Die Regierung präsentiert das Weißbuch- die Soldaten Totenköpfe

Hintergrund
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Am 26.10. wollte die Bundesregierung mit dem neuen Weißbuch für die Bundeswehr - das erste nach 12 Jahren - im Mittelpunkt des Medieninteresses stehen. Die große Koalition hatte es geschafft, sich im Kabinett auf einen Text zu einigen. Doch nicht diese vermeintliche politische Leistung, sondern das Fehlverhalten von deutschen Soldaten, die in Afghanistan mit Totenköpfen posierten, bestimmte die Schlagzeilen und auch die Debatte im Bundestag.

,,Mit Abscheu und Entsetzen" über die Bilder aus Afghanistan eröffnete Verteidigungsminister Jung seine Regierungserklärung und polterte: ,,Wer sich so verhält, hat in der Bundeswehr keinen Platz."

Aber schlimmer als die Fotos der Bundeswehrsoldaten mit gefundenen Leichenteilen ist, dass NATO-Soldaten in Afghanistan bei. ihren Angriffen töten, da¬runter viele Zivilisten. Die „Friedenstruppe" genannte ISAF hat nach eigenen Angaben zum Ende des Ramadans 12 Zivilisten getötet. Das Blutbad zum heiligen Fest des Fastenbrechens, wird von unserer Regierung achselzuckend hingenommen.

Solche Untaten werden nicht mit der gleichen Empörung im Bundestag thematisiert. Stattdessen lobte Verteidigungsminister Jung die 200.000 Soldatinnen und Soldaten der Bundeswehr, die bisher in Auslandseinsätzen tätig waren; ,,Sie haben ihren risikoreichen Auftrag in einer hervorragenden Art und Weise erfüllt und das Ansehen der Bundesrepublik Deutschland gemehrt." Viele Abgeordnete der Union, der SPD, der FDP und auch der Grünen klatschten Beifall.

Das Weißbuch manifestiert eine Entwicklung, die in den letzten Jahren ohne große öffentliche Debatte forciert wurde: Die Bundeswehr wird von einer Verteidigungsarmee zur angriffsfähigen Kriegstruppe umstrukturiert.

Der Weißbuchentwurf von Verteidigungsminister Jung wurde zwar im Rahmen einer nicht öffentlichen Abstimmung im Kabinett abgemildert, allein der großen Koalition strittigen Passagen wurden ent¬schärft oder gestrichen. Eine zukunftsweisende Konzeption wurde das Weißbuch da-durch nicht, sondern eher ein Dokument der Widersprüche und der vermiedenen inhaltlichen Auseinandersetzung. Die falsche Grundrichtung bleibt.

So auch in der Frage der Atomwaffen und Abrüstung. Wenn Walter Kolbow (SPD) in der Debatte zum Weißbuch betont: ,,Abrüstung ist das beste Mittel zur Kriegsverhütung", findet er dieses Stichwort im Weißbuch im Vorwort der Bundeskanzlerin nicht, im restlichen Text keine zehn mal. Ein Konzept der Abrüstung wird nicht ent¬wickelt, vor allem nicht für die Bundeswehr.

Die nukleare Teilhabe soll nicht mehr auf Dauer beibehalten werden, wie im ursprünglichen Entwurf des Verteidigungsministers, aber ein Ende der technischen nuklearen Teilhabe wird auch nicht festgelegt. Für eine „überschaubare Zukunft" würde die Abschreckung der NATO auch nuklearer Mittel bedürfen.

Winfried Nachtwei (Grüne) kritisierte damit zurecht: ,,Die Bundesregierung be¬kennt sich zur nuklearen Abrüstung, aber entwertet dieses Prinzip, indem sie sagt: Nur nicht vor unserer Haustür.“

Energiesicherheit wird als strategische Aufgabe definiert, aber nicht mehr eindeutig als Aufgabe der Bundeswehr beschrieben: ,,Die Sicherheit der Energieinfrastruktur muss gewährleistet werden." Die Frage des „Ausbaues der heimischen erneuerbaren Energien und ein ausgewogener Energiemix" wird aufgegriffen. Aber obwohl auf Proliferationsrisiken und Terrorismusgefahr hingewiesen wird, bleibt die Rolle Kernkraft als Wegbereiter zu Atomwaffen und potentielles terroristisches Angriffsziel ausgeklammert.

Das Weißbuch ist geschrieben, die politische Diskussion vertagt. Hans-Peter Bartels (SPD) stellte fest: ,,Den neuen Bedrohungen, die im Weißbuch beschrieben sind, lässt sich mit Atombomben nicht mehr begegnen. Wir müssen uns in naher Zukunft damit befassen."

Zivile Sicherheitskonzepte wurden zwar schon schlagwortartig in das Weißbuch eingebaut, aber bleiben der militärischen Denken untergeordnet. Undiskutiert bleiben die Erkenntnisse, dass der Krieg gegen den Terror das Gegenteil von dem bewirkt hat, was er vorgibt anzustreben. Undiskutiert bleibt die Frage der Völkerrechtsmäßigkeit der Auslandseinsätze der Bundeswehr. Mit gutem Grund bleibt deshalb das KSK unerwähnt. Mit gutem Grund wird das Urteil des Bundesverwaltungsgerichtes zur Gehorsamsverweigerung von Florian Pfaff verschwiegen. Stattdessen wird eine Weiterentwicklung des Völkerrechts aufgezeigt, die das Gewaltverbot aushebelt und Kriege nicht mehr allein zur Selbstverteidigung und Bedrohung des Weltfriedens, sondern auch bei Verstößen gegen die „internationalen Normen" legitimiert.

Wolfgang Gehrke (Die Linke) legte in der Debatte eine völlig gegenteilige Konzeption vor: ,,Wenn es nach dem Grundgesetz ginge bei seiner Schaffung ging man eigentlich von der Verteidigungsaufgabe aus-, könnte man heute hier darüber diskutieren die Bundeswehr in mittelfristigen Schritten aufzulösen.“

Die Bilder der Soldaten mit den Totenköpfen in Afghanistan symbolisieren die Realität de Krieges: Soldaten töten. Damit den ins Weißbuch alibihaft aufgenommenen Schlagwörtern von Abrüstung und ziviler Krisenprävention Taten folgen, müssen die Opposition im Bundestag und die Friedensbewegung in der Gesellschaft kämpfen. Wer Frieden will, braucht eine zivile Krisenpolitik.

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