„Ehre, Treue, Vaterland“

Die radikale Rechte und die Bundeswehr im 21. Jahrhundert

von Fabian Virchow

Im Rahmen ihres Stuttgarter Parteitages hat die ‚Alternative für Deutschland‘ (AfD) Ende April/Anfang Mai 2016 ihr erstes Grundsatzprogramm verabschiedet. Darin werden auch Eckpunkte zur Außen- und Militärpolitik umrissen, für deren Durchsetzung die AfD eintreten will. (1) Grundsätzlich entwirft die AfD dabei ein Bild der militärischen Handlungsschwäche Deutschlands und des europäischen Kontinents. Die dadurch entstandene Abhängigkeit von den USA zeige zugleich, dass „eigene Interessen“ nicht vertreten würden. Als Ausweg schlägt die AfD daher die Realisierung einer langfristig angelegten und ressortübergreifend verankerten Gesamtstrategie vor. Im Mittelpunkt: „nationale Interessen“ und „das Wohl des deutschen Volkes“.

Die dabei vorgeschlagenen Einzelmaßnahmen orientieren sich an einer Ausweitung des Einflusses Deutschlands in der internationalen Politik durch die Besetzung eines ständigen Sitzes der Bundesrepublik Deutschland im UN-Sicherheitsrat sowie die Aufrüstung der Bundeswehr und deren Remilitarisierung, etwa durch den Abbau von Bürokratie. Letztere soll nicht zuletzt das Gewicht Deutschlands in internationalen Bündnissen stärken. Für die NATO wird deren Aufgabe als Verteidigungsbündnis betont, wobei eine Stärkung der europäischen Mitgliedsstaaten angestrebt wird, wenn es um Interventionseinsätze „an der Peripherie“ Europas geht. Zugleich wird die Notwendigkeit betont, die Streitkräfte der Bundesrepublik Deutschland als zentralen Baustein staatlicher Souveränität aufzuwerten; hierzu wird auch eine Stärkung der Geheimdienste und der Rüstungsindustrie gezählt. Gegenüber Russland wird im Programm lediglich darauf verwiesen, dass ohne dessen Einbindung Sicherheit in Europa nicht gelingen könne. Entsprechend des von der AfD vertretenen Souveränismus fordert die AfD den Abzug aller alliierten Truppen einschließlich deren Atomwaffen sowie eine Streichung der sogenannten „Feindstaatenklauseln“. Die Rückkehr zur Wehrpflicht für alle (männlichen) Staatsbürger soll einer größeren Identifikation der Bevölkerung mit der deutschen Armee dienen, so dass qualifiziertes Personal gewonnen werden kann. Frauen soll die Möglichkeit zu freiwilligem Dienst an der Waffe geboten werden, die Verweigerung des Kriegsdienstes die Ausnahme bleiben.

Die von der AfD formulierte Zustandsbeschreibung wie die angestrebte Aufrüstung und Aufwertung der Bundeswehr weisen relevante Überschneidungen mit Positionen auf, die im nationalkonservativen und extrem rechten politischen Spektrum vertreten werden. So wird dort seit vielen Jahren der innere Zustand der Streitkräfte als zu wenig einsatznah beschrieben. Hierbei gelten die Universitäten der Bundeswehr als ein Indikator, deren Bedeutung zugunsten der Truppenausbildung reduziert werden soll. Gefordert wird die Anerkennung des Militärs als Beruf sui generis, um – so der langjährige Geschäftsführer des neurechten Instituts für Staatspolitik – „die zivilgesellschaftliche Deformierung des Soldatentums einzudämmen“. (2) Der frühere NPD-Parteivorsitzende Udo Pastörs sah die Bundeswehr geistig wie technisch in Auflösung begriffen. Dies zu ändern, sei nicht nur eine Frage der Finanzierung, „sondern auch einer Neubewertung der grundsätzlichen Auffassung vom Dienst am Vaterland“, bei der die derzeit anzutreffenden „Verteidigungsbeamten“ durch einen Soldatentyp ersetzt werden müssten, der „siegesgewiss und jederzeit bereit [sei], für sein Vaterland sein Leben zu opfern.“ (3)

Eine solche – auch gegen die Idee des „Staatsbürgers in Uniform“ gerichtete – Handlungsmaxime geht mit Klagen über ein Traditionsverständnis der Bundeswehr einher, in dem deren Vorgängerarmeen nicht mehr gewürdigt würden, Geschwadern und Kasernen ihrer „Traditionsnamen“ beraubt würden und verschwiegen würde, dass die Kriegsgeneration in den 1950er- und 1960er-Jahren die Bundeswehr aufgebaut habe. (4) Selbst im ‚Volksbund Deutsche Kriegsgräberfürsorge‘ sei unter der Präsidentschaft Markus Meckels der Versuch unternommen worden, diesen „zu einem weiteren Bauteil im Räderwerk der gigantischen bundesdeutschen Bewältigungsindustrie“ (5) zu verwandeln. Gemeint war die Tatsache, dass das Deutsche Reich den Zweiten Weltkrieg als rassistischen Eroberungs- und Vernichtungskrieg geführt hat. Nicht zufällig beklagt die extreme Rechte noch heute, dass in den Nürnberger Prozessen auch deutsche Militärs abgeurteilt wurden.

Die seiner Ansicht nach fehlende Anerkennung des Soldatenberufs schmerzt auch den Gründer und Chefredakteur des nationalkonservativen Wochenblattes ‚Junge Freiheit‘. Ihm zufolge trage sie „autoaggressive Züge“ und entspringe „der Ablehnung eigener Staatlichkeit und des natürlichen Selbstbehauptungswillens der Nation“. (6) Hier wird „die Nation“ nicht nur als Subjekt mit eigenem Willen phantasiert und biologisiert (statt von gesellschaftlichen Gruppen zu sprechen, die ihre spezifischen Interessen als die der Nation ausgeben), sondern eine kritische Perspektive auf Militär zudem pathologisiert.

Krieg als Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln – so Udo Pastörs unter Rückgriff auf eine bekannte Formulierung Carl von Clausewitz‘ – erfordere ein Militär, das die eigenen politischen Vorstellungen gegen feindliche Mächte durchsetzen könne. Dem Ziel eines vollständig souveränen deutschen Machtstaates stehen aus Sicht der radikalen Rechten nicht zuletzt die USA entgegen. Deren Schwächung gehört zu den Zielen der extremen Rechten; hieraus leitet sich dort die Forderung nach einer Schließung der US-Stützpunkte in der Bundesrepublik Deutschland oder auch die Opposition gegen die militärische Nutzung des Flughafens Leipzig/Halle ab. (7) Eine grundsätzliche Ablehnung von Atomwaffen ist mit der ebenfalls vertretenen Forderung nach Abzug des entsprechenden US-Arsenals vom Territorium der Bundesrepublik jedoch nicht verbunden; im Gegenteil: Atomwaffen „in deutscher Hand“ werden als probates Mittel angesehen, sich gegen die USA behaupten zu können.

Diesem Ziel folgen auch die bündnispolitischen Überlegungen der extremen Rechten. Sie setzt – bei Rückkehr zu nationalen Kommandostrukturen (Ablehnung einer europäischen Armee) – insbesondere auf eine Achse Paris-Berlin-Moskau. Entsprechend positiv wird eine Politik Putins bewertet, wenn sie Russland als starken weltpolitischen Opponenten gegen die USA aufstellt. Mit Blick auf das deutsch-russische Verhältnis wird – unter Bezugnahme auf den Waffenstillstand zum Jahresausklang 1812 – der „Geist von Tauroggen“ als Grundlage eines deutsch-russischen Bündnisses beschworen, dass sich heute insbesondere gegen die USA richten soll. (8)

Wenn die bisherigen Auslandseinsätze der Bundeswehr seitens der nationalkonservativen und extremen Rechten in gewissem Rahmen als Beitrag zur Renormalisierung des Militärischen und des Krieges in der deutschen Nachkriegsgesellschaft angesehen wurden, so dominiert doch eine Sichtweise, die diese Einsätze mit der Begründung ablehnt, sie dienten nicht „deutschen Interessen“. (9) Mit Blick auf die Beteiligung der Bundeswehr am UN-Einsatz MINUSMA bzw. der EUTM Mali wird kritisiert, dass die dortige Krise auf eine Kolonialpolitik Frankreichs zurückgehe, die sich bei der Grenzziehung um „Volksgruppen, Traditionen und Sprache“ nicht gekümmert habe, der jetzige Einsatz lediglich der Stützung einer französischen „Hinterhofpolitik“ (10) diene bzw. aufgrund der in Mali relevanten Uran- und Phosphatvorkommen „ein neokolonialer Krieg“ im Interesse Frankreichs stattfinde. (11) Der Einsatz der Bundeswehr im östlichen Mittelmeer wird zugleich als wenig wirksam kritisiert, da sich der NATO-Marineeinsatzverbands SNMG2 auf die Erstellung von Lagebildern und deren Weitergabe an die türkischen und griechischen Behörden beschränke.

Die Kritik nationalkonservativer und extrem rechter Gruppen an den Auslandseinsätzen der Bundeswehr ist nicht vom Interesse an der Beseitigung von Kriegsursachen und der Stärkung kriegsvermeidender internationaler Abkommen getragen. Krieg wird vielmehr als unvermeidlich angesehen – er soll jedoch ›deutschen Interessen ‘dienen‘. Der völkisch-nationalistische Souveränismus will die Rückkehr zu einem deutschen Machtstaat, der über die gesamte Breite des Waffenarsenals verfügt und dessen Militär und Bevölkerung zu Opfern bereit sind, wenn es in zukünftigen Kriegen – ohne völkerrechtliche Begrenzungen – um die Durchsetzung dessen geht, was zuvor als „deutsche Interessen“ bestimmt worden ist.

 

Anmerkungen
(1) Alternative für Deutschland (2016): Programm für Deutschland. Stuttgart: 29-32.

(2) Erik Lehnert (2013): Eine Armee am Rand. In: Junge Freiheit 34/2013, S. 21.

(3) Udo Pastörs (2014): Kanonenfutter für den Feind. In: Deutsche Stimme 11/2014, S. 2.

(4) Jochen Weber (2011): Ohne Tradition, ohne Geld, ohne Zukunft. In: Deutsche Stimme 12/2011, S. 5.

(5) Bernhard Radtke (2017): Volksbund auf Abwegen? In: Zuerst! 1/2017, S. 34-37, hier S. 36.

(6) Dieter Stein (2013): Die nationale Neurose überwinden. In: Junge Freiheit 26/2013, S. 1.

(7) Thorsten Thomsen (2012): ›Kriegsflughafen Leipzig – nicht mit uns!‹. In: Deutsche Stimme 5/2012, S. 11.

(8) Roland Wuttke (2013): Der Auftrag von Tauroggen. In: Deutsche Stimme 3/2013, S. 8.

(9) Fabian Virchow (2006): Gegen den Zivilismus – Internationale Beziehungen und Militär in den politischen Konzeptionen der extremen Rechten. Wiesbaden.

(10) Manuel Ochsenreiter (2013): Verehrte Leser. In: Zuerst! 2/2013, S. 3.

(11) Roland Wuttke (2013): Jetzt auch noch Mali. In: Deutsche Stimme 2/2013, S. 6.

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Fabian Virchow ist Professor für Theorien der Gesellschaft und Theorien politischen Handelns an der Hochschule Düsseldorf; dort leitet er den Forschungsschwerpunkt Rechtsextremismus/Neonazismus (www.forena.de). Er forscht und publiziert zu militärsoziologischen Fragestellungen sowie zu Geschichte, Organisation, Weltanschauung und politischer Praxis der extremen Rechten. 2006 erschien Gegen den Zivilismus – Internationale Beziehungen und Militär in den politischen Konzeptionen der extremen Rechten (Verlag für Sozialwissenschaften).