb der Institutionen eine knallharte Weiterführung der makroökonomischen Strukturanpassungsprogramme fordern, drängen andere auf eine Konzentration auf nachhaltige Entwicklung.

Bisher haben Fonds und Bank behauptet, ihre Fokussierung auf makroökonomische Stabilität würde zu nachhaltiger Entwicklung führen, davon ausgehend, dass ausgeglichene Haushalte und hohe staatliche Reserven ausreichende Voraussetzungen für Wachstum seien und dass Wachstum zu nachhaltiger Entwicklung führen würde. Besonders in den letzten Jahren ist jedoch deutlich geworden, dass es den beiden Institutionen mit ihrer Politiknachhilfe nicht gelungen ist, die Länder des Südens zu wirtschaftlicher Stabilität und nachhaltiger Entwicklung zu führen. Ben Turok, ein Abgeordneter des African National Congress, gibt an: "Der sich aus Jahrzehnten (von IWF Politik - Anmerkung der Übersetzerin) herausgebildete Nachweis ist, dass die Länder, die dem IWF erlaubten, ihnen die Richtung ihrer makroökonomischen Politik zu diktieren und die diesen Kurs blindlings umgesetzt haben, alle unter schweren Rückschlägen ihrer Armutsbekämpfungsstrategien leiden."

Seit Anfang der 80er Jahre haben knapp einhundert Länder weltweit sogenannte Strukturanpassungskredite aufgenommen, die an Bedingungen der Weltbank und des IWF geknüpft sind. Die Bedingungen, unter anderem Aufforderungen zur Privatisierung staatlicher Betriebe, Eindämmung staatlicher Ausgaben und eine strenge Fiskalpolitik, haben unter anderem zu flächendeckender Deindustrialisierung in weiten Teilen Afrikas geführt. Unter Anleitung von IWF und Weltbank haben unzählige Staaten ihre produktiven Investitionen drastisch zurückgefahren, staatliche Stellen und Subventionen gekürzt und ihre Märkte für Importe geöffnet. Die Auswirkungen dieser Politik machen sich mittlerweile in drastischer Weise bemerkbar. Ghana, ein Land welches in den 80er Jahren als Lieblingsschüler des IWF und der Weltbank galt, weil es treu die Vorgaben der Institutionen erfüllt hat, ist mittlerweile eines der am meisten verschuldeten Länder dieser Erde.

Konfrontiert mit den negativen Ergebnissen ihrer Politik haben die Institutionen jedoch in den letzten Jahren nicht etwa die Kernelemente ihrer bisherigen Politikberatung in Frage gestellt, sondern nur einige Modifikationen durchgeführt und versucht, ihre Arbeit besser zu koordinieren. Während bisher beide Institutionen Kredite vergeben haben, die sowohl makroökonomische, strukturelle wie auch entwicklungspolitische Vorgaben beinhalteten, hat der IWF in diesem Jahr einen sogenannten "Streamlining" Prozess gestartet, der unter anderem auf eine Reduktion der Kreditkonditionen hinauslaufen soll. Ein weiteres Ziel des Prozesses ist es, die Aufgaben zwischen Bank und Fonds in Zukunft besser zu koordinieren. Die Institutionen streben an, der Weltbank die Aufgabe für nachhaltige Entwicklung zu übergeben, während der Fonds weiterhin damit betreut sein wird, die Länder zu makroökonomischer Stabilität zu führen. Im Gegensatz zu den Versuchen des Fonds, seine Kreditbedingungen zu reduzieren, scheint die Weltbank jedoch noch nicht bereit zu sein, ihre Aufgabenbereiche einzuschränken. Tony Killick vom Overseas Development Institute in London merkt an: "... in der Weltbank passiert wenig, was mit den Versuchen des IWF vergleichbar wäre. Es scheint keinen institutionalisierten Versuch zu geben, die Quantität der Konditionen der Weltbank zu reduzieren oder ihre Schwerpunkte einzugrenzen. Was passieren kann ist, dass viele der bedeutenderen strukturellen Konditionen, die der IWF abgeschafft hat, vom Programm der Weltbank übernommen werden, die dann als Folge einige ihrer weniger zentralen Bedingungen fallen lassen wird." Generell merkt Tony Killick auch an, dass es bei dem IWF Prozess zwar um eine Reduzierung der Konditionalitäten, nicht jedoch um eine fundamentale Abkehr von der bisherigen Schwerpunktsetzung geht. Noch immer sind bei dem Fonds die Prioritäten klar gesetzt: ein ausgeglichener Haushalt wird produktiven staatlichen Investitionen vorangestellt.

Es ist besonders diese Prioritätensetzung, die die Kritiker des Fonds in Rage bringt und die ihrer Meinung nach dafür verantwortlich zu machen ist, dass vor allem in Afrika südlich der Sahara Wachstumsraten stagnieren und nachhaltige Entwicklung, im Sinne einer Entwicklung der nationalen Kapazitäten, nicht auszumachen ist. UNCTAD hat in einem neuen Report die Weltbank und den IWF dafür kritisiert, mit einer Fortführung der Strukturanpassungsprogramme Afrikas Möglichkeiten zu gefährden, die international vereinbarten Entwicklungsziele bis zum Jahr 2015 zu erreichen "... sie fahren fort, diese Stabilitätspolitik und Strukturanpassungsprogramme zu billigen, die kaum Erfolg darin zeigten, in den vergangenen zwei Jahrzehnten in Afrika Wachstum zu fördern und Armut zu reduzieren."

Jedoch haben wir es hier nicht allein mit einer Weiterführung bisheriger Politik zu tun, sondern vielmehr mit einem "Washington Konsens plus", so Rainer Falk, Vorstandsmitglied von WEED. "Wohl aber haben die diversen Geber zu den makro-ökonomischen Kernvorgaben ein ganzes Set von weiteren Konditionen hinzugefügt - von Umwelt- über Sozialsektor- und Bildungs- bis hin zu Menschenrechts- und Good Governance- Auflagen." Die neue Strategie der Geber, die auf einer Weiterführung von Strukturanpassungsprogrammen bei gleichzeitiger Hinzufügung sozialer und politischer Elemente basiert, speist sich aus der Erkenntnis, dass die bisherige Politik nicht die gewünschten Erfolge verzeichnen konnte. Die Einsicht, dass ihre Politikvorgaben negative Auswirkungen haben, hat die Finanzinstitutionen dazu bewogen den Ländern zu raten, soziale Sicherungsnetze zu etablieren und die Ärmsten gezielt zu fördern, um die negativen Folgen von Reformen abzufedern. Die Finanzinstitutionen gehen also nach wie vor davon aus, dass ihre Politik im Prinzip zu Entwicklung führen wird, die einzelnen Methoden jedoch unter Umständen einzelne Bevölkerungsgruppen kurzfristig negativ beeinflussen. Strategien, wie Staaten produktive Investitionen gezielt fördern oder tätigen könnten oder wie die Armen in die Situation versetzt werden könnten, von Almosenempfängern zu Enterpreneuren zu werden, werden bei Weltbank und IWF nicht ausformuliert oder anerkannt. Und dies, obwohl die ärmsten Staaten der Erde nicht unter Hyperinflation leiden, sondern unter einem starken Rückgang produktiver Investitionen. Angesichts der kontinuierlich niedrigen Entwicklungshilfezuschüsse und des Ausbleibens von privaten Investitionen besonders im südlichen Afrika ist es für die betroffenen Länder unumgänglich, nationale Entwicklung selbst anzukurbeln. Sollten Weltbank und Internationaler Währungsfonds jedoch auch in Zukunft ausgeglichene Haushalte und hohe staatliche Reserven nationalen produktiven Investitionen vorziehen, sieht es schlecht aus für eine nachhaltige Entwicklung der ärmsten Länder der Erde.

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Ann Kathrin Schneider arbeitet bei der Nichtregierungsorganisation Weltwirtschaft, Ökologie und Entwicklung (WEED) zu den Themen Weltbank, IWF und Verschuldung.